Bernd-Ulrich Netz, Leiter der Haseldorfer Elbmarschenhauses, zieht es nach zehn Jahren gen Hamburg

Haseldorf. Bernd-Ulrich Netz und das Elbmarschenhaus in Haseldorf – das gehört einfach zusammen. So sehr, dass es nur schwer vorstellbar ist, dass es den 48 Jahre alten Chef der Einrichtung woanders hinzieht. Doch nach mehr als zehn Jahren bricht Netz seine Zelte ab, um in Hamburg die Naturschutzbehörde zu leiten. Im Gespräch mit dem Abendblatt spricht er über seine Beweggründe, erzählt von Dingen, die er lieber nicht angepackt hätte, und erklärt, was sein Nachfolger können sollte.

Hamburger Abendblatt:

Jetzt ging es plötzlich doch alles schneller, als gedacht. Ab 1. Dezember arbeiten Sie bereits für die neue Behörde in Hamburg, die Sie leiten werden. Wie waren die letzen Arbeitstage in Haseldorf?

Bernd-Ulrich Netz:

Anstrengend. Erst zeichnete sich der Wechsel nach Hamburg zum 15. Dezember ab. Darauf hatte ich mich auch arbeitstechnisch eingestellt. Dann kam plötzlich der Anruf vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, dass ich doch bereits früher gehen kann. Deshalb gab es für mich in den letzten Tagen viel zu tun.

Montag ist also Ihr erster Arbeitstag bei der Hansestadt Hamburg. Erinnern Sie sich noch an den ersten Tag im Elbmarschenhaus?

Netz:

Vor zehn Jahren gab es das Haus noch gar nicht. Als ich anfing, musste das erst einmal aufgebaut werden. Ich war zuvor als Diplom-Biologe und Landschaftsarchitekt für ein Planungsbüro in Rellingen tätig und hatte den Auftrag, ein Gutachten über die Einrichtung solch einer Integrierten Station zu verfassen. Ich habe, wenn man so will, damals meine eigene Stelle beschrieben. Aber das wusste ich ja nicht. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass das wirklich umgesetzt wird und war umso begeisterter, als es klappte und ich den ausgeschriebenen Job beim Land auch noch bekam.

Wie haben Sie denn angefangen?

Netz:

Das Gutachten habe ich 2001 geschrieben. Und als ich 2003 den Job hier antrat, wurde über den Pachtvertrag verhandelt. Das Haus war da, sonst nichts. Wir haben dann begonnen, es mit Leben zu füllen. Was gut war und ich auf jeden Fall immer wieder so machen würde: Wir haben Interessierte eingeladen, mitzuarbeiten. Ich dachte, es würden sich etwa fünf Ehrenamtliche finden, die dabei bleiben. Aber es waren 25, die über die Jahre hinweg an der Entwicklung des Konzeptes und den Ausstellungen stetig mitgewirkt haben. So ist das hier wirklich aus der Region heraus entstanden. Fast drei Jahre hat es bis zur Eröffnung gedauert. Es gab viel zu tun. Es musste ein Zweckverband als Träger des Hauses gegründet werden, und am Ende war auch das Geld für den nötigen Umbau knapp. Da haben wir als Team angepackt, den Fußboden rausgerissen, den großen begehbaren Räucherofen stückchenweise aus dem ersten Stock des Fensters geworfen und zentnerweise Kupfer entfernt. In dem ehemaligen Inspektorenhaus des Gutes lagen drei Generationen an Stromkabeln. Ich habe das Elbmarschenhaus mit vielen anderen sozusagen mit eigenen Händen aufgebaut.

Am Anfang waren Sie also Ideengeber und Aufbauhelfer. Und heute?

Netz:

Gebietsmanager. 20.000 Hektar umfasst die Fläche, die der Station zugeordnet ist. Nun sind darunter ein großer Teil Wasser- und Wattflächen, aber es gehört eben auch das Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland dazu, das mit mehr als 2000 Hektar eines der größten Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein ist.

Haben Sie ein Beispiel dafür, was Sie für den Naturschutz in der Region bewirken konnten?

Netz:

Ich habe unter anderem mit sehr vielen Akteuren an einem Managementplan für das Elbästuar mitgewirkt. Darin sind etwa 250 Maßnahmen aufgelistet, die jetzt Stück für Stück umgesetzt werden. Unter anderem wird die Hochspannungsleitung von Hetlingen hinüber auf die andere Elbseite bis 2015 mit Markern versehen. Es gibt Studien, die belegen, dass sich dadurch der Vogelschlag um 80 bis 90 Prozent verringert. Das kann in diesem Fall einige 1000 Tiere pro Jahr betreffen. Wie viel es genau bewirkt, soll ein Vorher- und Nachher-Gutachten zeigen.

An einem Tag koordinieren Sie den Einsatz von Schafherden als Rasenmäher in den Holmer Sandbergen, am nächsten genehmigen Sie Dreharbeiten im Naturschutzgebiet, dann stehen Sie neun Stunden an Bord einen Schiffes und zählen Vögel: Ihr Job ist verdammt abwechslungsreich. Erinnern Sie sich trotzdem an eine besondere Begebenheit?

Netz:

Ich erinnere mich an etwas, über das ich sehr froh bin, dass ich es damals nicht gemacht habe. Kurz vor meinem Antritt hier ist das Gehöft auf Julssand abgebrannt. Da lag noch eine alte Telefonleitung, die musste weg, und weil wir in Schwung waren, wollten wir gleich andere alte Masten entfernen. Am Hetlinger Strand stand auch so ein ungenutzter Mast, dachte ich. Den hätten wir fast umgelegt. Weil da ein Kasten hing, habe ich mich doch noch mal rückversichert, und es stellte sich heraus, dass ich die Stromleitung für die Flugsicherung der Hochspannungsleitung über die Elbe gekappt hätte. Auch die Radaranlage wäre abgetrennt gewesen. Ich glaube, ich hätte Ärger bekommen.

Ihr Nachfolger sollte sich also mit Strommasten auskennen und flexibel sein. Was noch?

Netz:

Es wäre gut, wenn er ein bisschen Naturbursche wäre und das nötige Wissen mitbringt. Aber das Wichtigste ist, wenn unterschiedliche Akteure wie Landwirte, Touristen, Anwohner oder Naturschützer zusammenkommen, dass man gern kommuniziert. Es ist einfacher miteinander etwas umzusetzen, als gegeneinander. Die Stelle wird erst noch ausgeschrieben. In den kommenden Monaten übernimmt eine Vertretung aus Itzehoe die Aufgaben, der Kollege wird aber wenig in Haseldorf sein.

Warum haben Sie sich entschieden, zu wechseln?

Netz:

Das ist eine riesige Chance, die nicht wiederkommt. Ich habe dann 40 Mitarbeiter und muss mich in ganz Hamburg um den Naturschutz kümmern. Neun Prozent der Stadtfläche stehen unter Naturschutz. Das entspricht etwa 6000 Hektar. Das ist weniger als ich jetzt betreue, aber die Konflikte sind vielfältiger. Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe und freue mich sehr auf die neuen Herausforderungen. Ich hatte den zweitschönsten Job, den ich mir vorstellen kann, und trete jetzt den schönsten an.