Bürger votieren am Sonntag an der Wahlurne für oder gegen eine Fusion der beiden Städt Uetersen und Tornesch

Uetersen/Tornesch. Wenn der Bundestag am 22. September gewählt wird, stimmen die Bürger aus Uetersen und Tornesch nicht nur über die neue Regierungskonstellation in Berlin ab, sondern auch darüber, ob die beiden Städte im Kreis Pinneberg fusionieren sollen oder nicht. Die Debatte hierüber erhitzt seit etlichen Monaten die Gemüter der Bürger in beiden Städten. Vor allem in der Politik ist der Kampf für oder gegen das Projekt nach wie vor verbissen.

Die Fronten sind klar umrissen. Die Sozialdemokraten in Tornesch stellen die Ratsmehrheit in ihrer Stadt und sind unverändert gegen die Fusion. Sie befürchten einen Identitätsverlust und dass Tornesch am Ende finanziell schlechter als bisher dastehen könnte.

Die SPD argumentiert, dass Steuersätze und Gebühren an das höhere Niveau von Uetersen angepasst werden könnten. Die CDU findet dieses Argument unangebracht. „Auch wenn es nicht zu einer Fusion mit Uetersen kommen sollte, sind die Tornescher nicht vor einer höheren Steuerbelastung geschützt“, sagt Torneschs CDU-Fraktionschef Christopher Radon. Er verweist dabei auf die jüngste Entscheidung der SPD im Tornescher Finanzausschuss. Dort hatten die Genossen um SPD-Ratsherr Manfred Fäcke den Antrag der CDU- Fraktion, im Falle einer negativen Fusionsentscheidung die Realsteuersätze für die nächsten zwei Jahre nicht zu erhöhen, mit ihrer Mehrheit im Ausschuss abgeblockt.

Für die CDU, die die Fusion befürwortet, ist die Sache somit klar: Die SPD halte sich eine Hintertür offen, um künftig die auftretenden Ausgaben auch mit dem Griff in die Tasche der Steuerzahler in Tornesch zu finanzieren. Torneschs Bürgermeister Roland Krügel warnt derweil vor falschen Zukunftsvisionen in der Politik und bei Bürgern.

Der Verwaltungschef ist seit 20 Jahren ein Befürworter einer Fusion, aus wirtschaftlichen und pragmatischen Gründen. Zweifellos, so sagt er, stehe Tornesch finanziell gut da. „Wir sollten uns aber nicht auf der Insel der Glückseligen wähnen. Tornesch hatte in der Vergangenheit viel Glück, sodass es sich gut entwickeln konnte. Wir wissen aber nicht, was die Zukunft bringt“, warnt Krügel. Wenn Tornesch eines Tages wirtschaftlich schlecht dastehe, dann werde es womöglich das große Jammern bei den jetzigen Fusionsgegnern geben. Denn in einer Union mit Uetersen sei Tornesch finanziell, politisch und wirtschaftlich stärker, breiter und damit stabiler aufgestellt.

Das sehen auch viele Unternehmer so. Sie befürworten die Fusion, weil sich dann neue Perspektiven für sie bieten würden. In einer Union, so auch Witte-Pumps-Geschäftsführer Sven Wieczorek, seien Uetersen und Tornesch wirtschaftlich viel bedeutender, vor allem überregional.

Joachim Reetz ist ebenfalls überzeugt, dass viele Bürger falsche Vorstellungen von den Fusionsfolgen haben. „Viele Tornescher glauben, Tornesch zahlt am Ende drauf. Das wird aber nicht eintreten“, so der Tornescher CDU-Politiker. Denn Uetersen könnte im Falle einer Fusion nicht mehr an die derzeitigen Auflagen zur Haushaltskonsolidierung gebunden sein, somit gebe es auch für Uetersen wieder mehr Gestaltungsspielraum bei den Stadtfinanzen. Zudem könnte die vom Land beschlossene Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs laut Uetersens Grünen-Finanzexperten Thomas Berndt der Rosenstadt jährliche Mehreinnahmen von 600.000 Euro bescheren. Damit wäre Uetersen finanziell in weiten Teilen aus dem Schneider und würde nicht finanziell angeschlagen in eine Städteehe hineingehen.

Gunnar Werner, FDP-Fraktionschef in Tornesch, versteht die große Aufregung der Bürger hinsichtlich der Kosten ohnehin nicht. „Die Bürger betrifft die Fusion fast gar nicht. Es ist in erster Linie eine Verwaltungsreform, mit der wir es zu tun haben, also der Bündelung von Aufgaben, die die beiden Städte bislang getrennt wahrnehmen“, sagt er. Außerdem würden beide Städte eh schon in vielen Bereichen zusammenarbeiten, sodass der Schritt, die Ämter weiter zu verschmelzen, ein vergleichsweise kleiner und auch logisch sei. Das sehen die Tornescher SPD und auch große Teile der Uetersener SPD nicht. Sie glauben, dass mit der Verschmelzung der Städte auch die lokale Identität verloren gehe – zum wirtschaftlichen Nachteil beider Städte.

Ein Blick in das nur wenige Kilometer entfernte Norderstedt zeigt, dass eine Städtefusion nicht nachteilig sein muss. Norderstedt hat seit dem Zusammenschluss 1970 ein neues Stadtzentrum erhalten, politisch und wirtschaftlich ist die knapp 75.000 Einwohner zählende Stadt eine der wichtigsten Kommunen in Schleswig-Holstein geworden.

Etliche Großunternehmen und Mittelständler haben Millionen in die Stadt im Norden Hamburgs investiert. Norderstedt ist überregional bekannt. Ihre alten Identitäten haben die Bürger der ehemals vier Gemeinden Friedrichsgabe, Garstedt, Harksheide und Glashütte nicht verloren, sie lebt in den Stadtteilen und in den vielen Vereinen weiter. Die Identität Norderstedts haben sie dazugewonnen, zu den bereits vorhandenen Identitäten als Schleswig-Holsteiner, Norddeutsche, Bundesbürger und EU-Bürger.

Auch wenn Norderstedt immer wieder als positives Beispiel angeführt wird: Ihre Entscheidung, so ist sich Krügel sicher, werden viele Bürger am 22. September eher mit dem Herzen als mit dem Verstand treffen. „Das macht mir Sorge“, sagt Krügel.

Uetersens CDU-Fraktionschef Andreas Stief teilt diese Bedenken, hofft aber, dass sich viele Bürger noch ausgiebig informieren bevor sie an die Wahlurne gehen. „Uetersen hat schon einmal einen Fehler begangen, als man keine Bahnanbindung haben wollte. Bis heute leidet die Stadt darunter“, sagt Stief. Die Uetersener sollten, so der Christdemokrat, nicht zweimal einen gravierenden Fehler begehen und nun auch die Fusion ablehnen. Denn das werde man auch eines Tages bitter bereuen.