Es wird laut und dreckig beim landesweit einzigen Rasenmäherrennen in der Nähe von Tangstedt. Das Risiko fährt mit

Das letzte Abendlicht lässt die Stoppeln auf dem abgeernteten Feld golden leuchten. Irgendwo muht eine einsame Kuh, und ein bisschen riecht es nach Gülle. Es ist ländlich-malerisch, hier auf dem Acker an der Chaussee zwischen Tangstedt und Hasloh. Mit der ganzen Idylle aber ist es bald vorbei. Denn an diesem Wochenende wird just dieser Maisacker zum Motodrom. In Tangstedt wird dann zum vierten Mal ein Motorsportevent der ganz besonderen Art ausgetragen. Es wird laut und es wird dreckig beim einzigen schleswig-holsteinischen Rasenmäherrennen.

Von 13 Uhr an werden am Sonnabend, 19. Oktober, die tollkühnen Kerle (und Amazonen) auf ihren knatternden Kisten übers Feld brettern. Zugegeben, Formel 1 geht anders, aber der Wettstreit der Aufsitzmäher-Cowboys verheißt Rennsportgaudi pur. Und die Hochachtung vor den tollkühnen Piloten steigt, wenn man zum ersten Mal sieht, wie so ein aufgemotzter Rasenmäher mit 70, 80 Sachen über den furchigen Parcours brettert. Im Fachjargon heißen die Fahrer „Trecker-Kloppis“, weil sie mit dem Trecker über den Acker „kloppen“.

Christoph Siegmund, 29, macht das schon seit 13 Jahren. Er rollt seinen postgelben Renn-Mäher, kurz Trecker genannt, von einem gewaltigen Pickup Marke Chevrolet. Auf dem Boliden prangt der Schriftzug „Maschin Kaputt“. Den gleichnamigen Verein haben Siegmund, der mittlerweile in Brande-Hörnerkirchen lebt, und einige Mitstreiter in diesem Jahr in Tangstedt gegründet. Als das Gefährt sprotzend zum Leben erwacht, ist es mit der Abendruhe wahrlich vorbei. Das sonore Wummern, das die 45-PS-Maschine von sich gibt, erinnert an den Sound einer schweren Harley. „So bei etwa 50 PS ist Schluss, mehr ist nicht rauszuholen“, sagt Siegmund über sein Fahrzeug, in das er geschätzt 5000 bis 6000 Euro gesteckt hat. Was würde der gelbe Giftzwerg rennen, ließe man ihn auf freier Strecke auf Asphalt laufen? 100 Kilometer pro Stunde? „Locker“, antwortet Siegmund verschmitzt.

„Einen Renntrecker aus dem Regal gibt es noch nicht“, sagt der 29-Jährige, der als 16-Jähriger als Zuschauer bei einem Mäherrennen auf der Elbinsel Krautsand die Faszination dieser einzigartigen Motorsportvariante für sich entdeckte. Ein Jahr später fuhr Siegmund an gleicher Stelle schon selbst. Jeder der annähernd 30 Starter, die am Wochenende in Tangstedt antreten werden, bringt einen Mäher Marke Eigenbau an den Start. Mehr als 200 Arbeitsstunden, so schätzt Siegmund, stecken im Maschin-Kaputt-Trecker. Fahren wird er in der sogenannten Offenen Klasse, in der besonders viele Modifikationen an den Aufsitzmähern erlaubt sind. Zur Probe fährt der rennerfahrene Freizeit-Schrauber mit seinem Stoppelhopser ein paar Mal hin und her. Die Renn-Trecker haben keine Schaltung. Gas geben – und das Mobil geht ab wie Schmitz’ Katze. In den nächsten Tagen werden Siegmund und seine Mitstreiter den etwa einen Kilometer langen Rundkurs mit großen Traktoren einebnen und präparieren.

„Es darf nur nicht mehr zu viel regnen. Sonst wird die Piste glatt wie Schmierseife“, erklärt Marcel Schulz. Er ist erst 16 Jahre alt und wird am Wochenende den zweiten Trecker des gastgebenden Clubs steuern. Bis zu zwölf Rennen in vier Wertungsklassen (Offene Klasse, Standardklasse, 13-PS-Klasse, Damen) sollen am Sonnabend jeweils ausgetragen werden. Und schon bald nach Beginn des Spektakels werden sich vor allem in den engen Kurven tiefe Löcher und Furchen bilden. Wer da durchrumpelt, muss beinhart sein, bisweilen tut es schon beim Zugucken richtig weh. „Klar, du kriegst jeden Schlag voll mit“, sagt Christoph Siegmund. Die Trecker haben eine starre Achse, Stoßdämpfer gibt es nicht, einzig die Feder unter der Sitzschale kompensiert ein bisschen die ärgsten Stöße.

„Ich habe schon mal mit dem Trecker einen Salto geschlagen“, erzählt Siegmund beinahe lapidar, „danach konnte ich zwei Wochen lang nicht laufen.“ Wer Rasenmäherrennen fährt, der muss hart im Nehmen sein, keine Frage. Zum Glück blieb es bei den Rennen in Tangstedt bislang immer bei Prellungen und kleineren Knochenbrüchen, wenn ein Fahrer unfreiwillig aus dem Sattel musste. Die Teilnehmer rüsten sich gegen Verletzungen mit Motorradhelmen- und Protektoren für Brust und Rücken. Hohe Stiefel sind ebenso Pflicht. Zehn bis zwölf Rennen fährt der Brande-Hörnerkirchener zwischen Frühling und Herbst. Das Mekka der Rasenmäherrenner ist Thönse bei Hannover, wo schon einmal bis zu 30.000 Zuschauer an der Strecke stehen. Im normalen Leben arbeitet der 29-Jährige Christoph Siegmund als Greenkeeper und Maschinenmechaniker im Pinneberger Golfpark Weidenhof.

Je einen Euro Eintritt muss zahlen, wer am Wochenende beim Rennen in Tangstedt zugucken möchte. „Wir machen das alles zum Spaß, nicht um Geld damit zu verdienen“, sagt der Cheforganisator, der auf 1000 Zuschauer an zwei Tagen hofft. Es gibt mehrere Imbiss- und Verkaufsstände. Und die Mütter der heimischen Rennfahrer bieten selbst gebackenen Kuchen an. Das Team der Gastgeber kümmert sich tagelang um den Aufbau. Christoph Siegmund hat eigens dafür eine Woche Urlaub genommen.

Los geht es am Sonntag, 20. Oktober, gegen 11 Uhr. Besonders eindrucksvoll wird es beim „Nachtrennen“ am Sonnabend zugehen, das gegen 19 Uhr gestartet wird. Hauptsache, alle Fahrer behalten in der Dunkelheit die Orientierung. Vor zwei Jahren kam eine Fahrerin von der Strecke ab und schoss ein Stück weit durch ein noch nicht abgeerntetes Maisfeld abseits der Strecke.

Apropos Mais: Der machte dem Maschin-Kaputt-Team in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung. Das eigentlich für Ende September geplante Rennwochenende musste verschoben werden, weil sich der Mais, der sich in diesem Jahr nur schlecht entwickelt hatte, noch auf dem Feld stand. Nunmehr sind die Tangstedter aus dem Kalender der Rennsaison gerutscht. „Die Saison der Wertungsrennen ist schon vorbei. Sonst wären wohl noch mehr Teams gekommen“, sagt Siegmund. Aber auch so werden Teilnehmer aus weiten Teilen der Republik erwartet. Besonders in Nordrhein-Westfalen gibt es Rasenmäher-Rennställe, die annähernd professionell organisiert sind. Auch in Belgien und in den Niederlanden ist diese Motorsportvariante populär. Aber erfunden haben sollen diese Art Rennen, wie könnte es anders sein, die Briten. Auf die Frage, warum er zum Beispiel nicht Kart fahre, sagt Trecker-Rennfahrer Marcel Schulz: „Das hier ist doch wie Kart fahren auf dem Acker. Nur schneller und geiler.“