Mit kreativen Spezialangeboten behaupten sich zwei Kinos in Quickborn und Uetersen gegen die großen Ketten

Quickborn/Uetersen. Wenn Kai Bartels seinen karierten Dienstpyjama aufbügelt, geht es rund im Quickborner Beluga-Kino. Dann stürmen die Fans das Lichtspielhaus, das das Gesellschafter-Duo Bartels, 36, und Bernd Keichel, 53, seit März 2004 an der Straße Güttloh betreibt. Zu Streifen wie Disneys aktuellem Weihnachtsfilm „Eiskönigin“, dem „Kleinen Gespenst“ oder „Fünf Freunde“ kommen dann nicht nur die Kinder im Nachtzeug komplett mit Kuscheltier und Schnuffeltuch für zwei gemütliche Kinostunden, sondern sie bringen ihre entsprechend kostümierten Väter oft gleich mit. „Da hatten wir auch mal einen Bären von Mann im FC-St.-Pauli-Pyjama“, sagt Bartels. „Das macht uns einfach einen Riesenspaß, wenn wir dann in diese leuchtenden Kinderaugen gucken.“

Die Pyjama-Party im Kino war ursprünglich nur eine der von ihnen selbst so getauften Schnapsideen, von denen das filmverrückte Duo, das sich bei der gemeinsamen Arbeit im Hamburger Abaton-Kino kennengelernt hat, Dutzende ausgebrütet hat. Wie die Horror-Nacht – natürlich mit schaurig-schönem Buffet und Blut-Bohnen-Cocktail – oder die Ladies’ Night, bei der der Live-Auftritt eines professionellen Strippers auf der eigens gebauten Bühne vor der Leinwand den jeweiligen Vorfilm ersetzt. Dazu gibt’s Prosecco fürs rein weibliche Publikum. 100 Liter für einen 150-Plätze-Saal. „Und das geht locker weg“, sagt Bartels. Die Damen stehen Schlange, die Ladies’ Night ist ein enormer Erfolg. „Dabei war es nur eine Schnapsidee meiner Freundin zum Kinostart von ‚Sex and the City’“, sagt Bartels. Um neue Einfälle sofort zu notieren, hat er immer Zettel und Stift dabei.

Technisch erstklassige Live-Übertragungen aus der Pariser Oper, dem Moskauer Bolshoi-Ballett oder – ganz neu – von den Berliner Philharmonikern. Spezialkino für Landfrauen, für Senioren, für Romantikerinnen, die gerne mal vor der Leinwand zu Tränen gerührt sind, ohne dass Männer sarkastische Kommentare absondern. Actionfilme im Mega-Sound-Format, bei dem der eigens gebaute 75-Kilo-Subwoofer bubbernde Basswellen in die Magengegend schickt – solche unkonventionellen Extras sind ein Markenzeichen des Beluga-Kinos sowie der beiden ebenfalls von Keichel/Bartels betriebenen Lichtspielhäuser in Uetersen (Burg-Kino) und Buxtehude (City-Kino). Und sie sind einer der Gründe, warum sich der Ingenieur für Filmwiedergabetechnik Keichel, der sein Diplom 1990 in der deutschen Filmhauptstadt Babelsberg machte, und der Filmtheaterkaufmann Bartels als unabhängige Kinobetreiber gegen den Trend und die großen Multiplex-Ketten am Markt behaupten können.

Bei der Auswahl der Filme zählt der Publikumsgeschmack. „Man darf Filme nicht nach seinen eigenen Vorlieben aussuchen, sondern muss da ganz unvoreingenommen rangehen“, sagt Bartels. Auf seiner persönlichen Hitliste stehen 80er-Jahre-Actionkomödien wie „Ghost Busters“ ganz oben. Keichel schwärmt für Western. Und weil beide außerdem begeisterte Köche sind, zaubern sie zu vielen Filmevents das passende Menü, zum Beispiel ein Gala-Dinner zum Kinostart des „Hobbit“ am 14. Dezember – natürlich eigenhändig in der Beluga-eigenen Profiküche. „Da haben wir schon mal 150 Schnitzel geklopft oder 220 Kalbsröllchen gefüllt“, sagt Bartels. Die Käsesoße für ihre Nachos lassen die Perfektionisten nach eigenen Vorgaben in den USA anrühren. „Deutsche Firmen haben einfach nicht diesen typischen Nacho-Geschmack hinbekommen.“

Der Mix aus Filmen fürs Herz und Filmen für den Geldbeutel kommt nicht nur bei der zahlenden Kundschaft gut an. Er hat dem Duo auch eine Reihe renommierter Preise beschert. Auf den mit 2500 Euro dotierten Kinoprogrammpreis des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sind sie seit 2004 abonniert, den Kinoprogrammpreis des Landes Schleswig-Holstein haben sie seit 2010 drei Mal abgeräumt. Besonders stolz aber sind sie auf die Ehrung für das beste Kinder- und Jugendprogramm in Schleswig-Holstein 2010. „Da werden normalerweise reine Filmkunsttheater ausgezeichnet, und das sind wir ja nicht. Wenn wir uns gegen diese Konkurrenz behaupten können, ist das schon eine große Ehre“, sagt Bartels.

Denn das Kerngeschäft der Beluga-Chefs orientiert sich ganz konventionell an den internationalen Blockbustern. Die bringen die Einnahmen, ohne die viele der kreativen Ideen einfach nicht realisierbar wären. Die einfallsreichen Extras seien ganz klar Ergänzungen, die den normalen Kinobetrieb nicht stören dürfen.

Denn Zuschüsse gab es nur für die notwendige Digitalisierung der Kinos. Ein Drittel der Kosten in Höhe von 600000 Euro spendierten Land, Bund und Filmförderung. „An den restlichen 400000 Euro werden wir noch lange abbezahlen“, sagt Keichel. Trotzdem soll der Filmspaß erschwinglich bleiben. „Der Montag bleibt Kinotag, da kosten 2-D-Filme weiterhin vier Euro. Das ist uns wichtig.“

Dass sie ihre Kinokost zwar technisch ebenso hochwertig, aber deutlich günstiger als die regionale und großstädtische Konkurrenz anbieten können, liegt auch am Hang der beiden Chefs zum Selbermachen. Ob Lautsprechereinbau, das komplizierte Auswechseln der Xenon-Strahler, Bühnenbau oder die Entwicklung und Einrichtung von Steuerungen für sämtliche Systeme via Tablet-PC oder Smartphone übernimmt Keichel, das Marketing inklusive Flyergestaltung ist Sache von Kai Bartels.

„Dafür holen wir keine teuren Spezialisten, das können wir selbst“, sagt Keichel. „Eigentlich sind wir echte Spielkinder, wir tüfteln gern.“ Bartels Vater Rolf übernimmt Büro und Buchhaltung. „Und er liebt es, am Tresen zu stehen und mit den Kunden zu schnacken“, sagt Bartels. Denn sein Vater ist mindestens so verrückt nach Kino wie er selbst, schleppte ihn als Kind fast jedes Wochenende ins frühere Hamburger Grindel-Kino.

Praktisch gearbeitet wird am liebsten nachts, nach Kinoschluss so gegen 23 Uhr. „Dann haben wir am meisten Ruhe.“ Nachts ziehen Chefs und Team Wände hoch, bauen einen ganzen Saal neu, streichen das Foyer. „Wir sind ein Haufen Verrückter“, sagt Bartels. „Nicht normal sein ist hier Einstellungsbedingung.“