749 Notrufe, 209 Einsätze: Orkantief „Xaver“ wirbelt Kreis Pinneberg mächtig durch. Deiche halten Hochwasser stand

Kreis Pinneberg. Uwe Hamann ist geschafft. Während es sich die meisten Bewohner in dieser Unwetternacht zum Freitag in ihren Wohnungen gemütlich machten und einen der stärksten Stürme an sich vorbeiwehen ließen, gehörte Hamann zu denen, die hinaus in die stürmische Nacht mussten. Der 43-Jährige ist einer von sechs Deichgrafen im Kreis Pinneberg. Hinzu kommen zwei Oberdeichgrafen. Der Job: ehrenamtlich. Hamanns Gebiet: sechs Kilometer Deich von der Pinaumündung bis zum Krückau-Sperrwerk. Sein Fazit zur Sturmflutnacht: „Das Wasser kam relativ weit, aber es wurde dem Deich nicht gefährlich.“ Der größte Teil seines Deichabschnittes ist dank der Insel Pagensand vor den Gezeiten gut geschützt, bis auf einen Teil, der Wind und Wetter besonders ausgesetzt ist. Und der bereitete Hamann auch die meisten Bauchschmerzen, während der Orkan Xaver am Donnerstagabend anfing, richtig zu wüten.

Ein etwa 2,5 Kilometer Deichabschnitt ist in Teilen abgesackt und soll erst 2015 für etwa 1,5 Millionen Euro wieder hergerichtet werden. Bis dahin fehlen an mancher Stelle bis zu 90 Zentimeter. „Viele denken, sie sind ja weit weg von der Elbe. Aber wenn hier bei uns etwas bricht, dann rauscht es die Krückau und Pinnau hinunter und setzt wie 1962 die tieferliegenden Teile von Pinneberg und Elmshorn unter Wasser“, erklärt Hamann, der seit kurzem auch dem neu gegründeten Gewässerverband des Kreises vorsitzt. Umso genauer hatte er zusammen mit den anderen ehrenamtlichen Deichläufern, die sich aus Ortskundigen und Feuerwehrleiten zusammensetzen, in der Hochwassernacht den besagten Deichabschnitt im Auge. Mit Taschenlampe und Funkgerät ging es in Zweier-Teams jede Stunde raus, um auf der einen Deichseite nach möglicher Quellenbildung durch Druckwasser und auf der anderen Seite nach großen Fremdkörpern Ausschau zu halten, die gegen den Deich schlagen und ihn so beschädigen. Gerade das sei in den vergangenen Jahren zu einem wachsenden Problem geworden, so Hamann. „Durch den Wellenschlag bildete das Treibgut eine potenzielle Gefahr.“ Für ihn hat Xaver gezeigt, „wie wichtig es ist, die Deiche den neuen Verhältnissen anzupassen“.

In der Nacht zum Freitag herrschte zwar Ausnahmezustand für die Einsatzkräfte in der Region, doch im Unterschied zum Sturm Christian tobte Xaver viel länger, aber mit weniger schweren Folgen. „Die intensive Vorbereitung und Berücksichtigung von Erfahrungen aus dem Orkan Christian hat sich ausgezahlt. Das Zusammenspiel aller Einheiten hat sehr gut funktioniert“, sagt Stephan von Bandlow, Leiter der Kooperativen Regionalleitstelle West. 749 Notrufe gingen in der Leitstelle ein.

Ingesamt rückten die Feuerwehren im Kreis Pinneberg zu mehr als 200 Einsätzen aus. Unter anderem stürzten Bäume auf Häuser, versperrten Straßen oder begruben Autos unter sich. Fünf Stunden lang kämpften die Einsatzkräfte in Quickborn am Kiefernhain mit einem 25 Meter hohen Baum, der auf eine Haus gestürzt war. Ein Ast hatte das Dach durchschlagen. In Wedel erwischte es die Schwarze Margarethe. Das Wedeler Naturdenkmal war mehr nicht zu retten. Obwohl die Buche am Hauenweg laut Verwaltung zu einem der dicksten Bäume der Stadt zählte, hatte sie Xaver nicht genug entgegenzusetzen. In Ellerbek deckte der Orkan das Dach eine Lagerhalle ab.

Besonders stark tobte der Sturm auf Helgoland. Dort wurden Windstärken von bis zu 153 Kilometern pro Stunde gemessen. Im Bereich des Nordstrandes auf der vorgelagerten Düne kam es zu erheblichen Sandabtragungen und zu einem Wassereintritt. Aufgrund der Sturmflut wurde auch in Wedel die Hochwasserschutzanlage am Hafen am Donnerstag und Freitag geschlossen. Das Wasser überflutete den Willkomm-Höft und schwappte so weit ans Schulauer Fährhaus, dass die Feuerwehr anrücken musste, um beim Kellerauspumpen zu helfen.

Vorwärts ging es für Bahnfahrer auf vielen Strecken nur schleppend oder gar nicht. So krachte am Donnerstagabend in Elmshorn ein AKN-Zug in Höhe des Bahnübergangs Friedensallee in einen umgestürzten Baum. Der Zugführer wurde leicht verletzt, beide Passagiere kamen mit dem Schrecken davon.

Am Freitag entspannte sich die Wetterlage soweit, dass die Weihnachtsmärkte in Pinneberg und Elmshorn wieder öffneten, und auch der Fährverkehr nach Helgoland soll ab Sonnabend wieder anlaufen.