Am Wedeler Elbhochufer sind Parkplätze Mangelware. Umso verärgerter sind Bewohner über den nächtlichen Abtransport von Wagen vor Netto-Markt

Wedel. „Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden“, besang bereits Herbert Grönemeyer ein Parkplatzproblem, das viele in dicht besiedelten Ecken der Hamburger Metropolregion sehr gut kennen. Das tägliche Suchspiel zerrt auch an den Nerven der Wedeler, die im Wohnviertel am Elbhochufer leben. In den engen Straßen ist jede freie Lücke umkämpft. Abends ist es besonders schlimm. Von 19 Uhr an ergießt sich der Feierabendverkehr in die Wohngegend. Wer zu spät kommt, hat ein Problem.

Doch um einen riesigen freien Parkplatz machen die Eingeweihten dabei einen großen Bogen: Vor der Netto-Filiale am Hans-Böckler-Platz steht nachts kein Wagen, während im Wohnviertel alles zugeparkt ist. Dabei wirkt die fast immer geöffnete Schranke vor der Einfahrt zum Parkplatz so verlockend. Wer aber auf die Idee kommt, sein Auto nach den Öffnungszeiten hierher zu stellen, erfährt, was die Hinweisschilder mit der Aufschrift „Kundenparkplatz. Widerrechtlich parkende Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ genau bedeuten.

Einer, der seine Erfahrungen damit machen musste, ist Thorsten Lueckow. Er stellte seinen Wagen über Nacht auf dem Parkplatz ab. Als er morgens Brötchen vom Bäcker direkt neben dem Netto-Markt holen wollte, war der Wagen am Haken. „Ich habe den Abschlepper noch wegfahren sehen, aber gar nicht reagiert“, so Lueckow. Er war von der Aktion zu überrascht. Noch überraschter war er von dem Preis, den er dafür zahlen sollte. 263,13 Euro verlangte das Abschleppunternehmen von ihm – „und zwar in bar“, berichtet Lueckow von seinem Besuch auf dem Gelände der Firma „Aktiv Transport“ in Hamburg. Dort hatte man seinen Wagen hingebracht und wollte ihn erst gegen die verlangte Summe freigeben. Lueckow zahlte unter Vorbehalt und klagte später. Das Gericht gab ihm Recht. Nach den dem Abendblatt vorliegenden Unterlagen sprach das Amtsgericht Hamburg-Altona Lueckow eine Rückzahlung einer Teilsumme in Höhe von 153,13 Euro plus Zinsen zu. Er gehört zu einer Reihe von Betroffenen, die geklagt haben und erfolgreich waren, weil die verlangte Summe vom Gericht als zu hoch beurteilt wurde.

„Man sieht hier öfter einen schwarzen Smart mit Hamburger Kennzeichen. Da sitzen dann Leute drin, die warten darauf, dass jemand die Parkscheibe vergisst und seinen Wagen hier zu lange abstellt“, berichtet Jens Wilke. Er gehört zu den zahlreichen Anwohnern, die sich über die Allianz zwischen Netto und den Hamburger Abschleppern ärgern – so sehr, dass er mit zehn anderen einen Brief an Netto schrieb.

Trotz mehrfacher Nachfragen bekam er aber bis heute keine Antwort auf die Frage, warum das Unternehmen so kundenunfreundlich agiere und ob man sich nicht mit einem Firmenvertreter einmal für eine Lösung zu einem Stadtrundgang treffen könne. „Wir wären auch bereit, Parkplätze zu mieten“, so Wilke.

Auf Abendblatt-Nachfrage, warum das Unternehmen Netto ausgerechnet durch die umstrittene Firma „Aktiv Transport“ abschleppen lasse, erklärt die Leiterin der Unternehmenskommunikation, Christina Stylianou, Folgendes: „An einzelnen Standorten setzen wir einen Parkplatzservice ein, wenn die Kundenparkplätze von Fremd- und Dauerparkern belegt werden.“ Da in Wedel sich vor etwa anderthalb Jahren die Kundenbeschwerden aufgrund fehlender Parkmöglichkeiten durch Fremdparker häuften, habe sich Netto in Wedel zu diesem Schritt im Sinne der Kunden entschlossen.

Auf die von Gerichten festgestellten überhöhten Abschleppgebühren des beauftragten Unternehmens geht Stylianou nicht ein, auch nicht auf die Frage, warum man nicht auf die Kritik der Anwohner zumindest einmal mit einer Antwort reagiere. Dafür betont sie, dass es sich um ein branchenübliches Vorgehen handele. „Wir haben seit etwa 2012 den Dienstleister Aktiv-Transport beauftragt, um unseren Kunden in Wedel dauerhaft einen angenehmen Einkauf inklusive Parkmöglichkeit gewährleisten zu können.“

Der Parkplatzservice im Sinne der Kunden kommt bei den verärgerten Anwohnern gar nicht gut an. „Wir sind doch auch Kunden und tragen unserer Geld dorthin“, hält Wilke dagegen. Er versteht nicht, warum der Parkplatz nach Geschäftsschluss und am Wochenende nicht von Anwohnern genutzt werden kann. „Wir hätten uns ein kundenfreundliches Entgegenkommen gewünscht. Mit einem Abschleppunternehmen als Parkraumbewirtschafter macht man den Bock zum Gärtner.“