Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg über die Auswirkungen des Sparzwangs

Pinneberg. Marode Fenster, Löcher in den Wänden, Wasserschäden – die Theodor-Heuss-Schule steht stellvertretend für den hohen Sanierungsbedarf an vielen Pinneberger Schulen und gleichzeitig für die Auswirkungen des Sparkurses, mit dem die Stadtverwaltung auf die katastrophale Finanzlage Pinnebergs reagiert. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt erklärt Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg, wie mit den Problemen an den Schulen umgegangen werden soll und dass in den kommenden Jahren weitere einschneidende Sparmaßnahmen auf die Stadt zukommen werden.

Hamburger Abendblatt:

Frau Steinberg, Schüler nennen die Stichworte Sarajewo und Tschernobyl, um die Theodor-Heuss-Schule zu beschreiben. Ist es übertrieben, wenn eine Pinneberger Schule mit dem Zustand nach einem Krieg oder Atomunfall verglichen wird?

Urte Steinberg:

Vergleiche mit solchen Ereignissen sind irreführend und sollten nicht herangezogen werden. Aber dass die Schüler sich dort extrem unwohl fühlen, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Die Theodor-Heuss-Schule ist nur eine der Schulen in der Kreisstadt, bei der ein großer Sanierungsbedarf besteht. Sie haben nahezu alle begutachtet. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Steinberg:

Der Zustand ist teilweise erschreckend. Es ist bedauerlich, dass wir jetzt einen so großen Sanierungsstau haben. Und es ist klar, dass etwas getan werden muss.

Sie haben also Verständnis dafür, dass der Unmut bei Schulleitungen, Eltern, Lehrern und Schülern zunimmt?

Steinberg:

Ja. Ich kann das verstehen. Aber nur zu fordern, hilft uns nicht weiter. Es geht darum mitzumachen, sich zu engagieren und das Problem gemeinsam zu lösen.

Wo besteht an den Schulen der dringendste Handlungsbedarf?

Steinberg:

Das ist das Thema Sicherheit. Es gibt beispielsweise Brandschutzmaßnahmen, die wir durchführen müssen. Das hat oberste Priorität. Der Kommunale Servicebetrieb hat zusammen mit dem zuständigen Fachbereich Anfang des Jahres begonnen, den Sachstand an allen Schulen aufzunehmen, um genau festzustellen: Was ist gut? Was muss getan werden? Daraus folgt der Schulsanierungsplan, den wir im Januar 2014 präsentieren werden.

In welchem Kostenrahmen werden sich die nötigen Maßnahmen bewegen? Nach unseren Informationen soll der Sanierungsbedarf bei mehr als 25 Millionen Euro liegen.

Steinberg:

Es ist mit Sicherheit ein sehr hoher Betrag. Zu den konkreten Zahlen möchte ich im Augenblick nichts sagen. Das wäre verfrüht. Der Schulsanierungsplan wird mit einer Dringlichkeitsliste versehen und zeigen, was alles zu bewältigen ist.

Pinneberg gehört zu den am höchsten verschuldeten Mittelstädten Schleswig-Holsteins, befindet sich unter dem finanzpolitischen Rettungsschirm des Landes. Bedeutet das nicht, dass Ihnen die Hände gebunden sind?

Steinberg:

Ich sehe das nicht so. Wir müssen kreative Lösungen entwickeln, zum Beispiel wenn es um das Thema Sparen geht. Wir haben einige Maßnahmen gefunden und werden weitere finden – finden müssen. Noch entscheidender ist aber die Einnahmenseite der Stadt, und da setze ich langfristig auf die weitere Ansiedlung von Gewerbe.

Wer leidet außer den Schulen am meisten unter den Einsparungen?

Steinberg:

Wahrscheinlich viele. Aber wer in einer Situation wie die Stadt Pinneberg ist, der muss alle Möglichkeiten nutzen, um Einsparungen vorzunehmen.

Wo sehen Sie denn überhaupt noch Einsparpotenzial?

Steinberg:

Viele Maßnahmen sind letztes Jahr beschlossen worden. Bei jeder Haushaltsposition muss auch in Zukunft geprüft werden, ob es Einsparpotenzial gibt. Es wird wahrscheinlich weitere Maßnahmen geben – auch bei Dingen, die die Stadt lebenswert machen, bei denen wir uns aber fragen müssen, ob wir sie uns noch leisten können. Einsparungen tun weh, werden sich aber nicht verhindern lassen. Wichtig ist jetzt, dass möglichst viele Menschen die Köpfe zusammenstecken und kreative Lösungen für Pinneberg finden. Wir können die Konsolidierung nur gemeinsam schaffen.

Wann müssen die Pinneberger mit den nächsten großen Einschnitten rechnen?

Steinberg:

Der Konsolidierungsvertrag läuft und die beschlossenen Maßnahmen werden abgearbeitet. Wir reden da über einen Zeitraum von fünf Jahren. Zudem wird permanent geprüft, ob es weitere Einsparpotenziale gibt. Grundsätzlich brauchen wir eine Planung mit Weitblick, mindestens bis zum Jahr 2030. Wo wollen wir hin? Wie können wir es schaffen, dass Pinneberg bis dahin auf gesünderen Füßen steht?

Kurzfristig wollen Sie die Haushaltslage sogar durch die Schließung von Spielplätzen verbessern.

Steinberg:

Spielplätze unterliegen hohen Sicherheitsanforderungen. Aktuell geht es um wenige Spielplätze, die ohnehin nicht oder kaum genutzt werden. Dort können wir die Unterhaltungskosten einsparen. Es geht aber auch darum, zu prüfen, welche anderen Nutzungsmöglichkeiten es für diese Plätze gibt. Die Spielplätze gehören zu den vielen kleineren Maßnahmen, die wir ergreifen müssen. Aber diese allein werden nicht reichen.

Trotz des Sparzwangs gibt es Projekte, die Sie in jedem Fall durchziehen möchten. Welche sind das?

Steinberg:

Das sind solche, die Pinneberg langfristig auf gesündere Füße stellen. Wichtig für unsere Einnahmenseite ist, dass wir die ansässigen Firmen pflegen und neue ansiedeln. Ein unverzichtbares Projekt ist dafür die Westumgehung, die insgesamt 29 Millionen Euro kosten wird, unser Anteil daran beträgt ein Drittel. Wenn wir die nicht bauen, haben wir keine Chance, große Gewerbegebiete zu schaffen.

Sie sind jetzt seit zehn Monaten als Bürgermeisterin im Amt. Sind Sie überrascht, wie viele Baustellen, wie viel Handlungsbedarf Sie seither in der Stadt vorgefunden haben?

Steinberg:

Nicht wirklich. Ich bin Pinnebergerin und kenne Vieles. Entsprechend hatte ich einen Eindruck davon, wo Pinneberg steht. Die letzten zehn Monate haben das Bild erweitert, aber nicht entscheidend verändert. Die Baugruben sind jedoch tiefer als ich vermutet habe.