Beim Erntefest am 6. Oktober im und am Heimatmuseum Mölln Hof macht die Kulturgemeinschaft die praktischen Seiten der dörflichen Vergangenheit lebendig

Tornesch. Harald Schulz’ Porsche ist ein rustikaler Typ. In Ackerfurchen macht er sich eindeutig besser als auf Autobahnen. Denn Schulz hütet in seinem Tornescher Carport keinen windschnittigen Flitzer, sondern einen Traktor aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. „100 Mark habe ich vor fast 30 Jahren dafür bezahlt“, sagt Schulz. Jetzt endlich will er das Schätzchen wieder fahrbereit machen. „Der muss komplett zerlegt werden. Fahrwerk, Beleuchtung, Elektrik – das ist alles ziemlich verrottet.“

Mit solchen Projekten hat Schulz Erfahrung. Als Vorsitzender der 1985 gegründeten Gemeinschaft zur Erhaltung von Kulturgut in Tornesch e. V. rettet der pensionierte Physiker gemeinsam mit den aktuell 302 Mitgliedern des Vereins ländliche Alltagsgeschichte vor dem Vergessen. So sanierten Mitglieder der Kulturgemeinschaft und der Esinger Liedertafel in 14.000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden den historischen Ostermann-Hof, der eigentlich abgerissen werden sollte. Heute steht dieses sogenannte Heimathaus, das mit seiner freistehenden Scheune als ältestes erhaltenes Zeugnis der Bauernkultur in Torneschs Keimzelle Esingen gilt, unter Denkmalschutz. Seit 1998 dient es als vielseitige Veranstaltungsstätte, beherbergt außer dem Vereinsarchiv auch das Tornescher Stadtarchiv.

„Wir wollen die Erinnerung wachhalten, das Wissen unserer Vorfahren bewahren“, sagt Schulz über seine Motivation, sich für die Kulturgemeinschaft zu engagieren. „Es geht hier auch um ein Lebensgefühl, das allmählich verloren zu gehen droht.“ Wie viele seiner Mitstreiter stammt er weder aus der Landwirtschaft noch aus dem Ort. Er wuchs in Hamburg auf, genoss aber als Kind die Besuche auf dem Land bei seinen Großeltern. Diese Wohlfühl-Empfindungen fand er als Esinger Neubürger wieder. „Als wir in den 70er-Jahren in Tornesch bauten, lag unser Haus zwischen drei aktiv bewirtschafteten Höfen“, sagt Schulz. Mit Begeisterung half er dort aus, wenn ein Pferd fohlte oder das Heu geerntet werden musste. „Plötzlich machten die Höfe dicht, da zerbrach etwas, da verschwand eine ganze Atmosphäre.“

Ähnlich ging es dem Architekten Lothar Kranz. Er leitet das Museum Mölln Hof am Bockhorn 43, in dem seit 2007 die Sammlung an land- und hauswirtschaftlichen sowie handwerklichen Gerätschaften, Film- und Tondokumenten der Kulturgemeinschaft ausgestellt wird. Kranz hatte als Maurerlehrling die praktischen Seiten des Landlebens kennengelernt.

„Wir mussten bei unserem Meister gelegentlich auch Torf stechen und Garben binden“, sagt der Architekt. Er habe Spaß daran gehabt. Seit mehr als zehn Jahren lebt er seine Landlust an den mehr als 2400 Exponaten aus, die sich auf den 800 Quadratmetern auf mehreren Stockwerken im ehemaligen Wirtschaftsgebäude der Familie Mölln stapeln. „Wir arbeiten die Dinge auf, die wir geschenkt bekommen. So etwas kann man doch nicht wegwerfen, das ist Geschichte für Tornesch.“ Praktisch heißt das: Holzwurm bekämpfen, Lager, Riemen und Bleche tauschen, Metall entrosten, ölen, ganze Maschinen zerlegen und funktionstüchtig wieder zusammenbauen.

Woher wissen die Laien denn, wie das funktioniert? „Es gibt hier viele Leute, die sind damit groß geworden, die können das noch erzählen. Außerdem bekommt man von befreundeten Vereinen viele Tipps“, sagt Kranz’ Stellvertreter Pascal Vogt. Er kam über diese handwerkliche Schiene zum Verein. Den gelernten Chemikanten, der aus Niedersachsen zuzog, faszinierte die überschaubare Technik. „Man kann alles selbst reparieren. Außerdem setzen wir so ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft“, sagt er, während er mit einem Hanomag-Traktor R22, Baujahr 1952, über das Kopfsteinpflaster des Mölln Hofs Richtung Koppel tuckert. Schließlich muss der Acker an diesem Abend noch nach Art der Großväter durchgegrubbert werden.

Momentan stehen die wöchentlichen Treffen des Arbeitskreises, der sich um die Pflege der Sammlung dort kümmert, vor allem im Zeichen eines Festes, das zu den Höhepunkten des historischen Dorflebens zählte: Erntedank. Am Sonntag, 6. Oktober, können die Besucher des Erntefests auf dem Mölln Hof herbstliche Landwirtschaft anno dazumal ganz praktisch erleben.

„Wir werden den Hafer mahlen, den wir von den Pflanzen geerntet haben, die wir im Frühjahr ausgesät haben“, sagt Museumschef Kranz. Je nach Wetterlage kommen Dreschmaschinen, Traktoren, Hand- und Schrotmühlen zum Einsatz. Die Spezialisten führen aber auch vor, wie eine Windfege früher die Spreu vom Hafer getrennt hat.

Von 11 bis 17 Uhr gibt es bei freiem Eintritt außerdem Filme aus den 30er- bis 60er-Jahren über die Landwirtschaft zu sehen, am Glücksrad gibt es Preise zu gewinnen, für Essen und Trinken ist gesorgt, und für die meisten Kinder ist der „Fliegende Teppich“ die Hauptattraktion.

Das Erntefest ist Teil einer Veranstaltungsreihe, mit der die Hobbyhistoriker Leben in den Mölln Hof bringen. Einmal im Monat bieten sie ihren Besuchern etwas ganz Besonders an. Große Wäsche wie anno dazumal etwa. Oder Kartoffeln zubereiten, Kaffee mahlen, plattdeutsche Lesungen und ein stimmungsvoller Weihnachtsmarkt.

Harald Schulz freut sich über die gute Resonanz der Kulturretter im Ort. „Anfangs haben viele Leute uns ausgelacht, dass wir halb verfallene Scheunen retten wollten“, sagt Schulz. Auch viele Kommunalpolitiker seien damals dagegen gewesen. „Aber heute sind sie stolz auf ihre eigene Geschichte.“