Festwoche mit vielen Höhepunkten zum zehnten Geburtstag der jüdischen Gemeinde

Elmshorn. Mit stiller Freude geht Alisa Fuhlbrügge durch die Räume, öffnet eine weiße Schiebetür, die einige Gemeindemitglieder gerade von Pappe und Mörtel befreit und aus der Wand gezogen haben. Seit Jahrzehnten war die Türöffnung versperrt.

Nun ist der Blick wieder frei durch alle drei Repräsentationsräume in der Beletage des 1890 erbauten Hauses am Elmshorner Flamweg 4, seit einem Jahr Sitz der jüdischen Gemeinde Elmshorn. Die Renovierung der Räume ist rechtzeitig zur Festwoche zum zehnten Geburtstag der Gemeinde fertig geworden. Vor genau einem Jahr konnten die Mitglieder mit Schleswig-Holsteins Landesrabbiner Walter Rothschild das neue Gemeindezentrum mit Betsaal einweihen.

Am Sonntag, 3. November, startet die Festwoche von 16 Uhr an mit der Vernissage zur Ausstellung mit Arbeiten von Gesche Cordes. Die Hamburger Fotografin begleitet die wieder gegründeten jüdisch-liberalen Gemeinden in Schleswig-Holstein seit mehr als zehn Jahren. „Wir legen Wert auf den Begriff Wiedergründung, denn bis 1941 gab es eine jüdische Gemeinde in Elmshorn“, sagt Alisa Fuhlbrügge. Die Gemeinde hat eine lange Tradition, davon erzählen auch die Grabsteine auf dem nahegelegenen alten jüdischen Friedhof.

Am 28. Oktober 2012 wurden die neuen Gemeinderäume von Schleswig-Holsteins Landesrabbiner Walter Rothschild geweiht. Am 8. November 2003 haben Jüdinnen und Juden, die nach der Shoah nach Elmshorn zurückkehrten, mit Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion und Israel die Gemeinde wieder gegründet. Die Mitglieder trafen sich erst in der Volkshochschule, dann in der katholischen Kirche und konnten etwas später eigene Räume anmieten.

Doch rasch wurde die Wohnung als Gemeindezentrum zu klein, auch die Außenwirkung war nicht gegeben. „Wir wollen Teil der nichtjüdischen Gesellschaft Elmshorns sein“, sagt Alisa Fuhlbrügge und lädt daher auch nichtjüdische Bürger ein, das zehnjährige Bestehen der Gemeinde zu feiern.

Ein Holzfries mit geschnitzten David-Sternen über der Erkerverkleidung

„Diese Räume fand ich über eine Zeitungsanzeige“, sagt Fuhlbrügge. Groß war die Freude, als sie ein Holzfries mit geschnitzten David-Sternen über der Verkleidung eines Erkers entdeckte. Der Erker ist bis unter die Stuckdecke mit Paneelen aus dunklem Holz und mit einer Glaswand verkleidet, in der im Jugendstil bleiverglaste Weintrauben eingearbeitet sind, eine der sieben heiligen Arten im Judentum.

Zudem weist er nach Osten, nach Jerusalem, die einzige heilige Stadt der Juden, in deren Richtung auch gebetet wird. „Das ist der ideale Platz für den Thoraschrank mit der Thorarolle, die uns eine Wiener Gemeinde gestiftet hat“, sagt Fuhlbrügge. Neben dem Thoraschrank steht die Bima, der Gebettisch. An den Wänden hängen von einer Elmshorner Behindertenwerkstatt eindrucksvoll gemalte Bilder mit Chanukkaleuchtern.

Im letzten Raum mit seinem langen Tisch, dem Kidduschraum, feiert die Gemeinde den Schabbat und Feste wie Chanukka, das jüdische Lichterfest, Pessach zum Auszug der Israeliten aus Ägypten und Rosh Ha'Shana (hebräisch: Kopf des Jahres), das jüdische Neujahrsfest. „Dass wir hier im Flamweg wieder unsere Synagoge einrichten konnten, war ein Glücksfall, denn der Flamweg war das Elmshorner Grindelviertel“, sagt Fuhlbrügge in Anspielung auf das Hamburger Grindelviertel, das ebenfalls bis zum Holocaust ein pulsierendes jüdisches Viertel war. Schräg gegenüber der neuen stand die alte Synagoge, die während der Reichs-Pogromnacht am 9. November 1938 niedergebrannt wurde. Daran erinnert ein Mahnmal.

„Ich entdeckte im Stadtarchiv, dass das Haus bis 1941 fast durchgehend jüdische Besitzer und Mieter hatte, darunter den Lederfabrikanten J. Mendel“, sagt Fuhlbrügge, die seit 20 Jahren in Elmshorn lebt und als Schul-Rektorin gearbeitet hat.Sie war es auch, die viele Sponsoren in der Stadt für ein neues jüdisches Zentrum begeistern konnte. Mittlerweile wird die Gemeinde monatlich finanziell von der Stadt unterstützt.Die Jüdische Gemeinde in Elmshorn war immer arm“, erzählt die Vorsitzende, die auch Religions- und Geschichtsunterricht gibt.

1685 erhielt Behrend Levi einen Schutzbrief von Detlev Graf zu Rantzau. 1688 soll sich die erste jüdische Gemeinde in Elmshorn gegründet haben.1863, als die Emanzipation der Juden Holstein erreichte und sie in Städten ihrer Wahl leben und arbeiten durften, zog es auch die Elmshorner Juden in größere Städte wie Altona, Hamburg, Lübeck und Kiel.

Damit sank die Zahl der Juden in kleineren Orten. 1838 lebten noch 204 Juden in Elmshorn. 1924 waren es nur noch 100 Personen, 1932 noch 80, und 1933 waren es 56 Mitglieder.

Fast alle jüdischen Männer Elmshorns kamen ins KZ Sachsenhausen

Das Hitler-Regime deportierte in der Reichspogromnacht fast alle jüdischen Männer ins Konzentrationslager Sachsenhausen. 1940 lebten noch acht Juden in der Stadt. Am 22. November 1943 vermeldete die Stadt Elmshorn, sie sei nun „judenfrei“. Genau 70 Jahre später aber kann eine jüdische Gemeinde in Elmshorn wieder einen runden Geburtstag feiern.