Die Bäcker im Kreis Pinneberg backen gute bis sehr gute Stollen. „Stollenpapst“ Eckhard Kubisch gibt Tipps

Pinneberg. Wenn Eckhard Kubisch über industriell gefertigte Stollen spricht, verdreht er die Augen und schüttelt heftig mit dem Kopf. „Ein Industriestollen kommt für mich gar nicht infrage“, sagt der Pinneberger, „dann esse ich lieber ein Brötchen mit Marmelade. Bei Aldi gibt es Stollen für 2,75 Euro – für diesen Preis bekommt der Bäcker nicht einmal die Rohstoffe für seinen Stollen.“

Eckhard Kubisch ist kein gewöhnliche Stollenesser. Er ist seit 35 Jahren hauptberuflicher Stollenprüfer der Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord. Die Bäcker-Innung Nord nennt ihn ehrfürchtig „Stollenpapst“, rund 300 Stollen testet er pro Jahr. Bei der Stollenprüfung testet dieser „Papst“ der süßen Zutaten 30 Stollen, die acht Bäcker aus dem Kreis Pinneberg in der Buchhandhandlung Bücherwurm in Pinneberg vorbeigebracht haben. „Als langjähriger Tester merke ich sofort, ob ich einen Industriestollen oder einen handwerklich gefertigten Stollen esse“, sagt der 70-Jährige.

Kubisch sitzt in der Buchhandlung an einem Tisch. Hinter ihm, in einem Ständer, liegen die Stollen, die noch getestet werden müssen. Vor ihm auf dem Tisch liegen die Produkte, die er schon mit Händen, Augen, Nase und Gaumen getestet und bewertet hat. Bäckergeselle Niklas Dwenger, 23, assistiert ihm. Das Publikum kann zuschauen, die Stollenprüfung ist öffentlich. Zu klären gilt: Welche Stollen gibt es? Welche schmecken am besten und können die strengen Kriterien, die sich an den Richtlinien der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) orientieren, erfüllen?

Eckhard Kubisch schneidet einen sogenannten Mozartstollen durch. „Das ist ein Dinkel-Nougat-Butterstollen“, erläutert Geselle Niklas Dwenger. „Dieser Stollen hat heute Premiere, das ist der neueste Trend.“ Der „Stollenpapst“ trennt das Innere des Stollens, die Krume, von der Kruste. Dann beißt er in die Krume. Er ist nicht übermäßig erfreut. „Ich würde keinen Dinkel nehmen“, sagt Kubisch, „der Stollen wird dadurch zu trocken. Außerdem ist er zu muskatlastig, auf Muskat würde ich verzichten. Die Füllung gefällt mir auch nicht so. Sie sollte schön rund in der Mitte liegen. Um den Stollen feuchter zu halten, müssten mehr Mandeln in den Teig.“

Nichtsdestotrotz: Unterm Strich bekommt der Mozartstollen noch die Gesamtnote „gut“. Diese Note geht später an das Institut für Qualitätssicherung von Backwaren (IQ Back), dort sind die Stollenprüfer zusammengeschlossen. Alle Ergebnisse können in Kürze unter www.brot-test.de nachgelesen werden. Bäcker, die drei Jahre hintereinander die Note „sehr gut“ erreichen, können ihren Kunden einen goldprämierten Stollen verkaufen.

Als nächstes ist der Stollen mit der Nummer 14 an der Testreihe: ein Mandelstollen. Eckhard Kubisch macht ein zufriedenes Gesicht: „Das sieht alles sehr gut aus“, sagt der Stollenprüfer. Einziger Kritikpunkt: „Die Mandeln sind teilweise zu stark abgeröstet.“ Dann beansprucht ein Punschstollen des Testers Aufmerksamkeit. „So weit, so gut“, resümiert der „Stollenpapst“. „Insgesamt hätte der Stollen etwas aromatischer sein können. Ich würde den Früchteanteil erhöhen.“ Der nächste Stollen findet seine volle Anerkennung: ein Pistazienstollen, der Verkaufsschlager aus dem Vorjahr. Er bekommt die volle Punktzahl – Note „sehr gut“.

Eckhard Kubisch testet die Stollen nach sechs Kriterien: Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, Geruch und natürlich Geschmack. Es gibt rund 100 Mängel, die zu Punktabzügen führen können. Dazu zählen „ungleichmäßige Form“, „unsauberer Boden“, „abgeblätterte Kruste“, „Krumenrisse“, „zähe Krume“, „überwürzt“ und „fettiger Geschmack“. Zwischendurch trinkt Kubisch ungesüßten schwarzen Tee zum Neutralisieren.

Eckhard Kubisch isst auch nach 35 Jahren als Tester noch immer gerne Stollen, er schätzt „die guten Zutaten und das Gehaltvolle“. Die Herstellung, sagt der „Stollenpapst“, erfordere eine hohe Kunst. „Stollensache ist Chefsache, da sollte der Meister immer danebenstehen“.

Der Vize-Obermeister der Bäcker-Innung Nord, Jörn Dwenger, ist zufrieden mit den Stollen: Fast 60 Prozent haben die Note „sehr gut“ bekommen, keiner war „befriedigend“. „Die norddeutschen Stollen sind besser als die Dresdner Stollen“, sagt Dwenger. „Wir können mit der Frische punkten.“