Das barocke Kunstwerk aus Holz und Eisen, in das die Gottesdienstbesucher ihre Spenden einwerfen, wurde 1613 erschaffen. Großer Festgottesdienst am Sonntag

Seester. Er wurde 1613 erschaffen und überlebte die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, der zwischen 1618 und 1648 tobte. Und auch alle weiteren Kriege danach überstand er unbeschadet. Die Rede ist vom Opferstock in der St.-Johannes-Kirche zu Seester. Seit nunmehr 400 Jahren nimmt die Schatulle Almosen für arme Menschen in sich auf. Und auch wenn die Währungen sich über die Jahrhunderte geändert haben, der Opferstock ist geblieben. Am Sonntag, 6. Oktober, wird das barocke Kunstwerk aus Holz und Eisen von 10 Uhr an im Rahmen eines Festgottesdienstes gewürdigt.

Die alte Backsteinkirche ist einst auf einer Warft hinter der Elbe erbaut worden. Ihr ältester Teil stammt aus dem Jahr 1428. Die Außenwände der St.-Johannes-Kirche bestehen zum Teil noch aus Feldsteinen. Erweiterungen, mehrfache Renovierungen und Reparaturen, im größten Umfange 1844 und auch 1888/89, gaben der Kirche ihr heutiges Gesicht. Im Inneren steht ein Barockaltar, der als einer der schönsten in Holstein gilt. Er wurde 1631, mitten im Dreißigjährigen Krieg, von Bauern der Kirche gestiftet.

Der Opferkasten stammt aus dem Jahr 1613, seine Einweihung erfolgte während des Krieges. Er ist so schwer, dass ihn kaum ein Gottesdienstbesucher heben könnte. Das ist auch nicht notwendig, schließlich ruht das historische Schmuckstück auf prominenten biblischen Schultern. Ein vom Leid gebeugter „Armer Lazarus“ trägt ihn auf dem Kreuz. Die Figur ist übrigens fast so alt wie der Opferkasten selbst. Der wird auch künftig seinen Ehrenplatz in der St.-Johannes-Kirche haben. Die ist momentan selbst in Schwierigkeiten: „Unsere Kirche muss dringend saniert werden. Wir suchen Unterstützer, die mit uns gemeinsam dieses historische Kleinod erhalten“, sagt Pastorin Bettina Feddersen. So weisen die Wände des Gotteshauses tiefe Risse auf, die dringend instand gesetzt werden müssen. Feddersen spricht von einem akuten Notfall und hofft auf viele spendierfreudige Besucher, die am 6. Oktober zum Festgottesdienst in die sogar unter Denkmalschutz stehende St.-Johannes-Kirche kommen.

Zum Jubiläum des Opferstocks wird die Gemeinde eine weitere Tradition pflegen. „Wir feiern das Erntejahr und werden die Kirche mit Früchten aus der Seestermüher Marsch schmücken“, sagt Feddersen, die auch die Predigt halten wird. Das Gotteshaus wird mit einer Erntekrone der Landfrauen verschönert, außerdem schmücken den Altar Äpfel von Ostbauern aus der Seestermüher Marsch sowie Früchte und Blumen aus den Gärten der Gemeinde.

Viele der Früchte erhält nach dem Gottesdienst das Sozialcafé Pino in Pinneberg. Die Einrichtung des Diakonischen Werkes Hamburg-West/Südholstein bietet erwerbslosen Menschen ein warmes Essen zu einem Sozialpreis an – und sie liefert für das Kirchenfest das Mittagessen in den barocken Gemeindesaal neben der Kirche. Nach dem Gottesdienst können die Besucher sich an einer warmen Suppe laben und in den Räumen eine Ausstellung ansehen, die sich mit der Geschichte der Armenversorgung in Schleswig-Holstein auseinandersetzt.

In Zeiten vor der modernen Sozialgesetzgebung war die Solidarität mit armen Menschen eine wichtige diakonische Aufgabe, der sich in der Regel die Kirchen annahmen. Die Ausstellung beleuchtet über mehrere hundert Jahre hinweg das Leben armer Menschen in den Kreisen Pinneberg und Steinburg sowie der Stadt Norderstedt. Die Wanderausstellung wurde von Historikern, einem Volkskundler und einem Kunsthistoriker aus Südholstein erarbeitet und vom Schäferhof in Appen initiiert. Sie ist nach einem Zitat von Bertolt Brecht benannt: „Die im Dunkeln sieht man nicht“.