Chor Cantate kurvt in der Haseldorfer Kirche fast perfekt durch das selten aufgeführte Werk

Haseldorf. Amadio Freddis Musik hätte vermutlich auch den antiken Sirenen gefallen. So verführerisch schön klingt sie, dass selbst Sänger und Musiker in den tückischen Untiefen der barocken Klanggewalten unversehens auf Grund laufen können. Trotzdem wagte der Haseldorfer Kirchenmusiker Jörg Dehmel gemeinsam mit handverlesenen Solisten, Musikern und dem Chor Cantate aus Appen und Moorrege den riskanten Ausflug – und gewann. Die selten aufgeführte „Marienvesper", eine Zusammenstellung von Psalmen, die der heute fast unbekannte Italiener Freddi (1570 - 1634) für diesen traditionell um 18 Uhr begangenen Gebetsgottesdienst vertont hatte, faszinierte als unkonventioneller Start in die Vorweihnachtszeit.

Zwar ging das Abenteuer am Abend des Ersten Advent in der halb gefüllten Haseldorfer Kirche Sankt Gabriel tatsächlich nicht ganz ohne Ausrutscher ab. Trotzdem hatte sich die Mühe gelohnt. Das lag außer an der starken Leistung der Sänger und Musiker vor allem am reizvollen Wechselspiel zwischen Freddis kontrastreich angelegter Opulenz und den vergleichsweise filigranen, eher kammermusikalisch konstruierten Antiphonen aus der Feder des knapp 50 Jahre jüngeren Johann Rosenmüller (ca. 1617 - 1684), der in Leipzig und Italien wirkte. Passend zur Adventszeit hatte Dehmel diese sieben Anrufungen, die innerhalb der katholischen Liturgie traditionell in der Woche vor Heiligabend im Zusammenhang mit dem „Magnificat", dem Lobgesang der Maria, gesungen werden, Freddis sechs Psalmen vorangestellt. Die liturgischen Zusammenhänge der alttestamentarischen – und deshalb eigentlich vorchristlichen – Psalmen mit ihrer jüdischen und christlichen Auslegung erläuterte die frühere Pröpstin Monika Schwinge in kurzen Einschüben jeweils vor den Antiphon-Psalm-Paaren.

Musikalisch glänzten Sänger und Musiker vor allem in der ersten Hälfte der Vesper. Fein aufeinander abgestimmt brachten sie die hellen, optimistischen Klangfarben von Rosenmüller und Freddi zum Strahlen, glitten souverän durch Taktwechsel, meisterten stimmig und sicher die anspruchsvolle Komposition.

Unter den fünf Solisten punkteten Sopranistin Daniela Specker, Altistin Kerrin Brinkmann und Bassist Malte Schulz als absolut stabile Säulen, selbst wenn Chor und Musiker sich gegen Ende in den Klanggirlanden gelegentlich so verwickelten, dass Dehmel, der gleichzeitig dirigierte und Cembalo spielte, sie neu ansetzen ließ. Eine enorme Leistung zeigte aber auch Sopranistin Ursula Fuhrmann. Sie war spontan für die kurzfristig erkrankte Kollegin Johanna Mohr eingesprungen und hatte nur 48 Stunden Zeit, die ungewohnte Partie einzustudieren.