Für die Liebsten nur das Beste: Das Abendblatt stellt montags Kindergärten aus dem Kreis vor. Heute: der Kindergarten in Brande-Hörnerkirchen

Brande-Hörnerkirchen. In den Räumen der Kindertagesstätte Küsterkoppel spielen die Kinder mit Tüchern, bauen mit Stühlen und Decken eine Höhle. Die Puppen, die Legosteine oder Tischspiele bleiben im Schrank. Wer Spielzeug braucht, der bastelt es sich selbst. Aus Papier werden Flieger, aus Karton, mit Buntstiften bemalt, ein Memory-Spiel. Jeden Donnerstag ist in der Kita in Brande-Hörnerkirchen der „Spielzeug macht Ferien“-Tag. Seit zwei Jahren dürfen die Lütten an Donnerstagen nur mit Materialien spielen, die keine konventionellen Spielsachen sind – auch im Außenbereich auf dem großen Spielplatz.

„Das kommt bei unseren Kindern sehr gut an. Es gefällt ihnen sogar so gut, dass sie es oft bis zum nächsten Tag ausdehnen“, erzählt Leiterin Martina Hinz. Der Spielzeugentzug ist eine Maßnahme im Rahmen des Papilio-Programm, ein Präventionsprogramm, das bereits im Kindergarten gegen mögliche Gewalt- und Suchtprobleme in der Jugend vorbeugen soll.

Papilio, zu deutsch „Schmetterling“, wurde auf Basis aktueller pädagogischer Kenntnisse 2002 vom beta-Institut (Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement, Entwicklung und Forschung in Sozialmedizin) und Wissenschaftlern der Universität Bremen entwickelt. Seine Machbarkeit und Wirksamkeit wurde mit einer Studie bis 2005 in der Modellregion Augsburg wissenschaftlich belegt: Kinder, die das Programm durchlaufen haben, legten ein deutlich besseres Sozialverhalten an den Tag als Kinder ohne Papilio-Erfahrung.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass zentrale Risikofaktoren für Sucht und Gewalt Verhaltensstörungen sind, die sich im Alter von etwa acht Jahren manifestieren. Mit Papilio lernen Kinder frühzeitiges soziales und emotionales Verhalten, lernen sich in eine Gruppe einzubringen, Rücksicht auf andere zu nehmen und soziale Regeln.

Wenn die Sprösslinge Vater, Mutter, Kind oder Feuerwehr spielen, wird hier nicht mehr um das Spielzeug gestritten, sondern wer welche Rolle in der Gruppe übernimmt, erklärt die Leiterin. Sie lernen, sich kreativ mit sich selbst und anderen zu beschäftigen. „Für die Neuen ist es meistens schwer. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Das führt schon mal zu Ängsten und Frustrationen“, weiß die Kita-Chefin zu berichten.

Solche Emotionen wahrzunehmen und zu kanalisieren – auch das will man den Kindern mit dem Programm beibringen. Und dabei helfen die Handpuppe Paula und vier Kistenkobolde, die zu ständigen Begleitern der Kinder in Brande-Hörnerkirchen geworden sind. Heulibold fühlt sich von niemanden geliebt, Zornibold ist ständig wütend, Bibberbold ist der ängstliche, Freudibold der lustige und freundliche Kobold – jede Holzpuppe steht für ein Basisgefühl. Die Geschichten zeigen, dass es völlig normal ist, auch mal wütend zu sein oder Angst zu haben und helfen den Kindern, mit ihren eigenen Gefühlen und den Emotionen anderer umzugehen. Für jeden Kobold gibt es eine Pinnwand in den Gruppenräumen. „Wenn ein Kind traurig ist, klebt es sein Foto zum Heulibold. Das Kind wird sich seines Gefühls bewusst, alle anderen wissen Bescheid, wie sie mit ihm umgehen sollen, und es gibt viel weniger Streit oder Stress“, erklärt die Leiterin.