Der Elmshorner Ernst Dieter Rossmann über die Koalitionsverhandlungen, einen Dauerrivalen und Ministerambitionen

Pinneberg. Die Bahn macht mobil. Weil sein Zug aus Berlin erst mit einer Stunde Verspätung in Hamburg eintraf und er den geplanten Anschluss verpasste, eilt der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann an diesem Abend im Laufschritt vom Pinneberger Bahnhof zur Abendblatt-Redaktion in die Lindenstraße. Dort angekommen, holt er kurz Luft, trinkt einen Schluck Wasser und schon kann das Gespräch beginnen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Rossmann, die Bundestagswahl liegt jetzt gut einen Monat zurück. Wie schwer wiegt noch die Enttäuschung, dass das Direktmandat im Kreis Pinneberg wieder an Ole Schröder von der CDU ging?

Ernst Dieter Rossmann:

Das Ergebnis im Kreis Pinneberg war einmal mehr ein Trend-Ergebnis, von daher war ich nicht wirklich enttäuscht. Außerdem bin ich Psychologe genug, um zu wissen, dass man sich zur besseren Verarbeitung solcher Ereignisse eigene Pluspunkte suchen muss. Hier baut mich der eigene häusliche Beritt, also das sehr gute Elmshorner Ergebnis für die SPD und mich persönlich, schnell wieder auf. Auch unser Ergebnis in Schleswig-Holstein ist ermutigend. Wir sind jetzt neun statt sechs Abgeordnete. Das ist sehr schön. Im Bund sind wir mit einem Zugewinn von 2,7 Prozent immerhin eine Treppenstufe nach oben gekommen. Das hätte besser sein können. Die SPD kann jetzt aber über einen gut ausverhandelten Koalitionsvertrag wirklich etwas in unserem Sinne bewegen. Das ist eine große Chance und nichts, worüber ich jammere.

Nichtsdestotrotz steht es im Dauerduell mit Schröder jetzt 2:3. 1998 und 2002 sind sie direkt in den Bundestag eingezogen, die letzten drei Male ihr Konkurrent. Wurmt Sie das wirklich gar nicht?

Rossmann:

Der frühere Kieler Bundestagsabgeordnete Norbert Gansel hat mal gesagt: „Wahlkreisabgeordnete sind die Verzierung am Besenstiel.“ Wir glauben natürlich immer, wenn wir morgens in aller Herrgottsfrühe aufstehen, dass es wirklich an uns liegt, wenn man ein gutes Ergebnis erzielt. Das muss man auch, schon um andere zu motivieren und mitzureißen. Aber letztlich ist es fast immer eine Frage des Trends, den wir beeinflussen, aber nicht umbiegen können. Und für mich sind die eigentlichen Helden des Wahlkampfes solche Menschen wie meine Wedeler oder Elmshorner Genossen, die morgens um sechs am Bahnhof stehen, SPD-Zeitungen verteilen und das aus reinem Idealismus tun.

Vorausgesetzt es kommt jetzt zu einer Großen Koalition mit der CDU, werden Sie auch mit Schröder an einem Strang ziehen müssen. Wie verstehen Sie sich eigentlich mit ihm?

Rossmann:

Das ist ein kollegial-professionelles Verhältnis, und ich denke, dass man das auch im Wahlkampf gemerkt hat. Da hat sich jeder für seine Sache eingesetzt, hat aber dem anderen nichts angetan. Wir haben uns ja auch in der Vergangenheit schon gemeinsam für Belange im Kreis Pinneberg stark gemacht, zum Beispiel bei der Jugendherberge Helgoland. Umgekehrt gehört auch die Abgrenzung dazu und selbst wenn es am Ende eine gemeinsame Regierung geben sollte, ist eine Koalition absolut keine Verbrüderung. Wir werden auch weiterhin sehr unterschiedliche Politikkonzepte verfolgen und sicherlich ganz eigene Akzente setzen. Dafür bin und bleibe ich ein in der Wolle gefärbter, überzeugter Sozialdemokrat.

Wo haben Sie beide denn inhaltliche Berührungspunkte?

Rossmann:

Auf Schleswig-Holstein gesehen haben wir ganz viele Berührungspunkte. Wir brauchen da eine parteiübergreifende Nord-Allianz in Bezug auf den Verkehrs- und Infrastrukturausbau und die Bildungs- und Forschungsinvestitionen. Was den Kreis Pinneberg angeht, gibt es das großartige Projekt des XFEL-Röntgenlasers in Schenefeld, aus dem wir jetzt etwas für die ganze Region machen müssen, damit in ein paar Jahren die Markenzeichen „Baumschulkreis“ und „Wissenschaftskreis“ gleichberechtigt für den Kreis Pinneberg stehen werden. Wir haben auch das Kleinod Helgoland als gemeinsame Aufgabe. Ich hoffe auch, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen werden, dass es einen echten Mindestlohn, bessere Renten, mehr Mittel für die Bildung und auch für die Kommunen geben wird. Themen gibt es wahrlich genug.

Was können Sie als Bundestagsabgeordnete von Berlin aus agierend denn ganz konkret für die Bürger im Kreis Pinneberg bewegen?

Rossmann:

Da sind zum einen Einzelprojekte vom Ausbau der Verkehrswege, Stichwort Schiene, Lärmschutz, A 20, über ein neues THW-Gebäude in Elmshorn bis hin zu einem Wissenschaftszentrum bei der BIO Helgoland, bei denen man die richtigen Wege gehen und die Entscheider für solche Projekte gewinnen muss. Zum anderen geht es um die richtige Gesetzgebung, die natürlich überall in Deutschland wirkt, aber je nach Thematik vielleicht ganz besonders in Schleswig-Holstein und im Kreis Pinneberg. Da wäre eine wirksame Mietpreisbremse eine gute Reform, weil wir im Hamburger Randbereich eben ganz besonders von den Mietsteigerungen betroffen sind. Und größere Haushaltsetats, zum Beispiel für die Verkehrsinfrastruktur und die Bildung tun für unseren Kreis auch bitter not.

Sie sind bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Was würde eine Große Koalition für Ihr Spezialgebiet bedeuten?

Rossmann:

Das verhandeln wir jetzt. Da bin ich als Sprecher für die SPD-Bundestagsfraktion ja mitten drin. Ich werde zum Beispiel dafür werben, dass wir mit dem Ziel von mehr Chancengleichheit zu einer besseren Finanzierung von zwei Feldern kommen, nämlich der schulischen Modernisierung entlang der Stichworte Ganztagsschule, Inklusion und E-Learning sowie dem nachhaltigen Ausbau der Hochschulen, der Ausbildungsförderung und der Weiterbildung.

Ist Johanna Wanka die richtige Frau an der Spitze des Bundesministeriums für Bildung und Forschung?

Rossmann:

Vor der Wahl waren wir aus guten Gründen für ihre Ablösung. Weshalb sollte sie nach der Wahl mit einem Mal besser sein als jemand von uns?

Müsste in einer Großen Koalition also die SPD den Bildungsminister stellen?

Rossmann:

Wir sind nicht an dem Punkt, an dem wir um Ministerposten streiten. Jetzt stehen erst mal inhaltliche Verhandlungen an. Und da müssen wir möglichst gute Ergebnisse erzielen.

Würden Sie am liebsten selbst Minister werden, haben Sie Ambitionen?

Rossmann:

Minister zu sein, ist von der Gestaltungsmacht her immer reizvoll. Aber es bedeutet den Verzicht auf Normalität im Leben, die ich für wichtig ansehe. Ich weiß, was solche Leute zu leisten haben und dass es dann kein halbwegs normales Leben mehr für sie gibt. Da kenne ich mein Maß und das bedeutet, dass ich mir den Bundesminister Rossmann nicht vorstellen kann. Ganz ehrlich und nüchtern. Ich habe als Sprecher für Bildung und Forschung eine schöne Aufgabe. Und jetzt wird ordentlich für die gute Sache gestritten. Das ist meine Mission.