Auf Wahlkampftour mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ernst Dieter Rossmann, der 1800 Bürger besucht

Wahlkampf kann ganz einfach sein. Man nehme einen kleinen Pappkarton, klebe zwei Aufkleber mit der Aufschrift „150 Jahre SPD – ein besseres Land kommt nicht von allein“ auf die Seiten, befülle den Karton mit Wahlbriefen, ziehe sich ein graues Jackett und eine schwarze Hose an und fahre in eine Siedlung, in der die Menschen schon immer SPD gewählt haben oder gar nicht wählen, weil sie frustriert sind oder nicht wählen dürfen.

Nun wählen seit Bundeskanzler Gerhard Schröder immer weniger Menschen die Sozialdemokraten, und deshalb zieht Ernst Dieter Rossmann an diesem Abend in die Siedlung der Neuen Lübecker Norddeutschen Baugenossenschaft am Rande der Elmshorner Innenstadt. Seine Mission: Er will der SPD freundlich gesonnene Elmshorner davon überzeugen, am 22. September zur Wahl zu gehen und wenn möglich beide Kreuze für die SPD zu machen: Das erste für ihn als Direktkandidaten für den Deutschen Bundestag und das zweite für die Landesliste der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die er auch anführt.

Die meisten Bewohner der Neuen Lübecker sind Ernst Dieter Rossmann an diesem Abend gewogen, als er klingelt und sich mit „ich bin ihr Bundestagsabgeordneter der SPD“ vorstellt. „Ja, ich wähle SPD“ bekommt er oft zu hören. Ein Kosovo-Albaner mit deutschem Pass bittet Ernst Dieter Rossmann gar um einen Aufnahmeantrag in die Partei – beide vereinbaren, sich nach der Wahl persönlich zu treffen. Und eine ältere Dame kann es nicht erwarten, Rossmann einmal im Reichstag zu besuchen, und fragt, wie sie einen Platz in der Reisegruppe bekommen könnte. Sie möge in seinem Abgeordnetenbüro anrufen, sagt Rossmann, es sprängen oft Leute ab und man könne kurzfristig mitfahren.

Aber natürlich gibt es auch Ablehnung, wenn der Elmshorner bei den Elmshornern klingelt. Da ist der ältere Herr, der wortlos die Tür schließt, die Mittvierzigerin, die sagt, sie sei „im Moment nicht so interessiert“ und den Mund verzieht sowie der 71-Jährige, der sich darüber beschwert, dass „kaum noch deutsche Kinder auf dem Sportplatz spielen“.

Ernst Dieter Rossmann erträgt die Ablehnung mit stoischer Ruhe. „Man darf im Wahlkampf keine dünne Haut haben“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Ich bin ein Gärtner im Weinberg der Demokratie und muss immer wieder ackern und rackern und laufen und schwitzen.“ 1800 Haustürbesuche will Ernst Dieter Rossmann bis zum 22. September absolviert haben.

62 Jahre ist der Elmshorner alt und erfreut sich einer guten Kondition. Er raucht nicht und er trinkt keinen Alkohol. Und er bewegt sich gerne an der frischen Luft, wenn die Zeit es zulässt. Einmal im Jahr fährt er mit seiner Frau Helga Kell-Rossmann, einer Diplom-Ökotrophologin und Diplom-Politologin, Fahrrad im Süden Europas. Mindestens 60 Kilometer am Tag legen die beiden zurück. Ernst Dieter Rossmann hat seiner Frau daheim im Wohnzimmer im Rotklinkerhaus, Baujahr 1925, in der Blücherstraße 18 – „das Haus ist gemietet!“, betont der Politiker zweimal – Bilder von Urlauben an das Bücherregal geklebt: Elba 2006, Camargue 2007, Loire 2008, Apulien 2009, Sizilien 2010, Amalfi 2011. „Helga Magna Magnum“ steht darüber, oder: „die Einladung für einen neuen Blickwinkel in 2012“.

Der neue Blickwinkel im vergangenen Jahr war eine Fahrradtour einmal nicht im Süden Europas, sondern die Elbe entlang: von der Lutherstadt Wittenberg nach Prag. Im politischen Leben ist der Blickwinkel von Ernst Dieter Rossmann hingegen konstant. Konstant links. Rossmann, der seit 1998 dem Deutschen Bundestag angehört, ist Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Genosse ist er seit 1971. Die Ideale Willy Brandts haben ihn geprägt: soziale Gerechtigkeit, gleiche Bildungschancen, Frieden und Ausgleich.

Im Jahr 2013 hört sich das im Flyer des promovierten Sportwissenschaftlers und Diplom-Psychologen so an: „Wir brauchen in Deutschland mehr Chancengleichheit und soziale Fairness: mit einem guten Mindestlohn und mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, mit Klasse bei den Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, mit einer besseren Pflege und einem Stopp der Altersarmut.“

Seine „soziale Prägung“, sagt Ernst Dieter Rossmann, haben ihm seine Eltern mit auf den Weg gegeben. „Man lebt für mehr als nur sich selbst, haben mein Vater und meine Mutter gesagt.“ Ein Schlüsselerlebnis für Rossmann war der frühe Tod seines Vaters – Ernst Dieter war neun Jahre alt. „Das war ein traumatischer Einschnitt“, sagt der Politiker, „das hat mich noch sehr lange beschäftigt. Ich kam aus dem Kindergottesdienst und dann war mein Vater tot umgefallen. Beerdigungen bereiten mir immer noch Probleme.“

Ernst Dieter Rossmann erinnert sich daran, dass eine Tante ihm nach dem Tod seines Vaters den Kosmos-Vogelführer „Was fliegt denn da?“ schenkte, um ihn ein wenig abzulenken. Das Buch entfachte eine große Liebe zu Vögeln. „Über 200 Vogelarten habe ich seitdem schon in Deutschland beobachtet“, sagt Rossmann.

An diesem Tag beobachtet er eine Gruppe Kinder, die sich um ein Vogeljunges versammelt hat, das von einer Birke am Flamweg gefallen ist. Vier Jungen und Mädchen bitten den Elmshorner um ein Gruppenbild per iPhone. „Aber mehr Kinder interessieren sich für den halbtoten Vogel als für den Politiker“, analysiert Ernst Dieter Rossmann. „Das zeugt vom gesunden Empfinden der Kinder.“

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