Vier Adventssonntage, vier Perspektiven: Im zweiten Teil unserer Serie spricht eine Diamantweg-Gruppe aus Elmshorn über die Zeit bis zum Fest

Elmshorn. Der mitgebrachte Adventskranz irritiert. „Wir können doch nicht um ihn herum meditieren“, reagiert Emu Segebrecht mit Skepsis. So muss das Mitbringsel des Abendblatt-Reporters, verbindendes Element zwischen vier Familien und Gruppen mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund für unsere Advents-Kurzserie, an den Rand des Bildes weichen. Dabei sind die Buddhisten an sich dem christlichen Fest der Liebe und Freude durchaus aufgeschlossen, betont Imke Voet. „Weihnachten ist wunderbar. Wir versuchen 365 Tage im Jahr das Gefühl von Weihnachten und diesen Glückszustand zu leben.“

Imke Voet ist Anhängerin des Diamantweg-Buddhismus, der sich dem tibetischen Buddhismus der Karma-Kagyü-Linie verschrieben hat. Diese beruft sich auf den Karmapa, den Meisterlehrer, der heute seinen 17. Nachfolger nach Buddha hat, der vor mehr als 2600 Jahren in Nepal Erleuchtung fand. Im Westen gibt es 620 buddhistische Zentren dieses Diamantweges, die der Däne Ole Nydahl, 72, vor gut 40 Jahren nach Europa brachte und hier etablierte. Allein in Deutschland gibt es 20.000 Anhänger dieses Glaubens. „Buddhismus ist aber keine Religion“, sagt Imke Voet. „Wir haben keine Götter.“

Buddhismus sei die täglich geübte Praxis, durch Meditation eins zu werden mit Körper, Rede und Geist, der eigenen Buddha-Natur, wie Voet sagt. „In der Meditation verschmelzen die Energiefelder.“ Nach vielen Jahren reife der buddhistische Geist und befreie sich von den schlechten Gefühlen wie Zorn, Neid, Eifersucht oder Habgier, von denen es laut Buddha 84.000 verschiedene Formen gibt. Aber das sei ein sehr langer Prozess, den sie in zwölf Jahren noch nicht erreicht habe, sagt die Elmshornerin. „Ich bin schon froh, wenn ich ohne Zorn Auto fahren kann.“ Die Erleuchtung sei dann die höchste Stufe, die ein Buddhist erreichen kann.

Sie selbst sei eine sehr aktive Christin gewesen, als sie den Buddhismus für sich entdeckte. Eine Reise mit dem Lama Nydahl von Moskau nach Sibirien brachte ihr das Aha-Erlebnis, sagt die 46-Jährige, die als Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet und Vorsitzende des Vereins Frauen helfen Frauen ist. Dabei helfe ihr der buddhistische Glaube, dass jedes Leid seine Ursache habe. Wer in einer Lebenskrise steckt und begreife, dass er nicht Zielscheibe, sondern seines eigenen Glückes Schmied sei, könne durch diese Erkenntnis reifen und eine heilende Kraft und neue Wege für sich entdecken, dieses Leid zu überwinden, erklärt Imke Voet.

Auch wenn sie aus der Kirche ausgetreten ist, findet sie die Weihnachtszeit ganz wunderbar. Das liegt auch an ihrem Mann Johannes, ein gebürtiger Holländer, der sechs Jahre als Mönch in einem südafrikanischen Kloster lebte. Der meditiert zwar regelmäßig mit, sagt aber: „Ich bin ausgesprochen katholisch. In der Adventszeit spitzt sich alles auf das Weihnachtsfest zu. Damit fängt ja alles an.“ Die Symbole wie Adventskranz und Tannenbaum gehörten „zur guten Stimmung dazu“. Da ist sich das Ehepaar einig. „Natürlich haben wir einen Tannenbaum. Ich liebe Kerzen und Lichter“, sagt Imke Voet. In ihrer Küche hat sie auch einen Adventskranz.

Was sie grundsätzlich ablehnt, sei die Konsumschlacht, die viele Menschen vor Weihnachten packe und nicht mehr loslasse. „Konsum ist sinnlos“, sagt die Buddhistin. Sie kaufe sich zwar auch gerne schöne Dinge wie schicke Schuhe oder Kleider, gibt sie zu. „Aber das wahre Glück kann ich nur in mir selbst finden. Es sind nicht äußere Dinge, die uns glücklich machen. Es sind die inneren Werte, das eigene Gefühl, das Loslassen Können, die wichtig sind.“

Aber auch im Hause Voet gibt es Geschenke. Diese seien eher die kleineren Freuden, wie mit der Familie zusammen sein, gut essen und reden, einen Ausflug an die Nordsee machen. Das unterscheidet sie nicht sehr von vielen anderen Familien. Wobei sie gerne am Vorabend feiern. Für ihren Mann sei der Abend vor Nikolaus etwas ganz Besonderes. Und am 23. Dezember haben sie Hochzeitstag. „Ich führe ein sinnvolles Leben. Darüber freue ich mich.“