EU streicht Fördermittel zusammen. Vor allem kleinere Projekte haben das Nachsehen

Pinneberg/Kiel/Brüssel. Seit Jahren erfreuen sich Kreise, Städte und Gemeinden an den Fördermitteln, die die Europäische Union den Regionen zur Verfügung stellt, um für ein allmähliches wirtschaftliches Gleichgewicht in Europa zu sorgen. Strukturschwache Regionen werden über Fördertöpfe wie den europäischen Sozialfonds ESF oder den Fonds für regionale Entwicklung EFRE gezielt gefördert, damit dort nachhaltige soziale und wirtschaftliche Impulse gesetzt werden können.

In der vergangenen Förderperiode lag die Summe, die die EU dem Land Schleswig Holstein an Fördergeld zuteilte, bei 374 Millionen Euro. „Für 333 Millionen Euro wurden bereits Projekte bewilligt, die ein intelligentes und innovatives Wachstum in den Regionen fördern sollen“, sagt Rüdiger Balduhn, Leiter des Referates Regional- und Strukturpolitik im Kieler Wirtschaftsministerium. „Für 2015 erwarten wir einen erheblichen Rückgang dieser Mittel. Derzeit rechnen wir mit 250 Millionen Euro, die zur Verfügung gestellt werden könnten“, sagt Balduhn. Die Folgen dieses Rückgangs sind enorm für das Land Schleswig-Holstein und damit auch für den Kreis Pinneberg.

Kleinere kommunale Projekte haben nur noch wenig Chancen auf eine Förderung

„Angesichts der geringeren Finanzmittel, die uns künftig zur Verfügung stehen, werden wir die Förderung komplett neu strukturieren müssen“, kündigt Wirtschaftsminister Reinhard Meyer an. „Wir müssen, wenn wir Impulse setzen wollen, die Investitionen fokussieren, auf einzelne Projekte konzentrieren“, so der Minister.

Die bisherige weite Streuung des Brüsseler Geldes, die in der vergangenen Förderperiode Usus war und kleinere lokale Projekte ermöglichte, sie wird weitgehend verschwinden. „Dass es Projekte mit regionaler Initiative künftig so nicht mehr geben wird, ist bedauerlich, auch weil im Kreis Pinneberg viel mit den EU-Mitteln bewegt wurde“, urteilt daher Harald Schroers, Geschäftsführer der Projektgesellschaft Norderelbe.

90 Millionen Euro seien dank der EU-Förderung seit 2009 im Kreis Pinneberg investiert worden, viele Kommunen hätten eine deutliche Strukturverbesserung erfahren und Projekte anschieben können, die sonst nicht möglich gewesen wären, wie zuletzt etwa die Stadt Wedel, die ihren Stadthafen mit EU-Mitteln massiv umgestaltet. Ein ähnlicher Investitionsschub sei auf absehbare Zeit wohl nicht wieder in der Region zu erwarten.

Wirtschaftsminister Meyer will dennoch keinen Pessimismus verbreiten und lieber das künftig verfügbare Geld dort einsetzen, wo es den größtmöglichen Nutzen für das Land erzielen kann. „Wir haben im Land analysiert, wo die großen Defizite sind und haben vor allem den Bereich Forschung und Entwicklung ausgemacht, in dem wir Nachholbedarf haben“, sagt Meyer. Mehr als ein Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel soll in diesen Bereich investiert werden, weitere 25 Prozent in eine CO2-arme Wirtschaft.

Ursache dieser drastischen Veränderungen ist die globale Finanzkrise. „Der Ministerrat hat die EU-Fördermittel drastisch zusammengestrichen, Deutschland ist nicht als einziges Land davon betroffen“, sagt die SPD-Politikerin und Europaparlamentarierin Ulrike Rodust. „Das, was wir derzeit als Fördergrundlage vorliegen haben, ist ein Kompromiss, den das EU-Parlament mit dem Ministerrat verhandelt hat. Er ist nicht ideal, aber besser als nichts“, so Rodust. Der Ministerrat sei wegen der Finanzkrise übervorsichtig und zwinge alle zum rigorosen sparen. „Wir im EU-Parlament meinen dagegen, dass die EU gerade wegen der Krise nun deutlich investieren muss. Wir kommen in Brüssel aber derzeit nicht gegen den Ministerrat an. Wir brauchen dafür die Unterstützung aus den Regionen, damit es eine Lockerung gibt“, sagt Rodust

Die Europaabgeordnete Britta Reimers, FDP, sieht vor allem Probleme auf die Tourismusförderung zukommen. „Bislang wurden viele touristische Projekte mit von der EU über EFRE gefördert. Das wird künftig so nicht mehr möglich sein“, sagt die FDP-Parlamentarierin. Das sei auch gar nicht unbedingt nötig, so EU-Kommissionsmitglied Janos Schmied. „Genau genommen war die Förderung touristischer Ziele nie eine Aufgabe, für die ESF und EFRE ins Leben gerufen wurden. Dass solche Projekte künftig nicht mehr von Seiten der EU gefördert werden, bedeutet nicht, dass touristische und andere Projekte künftig nicht mehr möglich sind“, urteilt Schmied. Es gebe viele andere Förderprogramme, auf Landes- und Bundesebene, die für kommunale Projekte in Frage kämen. „Wir ermuntern dazu, sich auch andere Förderoptionen anzuschauen“, so das EU-Kommissionsmitglied.

Hochschulen sollen künftig neue Firmen hervorbringen

In Brüssel werde derzeit an einem Nachfolger für die auslaufenden Förderprogramme gearbeitet. Dieser solle unter dem Namen „Europäischer Struktur- und Investitionsfond“ firmieren. „Wir können die Welt nicht verändern, aber gewisse Probleme können wir angehen. Das geht aber nur, wenn wir unsere Finanzmittel konzentriert einsetzen. Wir werden künftig also klotzen, nicht kleckern. Wir wollen Leuchtturmprojekte sehen, die die Erfolge der EU deutlich zeigen“, sagt Schmied.

Ähnlich will nun auch das Wirtschaftsministerium in Kiel vorgehen. Auch hier sollen wenige Projekte massiv finanzielle Unterstützung erfahren. Vor allem Hochschulen und Forschungseinrichtungen könnten von der künftigen Förderperiode stark profitieren. „Wir wollen massiv in Wissenschaft und Forschung investieren, damit sich aus Hochschulprojekten neue Firmen gründen können“, sagt Meyer. Das könnte in dem strukturschwachen Land sinnvolle wirtschaftliche Impulse auslösen, die wiederum weitere Investitionsschübe auslösen könnten.