Teurer Griff in die Justiz-Kasse des Pinneberger Amtsgerichts: Zwei Jahre auf Bewährung für ehemalige Mitarbeiterin

Pinneberg. Ganz selten sind die Zuschauerreihen in den Sälen des Pinneberger Amtsgerichtes so gut gefüllt wie am Mittwoch. Da reichten die knapp 30 Stühle nicht einmal aus, um die zahlreichen Interessierten zu fassen, die diesen Prozess unbedingt verfolgen wollten. Es mussten Stühle nachgeholt werden. Auf denen nahmen fast ausschließlich nur Mitarbeiter des eignen Justizhauses Platz. Grund für den merkwürdig anmutenden Betriebsausflug: Eine aus ihren eigenen Reihen saß auf der Anklagebank. Der ehemaligen Mitarbeiterin Meike S. wurde vorgeworfen, in die Justizkasse gegriffen zu haben. Sie zeigte sich reumütig und geständig und wurde am Ende wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Bis Mitte des Jahres ging die 45-Jährige noch ihrer Arbeit am Amtsgericht nach. Bis zu ihrem Rauswurf war die Rechtsfachfrau in verschiedenen Abteilungen wie für Familien- und Zivilsachen tätig. Sie galt als engagiert und fleißig unter den Kollegen. Doch das positive Bild veränderte sich im Juni 2013 schlagartig. Damals flog ihr langjährig erfolgreiches System auf, mit dem Meike S. rund 100.000 Euro an Zeugenentschädigungen, Sachverständigenhonoraren und Rechtsanwaltszahlungen auf ihr Konto verbuchte.

Am Mittwoch war die Verhandlung in ihrer alten Wirkungsstätte. Denn zuständig ist immer das örtliche Gericht, wo die jeweilige Straftat begangenen wurde. In diesem besonderen Fall ist der Tatort ausgerechnet das zuständige Gericht selbst. Deshalb saßen die Kollegen nicht nur in den Zuschauerreihen, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft und auf dem Richterstuhl. Angesichts dieser schwierigen Situation fühlte sich Richter Jens Woywod dazu verpflichtet, zu Beginn klarzustellen, dass er nicht befangen sei, da er mit Meike S. in der Vergangenheit nicht direkt zusammengearbeitet habe.

Meike S. war in der Kostenbearbeitung des Gerichts tätig. Wie sie selbst unter Tränen am Mittwoch gestand, fand sie dabei eine Lücke im System und nutzte sie. Meike S.: „Ich möchte mich dafür bei allen entschuldigen. Das Amtsgericht war mein Zuhause. Ich kann mir nicht erklären, warum ich das gemacht habe.“ Die Angeklagte gab an, dass sie sich überlastet fühlte und mit den Veränderungen am Arbeitsgericht nicht einverstanden war. Aus Frust über den Stress und die Arbeitsbelastung habe sie die Chance genutzt und sich gewundert, dass es funktionierte und keinem auffiel.

So wies sie von März 2010 bis Juni 2013 unbemerkt mit der SAP-Software Überweisungen zweifach an. Einmal ging das Geld an den Empfänger, das zweite Mal war die Überweisung zwar mit dem richtigen Namen, allerdings einer Kontonummer der Angeklagten, versehen. Dafür fälschte sie Unterschriften und vernichtete ihre Spuren, in dem sie in den dazugehörigen Akten die jeweiligen Originale und Kopien verschwinden ließ. Das war es auch, was sie am Ende überführte. Bei einer umfassenden Haushaltsprüfung machten die fehlenden Dokumente eine Mitarbeiterin stutzig. Sie forschte nach und entdeckte die zahlreichen Zahlungsanweisungen auf ein Konto, das zur Kollegin führte. Sie informierte die Vorgesetzten.

„Sie haben massiv das Vertrauen Ihrer Kollegen und Ihrer Vorgesetzten verletzt. Sie sind dabei planvoll und mit erheblicher krimineller Energie vorgegangenen. Ich verstehe nicht, wie sie so viel Energie aufbringen konnten, solch ein System zu entwickeln, wenn sie unter Arbeitsüberlastung litten“, sagte Oberstaatsanwalt Uwe Dreeßen. Er forderte für den gewerbemäßigen Betrug in 100 Fällen, in denen Meike S. Geld an sich überwies, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Der Staat könne es nicht hinnehmen, so ausgenommen zu werden, erklärte Dreeßen.

Verteidiger Ingo Lill aus Hamburg sah dagegen einen Teil der Schuld auch bei der betrogenen Verwaltung selbst, in der es kein Lob von Kollegen und Vorgesetzten gab. Außerdem handele es sich um einen einmaligen Fehltritt, den seine Mandantin umso mehr bedauere. Lill konnte sich mit seiner Forderung von einem Jahr auf Bewährung aber nicht durchsetzen.

Von den unterschlagenen 100.000 Euro hatte Meike S. bereits einen Großteil zurückgezahlt. Tatsächlich verwendete die Angeklagte das erschlichene Geld kaum. Sie leistete sich einen neuen Kleinwagen davon und schenkte ihrem Sohn 10.000 Euro. Aufgrund einer Scheidung im Jahr 2009 hatte sie noch 30.000 Euro auf der hohen Kante. Die Kripo fand insgesamt knapp 95.000 Euro auf den Konten der Angeklagten und beschlagnahmte das Geld. Den Rest muss Meike S. in Raten von bis zu 300 Euro pro Monat abstottern.