Ratspolitiker fordern Solidarprinzip bei den Kosten. Bürgermeisterin steht in der Kritik

Uetersen. Wenn es nach Uetersens Ratspolitikern ginge, würden alle Bürger in Uetersen die Straßensanierungen mit bezahlen. Bislang zahlen lediglich die Anlieger der betroffenen Straße für die Baumaßnahmen bis zu 85 Prozent der Kosten. Das ist geltendes kommunales Recht. Mit sogenannten wiederkehrenden Beiträgen, die inzwischen optional möglich sind, wollen die Parteien erreichen, dass das alte Finanzierungsmodell gekippt wird und alle Bürger sich am Ausbau aller Straßen mit beteiligen und so eine Solidargemeinschaft bilden. Die Stadt sträubt sich dagegen.

Anlass für das neue Modell waren im April die Straßenbaumaßnahmen an der Gerhardt-Hauptmann-Straße in Uetersen, die bei den Anwohnern für Ärger gesorgt hatte. 516.000 Euro sollte der Ausbau kosten, bis zu 15.000 Euro Kosten pro Haushalt kamen auf die Anlieger zu. CDU und BfB reagierten auf die Bürgerproteste und beantragten einen Wechsel zum Solidarmodell.

Beide Parteien sehen einen klaren Vorteil in dem neuen Modell: Die finanziellen Belastungen für den Bürger würden, aufs Jahr gerechnet, deutlich sinken, da die Straßenausbaukosten auf viele Schultern gleichzeitig verteilt werden. Eine einmalige starke Finanzbelastung der Anlieger in Höhe von teils mehr als 10.000 Euro würde dann der Vergangenheit angehören. Anwohner mit geringem Einkommen oder geringen Altersrenten würden zudem finanziell stark entlastet.

Es gibt aber auch Nachteile beim Solidarmodell. Anstatt eine einmalige Zahlung für den Straßenausbau zu leisten, würden die Bürger jedes Jahr zur Kasse gebeten werden, auch wenn sie die von Baumaßnahmen betroffenen Straßen überhaupt nicht nutzen. Das könnte insbesondere jene Bürger treffen, die an Kreis-, Landes- und Bundesstraßen wohnen. Sie mussten nach dem alten Modell lediglich für Bürgersteige und ähnliches zahlen, da die Straßen nicht der Stadt gehörten und von ihr nicht instand gehalten wurden. Bei dem Solidarmodell müssten auch sie Beiträge für alles leisten.

Auch Anwohner mit geringem Einkommen oder geringen Altersrenten, die an den Kreisstraßen wohnen, würden künftig mehr als bisher belastet. Es könnte zusätzlich zu einer komplizierten und rechtlich fragwürdigen Umverlagerung der Kosten zwischen Kreis, Land, Bund und Kommune kommen.

Auch Anwohner in Neubaugebieten könnten das Nachsehen haben: Sie haben mit Ihren Erschließungsbeiträgen die Straßen vor ihrer Haustür alleine bezahlt und bislang die anderen Gemeindestraßen praktisch nicht genutzt. Diesen Bürgern würde, soweit keine Verschonungsregel festgesetzt würde, eine Doppelbelastung für bis zu 20 Jahre auferlegt. Für die Stadt würde das Modell zudem bedeuten, dass jährlich eine neue Kostenaufstellung erfolgen müsste. Die Bürger müssten ihrerseits Rücklagen bilden, und dies in schwankender Höhe – je nach Umfang der Baumaßnahmen. Verwaltungsexperten halten dies für kaum händelbar.

Dennoch gehen mehrere Kommunen bereits den Weg des Solidarprinzips, wie etwa Winden, Landau oder Pirmasens. In fast allen Fällen gab es im Vorfeld komplexe Verhandlungen und Gesetzesanpassungen. Diese sind aber vielleicht nicht gesetzeskonform. Im Falle von Winden kippte das Koblenzer Verwaltungsgericht die Satzung, sie sei verfassungswidrig. Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall, ein Urteil steht noch aus.

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer steht dem Modell negativ gegenüber und befürchtet Intransparenz bei Kostenabrechnungen. Die Stadtverwaltung warnt ebenfalls vor dem neuen Modell. Es sei mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden und rechtlich bedenklich. Letzteres ist auch den Parteien bewusst. Sie fordern, dass sich Bürgermeisterin Andrea Hansen endlich beim Land, Gemeinde- und Städtebund einsetzt, damit der strittige Paragraf des Kommunalabgabengesetzes so geändert wird, dass sich die Stadt nicht auf rechtliches Glatteis begebe.

Bislang ist nichts geschehen. Das ärgert die Politiker. „Die rechtliche Unterstützung seitens der Bürgermeisterin bei der Erarbeitung einer Satzung ist weitgehend unterblieben“, so CDU-Fraktionschef Andreas Stief. Auch Erhard Vogt, SPD, sieht Nachholbedarf. „Die Verwaltung präsentiert uns beständig Nicht-Antworten auf unsere Fragen“, kritisiert Vogt. Der Hauptausschuss will nun am 5. November die Bürgermeisterin in die Pflicht nehmen.