Mitarbeiterin am Amtsgericht Pinneberg soll 100.000 Euro unterschlagen haben. Alle Justizbehörden wurden überprüft

Pinneberg. Es wird kein alltägliches Verfahren, mit dem sich das Pinneberger Schöffengericht am 13. November befassen muss. Denn die Angeklagte ist den Richtern bestens bekannt. Es handelt sich um eine langjährige Mitarbeiterin des Amtsgerichts Pinneberg, die sich wegen Betruges verantworten muss. Ihre Masche war derart trickreich, dass das Kieler Ministerium alle Justizbehörden im nördlichsten Bundesland auf ähnliche Vorfälle durchleuchten ließ – und fündig wurde.

100.000 Euro soll die Pinnebergin beiseite geschafft haben. Die Staatsanwaltschaft wirft der 45-Jährigen gewerbsmäßigen Betrug in gleich 100 Fällen vor. Laut den Ermittlungen konnte die Frau drei Jahre lang unbemerkt Gelder für Zeugenentschädigungen und Sachverständigenhonorare doppelt überweisen. Einmal an die Anspruchsberechtigten – und einmal auf ihr eigenes Konto. Auf diese Weise entstand dem Gericht der hohe Schaden.

Möglich war das, weil die 45-Jährige in der Kostenbearbeitung des Gerichts tätig war. Sie arbeitete mit der Software SAP. Im Sommer 2010 entdeckte sie offenbar eine Möglichkeit, wie sie das Kontrollsystem überlisten konnte. Fortan nahm sie laut Anklage die Überweisungsvorgänge zweifach vor: Einer war mit dem richtigen Empfänger und seiner Kontonummer versehen, der zweite trug zwar den richtigen Empfängernamen, aber die Kontonummer der Mitarbeiterin. In der Kontrollinstanz fielen weder die doppelten Buchungen noch die Differenzen bei der Kontonummer auf. Teilweise soll die Frau in die Rechnungen der Sachverständigen ihre eigene Kontonummer einkopiert haben, so dass die Prüfinstanz chancenlos war. „Der Mitarbeiter, der das prüfte, wurde getäuscht. Deshalb haben wir die Fälle als Betrugstaten angeklagt“, sagt Peter Müller-Rakow, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe.

Aufgrund der Vielzahl der Fälle und des langen Tatzeitraums geht die Anklagebehörde von gewerbsmäßigem Betrug aus. Müller-Rakow: „Nach unserer Ansicht hat sich die Angeklagte eine fortlaufende Einnahmequelle von gewissen Ausmaßen verschafft.“ Daher lautet die Anklage auf Betrug in einem besonders schweren Fall. Für jede Tat gilt ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren.

Angeklagte ist nicht vorbestraft, es ist mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen

Weil die Angeklagte nicht vorbestraft ist, ist im Fall eines Geständnisses mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen. Die 45-Jährige, die als Angestellte in dem Amtsgericht arbeitete, hat ihren Job sofort nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe verloren. Aufgeflogen war die Betrugsserie im Sommer diesen Jahres nur durch einen Zufall. Eine Mitarbeiterin, die nur für kurze Zeit in der Prüfabteilung eingesetzt war, stieß auf eine Kontonummer, auf die überdurchschnittlich oft Gelder flossen. Als sie diese Nummer überprüfte, fiel ihr auf, dass es um das Konto der Amtsgerichts-Mitarbeiterin handelte.

Scheinbar war die Pinnebergin nicht die Einzige, die auf den Systemfehler aufmerksam geworden war. In Lübeck konnte ein Justizmitarbeiter des dortigen Amtsgerichtes seit 2007 unbehelligt Buchungen auf sein eigenes Konto tätigen. Insgesamt 180.000 Euro soll er laut den Ermittlungen der Lübecker Kriminalpolizei für Wirtschaftskriminalität so ergaunert haben. Ihm wird wegen Computerbetruges in sehr schweren Fällen der Prozess gemacht, wie Oberstaatsanwalt Günter Möller von der Staatsanwaltschaft Lübeck auf Abendblatt-Nachfrage bestätigte. Da er sich kooperativ und reumütig zeigt, wird auch sein Fall vor dem Schöffengericht landen. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren.

Dem 43 Jahre alten Justizmitarbeiter, der in der IT arbeitete, kam man nach einer stichprobenartigen Überprüfung ausgerechnet im Juli dieses Jahres auf die Schliche – also genau im selben Zeitraum, als die Pinnebergerin ertappt wurde. Ob der Landesrechnungshof die Überprüfung aufgrund der aufgeflogenen Pinnebergerin veranlasste, mag Möller nicht bestätigen.

Aus dem Kieler Justizministerium heißt es dazu. „Beide Fälle sind dem Justizministerium bekannt. Die Fälle hat das Justizministerium zum Anlass für Überprüfungen in allen Justizbehörden genommen,“ so Oliver Breuer, Pressesprecher im Ministerium für Justiz, Kultur und Europa.