16-Jährige fordert Schranken für den Bahnübergang, an dem ihr Vater von einem Zug der AKN totgefahren wurde. Die Chancen stehen gut.

Barmstedt. Einen Tag, nach dem ihr Vater bei einem Unfall am Bahnübergang ums Leben kam, hat Anika Naujoks aus Barmstedt eine bewegende E-Mail geschrieben. Empfänger: die AKN. Jenes Unternehmen, dessen Zug Thorsten Naujoks am 3. Oktober das Leben kostete.

„An den Bahnübergang Bornkamp in Barmstedt gehören Schranken. Denn wissen Sie was? Wären welche da gewesen, hätte die AKN nach Elmshorn meinen Vater nicht überfahren und er wäre noch am Leben, er wäre noch bei uns“, schreibt Anika.

Die Sicherung des Übergangs ist für sie zu einer Mission geworden: Anika Naujoks hat in der 9000 Einwohner-Stadt bereits Hunderte Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt, eine Facebook-Gruppe mit 2000 Unterstützern gegründet und sich vier Tage nach dem tragischen Unfall mit Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke getroffen.

Der Bahnübergang liegt nur 20 Meter vom Haus der Familie entfernt. Thorsten Naujoks, der als Licht- und Tontechniker arbeitete und als DJ Naui auf vielen Veranstaltungen in Barmstedt und Umgebung für Musik sorgte, hatte am Tag der Deutschen Einheit an seinem alten Zündapp-Mofa herumgebastelt. „Er wollte wohl eine Probefahrt machen, ich habe noch den Motor gehört“, erinnert sich seine Tochter.

Wenige Minuten später teilte ein Nachbar der Familie mit, dass der 42-Jährige am Bahnübergang verunglückt war. Anikas Mutter lief hin, wurde aber von den gerade eingetroffenen Rettungskräften wieder nach Hause geschickt.

„Wir haben eine halbe Stunde gewartet“, sagt Anika. Dann erfuhren die Ehefrau, die Tochter und die beiden 13-jährigen Zwillingssöhne, dass die Wiederbelebungsversuche erfolglos geblieben waren. Eine Woche später wurde der langjährige Fußballer des SSV Rantzau in seiner Heimatstadt beigesetzt – 600 Menschen kamen.

Fast auf den Tag genau 26 Jahre vor dem tragischen Unfall, am 4. Oktober 1987, waren an dem Bahnübergang bereits zwei Teenager mit ihrem Mofa tödlich verunglückt. Damals warnte lediglich ein Andreaskreuz vor den Zügen. 2008, als sich erneut ein – diesmal nicht tödlicher – Unfall ereignete, kam eine beidseitige Blinklichtanlage hinzu. Sie funktionierte an diesem 3. Oktober einwandfrei. Dennoch sah Thorsten Naujoks das Blinklicht nicht. Er wurde, so hat es ein Gutachten ergeben, von der tief stehenden Sonne geblendet.

„Der Bahnübergang ist gerade bei solchen Lichtverhältnissen unheimlich gefährlich“, sagt Anika Naujoks. Sie besucht häufig die Stelle, an der ihr Vater starb. Blumen und Kerzen erinnern dort an den dreifachen Familienvater. „Am Anfang habe ich da viel weinen müssen.“ Inzwischen sind die Tränen weniger geworden. Die Familie hat beschlossen, in dem Haus nahe dem Bahnübergang wohnen zu bleiben. „In dem Haus steckt so viel von meinem Vater, das wäre in seinem Sinne gewesen.“

In seinem Sinne sei es auch gewesen, den Übergang sicherer zu machen. „Wenn jemand anderes gestorben wäre, dann hätte mein Vater die Schranken selber gebaut“, sagt Anika Naujoks. Seit der Jahrtausendwende sei ein größeres Wohngebiet an den Schienen entstanden, in dem viele Kinder leben.

Auch die Familie Naujoks zog im Jahr 2000 dorthin. In der Nähe sind ein Sportplatz, eine Tennisanlage und ein im Winter beliebter Rodelberg. „Der Bahnübergang wird viel genutzt. Mein Vater soll nicht umsonst gestorben sein, ich möchte dazu beitragen, dass nicht noch eine Familie leidet. So lange werde ich kämpfen“, sagt die 16-Jährige.

Mithilfe von Freunden und Verwandten hat Anika Naujoks inzwischen nahezu die ganze Stadt mobilisiert. In fast allen Geschäften liegen Unterschriftenlisten mit der Forderung nach einer Beschrankung aus. „Die Resonanz ist unheimlich groß“, berichtet das Mädchen.

Ständig erhalte sie Anrufe, dass die Listen voll seien und sie bitte neue Zettel vorbeibringen soll. Ihre Großeltern standen vor wenigen Tagen auf dem Wochenmarkt, um weitere Unterstützer zu gewinnen. Im sozialen Internetnetzwerk Facebook hat die Barmstedterin die Gruppe „Schranken an den Bahnübergang Bornkamp Barmstedt“ gegründet, das Anliegen unterstützen knapp 2000 Menschen.

Am Dienstag will Anika Naujoks die Unterschriften an die Stadt übergeben, um notfalls ein Bürgerbegehren einzuleiten. Das ist wahrscheinlich aber nicht notwendig.

Am Dienstagabend tagt die Barmstedter Stadtvertretung, die kurzfristig ihre Tagesordnung um einen Punkt erweitert hat. Die AKN soll aufgefordert werden, das Planfeststellungsverfahren zur Beschrankung des Bahnübergangs Bornkamp und einer weiteren, nur wenige Hundert Meter entfernten Gleisquerung einzuleiten. Eine halbe Million Euro würden diese Maßnahmen kosten, das Geld müssten sich je zu einem Drittel die Stadt, die AKN und das Land teilen.

Die Erfolgsaussichten sind gut – dank Anika Naujoks. Nach einem Treffen mit dem Mädchen nahm Barmstedts neue Bürgermeisterin Heike Döpke, die erst seit acht Wochen im Amt ist, den Bahnübergang unter die Lupe. Und sie kam zu dem Schluss, dass dringend etwas passieren muss.

Auch die AKN hat auf die E-Mail der 16-Jährigen inzwischen geantwortet. „Ihre E-Mail hat uns sehr berührt und es fällt uns schwer, die richtigen Worte zu finden“, schreibt Unternehmensvorstand Wolfgang Seyb. Und er schreibt weiter: „Ihre Forderung nach einer Beschrankung können wir nachvollziehen. Wir möchten Ihnen deshalb mitteilen, dass wir bereits mit der Stadt Barmstedt und den weiteren zuständigen Behörden Kontakt aufgenommen haben, um uns darüber zu verständigen, wie ein Umbau mit Halbschranken umgesetzt werden kann.“