Ohne ihn würde sie nicht mehr leben: Nach Knochenmarkspende treffen sich Rainer Pillgramm und Gabi Christel.

Kreis Pinneberg. Es lässt sich nur ganz schwer in Worte fassen, was diese beiden einander bedeuten. Sie sagt, er wäre ein bisschen so etwas wie ihr großer Bruder. Er sagt, als würden sie sich schon ein Leben lang kennen, „meine Gabi“ zu ihr. Klar ist an diesem Tag, dass sich Rainer Pillgramm aus Rellingen und Gabi Christel aus der Oberpfalz erst vor einigen Stunden zum ersten Mal gegenüber standen und schon ein sehr innigliches Verhältnis haben. Im Foyer des Hotels Klövensteen trafen die beiden nach der Knochenmarkspende vor zwei Jahren erstmals aufeinander und fielen sich sofort in die Arme. In Deutschland dürfen sich Spender und Empfänger frühestens nach 24 Monaten kennenlernen, vorher sind nur anonyme Briefe gestattet. Christel und Pillgramm nutzten die Chance. Die Rotarier machten es mit einer finanziellen Hilfe zudem möglich.

Dass es überhaupt zu diesem Treffen in Schenefeld kam, ist ein kleines Wunder. Die Geschichte nahm im Januar 2011 ihren Lauf. Pillgramm wollte eine Bekannte nur kurz bei der Typisierungsaktion für den an Leukämie erkrankten Kevin Krüger vorbeibringen. Im Auto habe sie ihn bearbeitet, warum er sich nicht auch in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrieren ließe. „Ich hatte mich damit nie beschäftigt und wollte nicht. Ich redete mich damit heraus, dass ich keine Lust auf so viele Menschen habe, nicht in der Schlange stehen wolle und überhaupt auch keinen Parkplatz finden würde“, erinnert sich der heute 52-Jährige. Es kam, wie es bei diesen beiden wohl kommen musste: Als Pillgramm vor der Freikirche in Pinneberg ankam, wo die Typisierung durch zahlreiche freiwillige Helfer organisiert wurde, fuhr gerade jemand aus einer Parklücke heraus. Dem Rellinger fehlten die Argumente, er nahm wie überwältigende 3196 Menschen an der Typisierungsaktion für Kevin teil. Insgesamt 17 lebensrettende Knochenmarkspenden sind laut Karsten Meier von der DKMS aus dieser Aktion hervorgegangen. Der erste von jenen, bei denen das Telefon klingelte, weil er als Spender für jemanden in Frage kam, war Pillgramm. Nach mehreren Tests folgte bereits am 4. Mai 2011, also knapp vier Monate nach der Typisierung, die für Gabi Christel lebensrettende Knochenmarktransplantation.

Die zweifache Mutter erhielt 2009 die Diagnose Leukämie. Christel litt zudem an einer besonders aggressiven Form, die Ärzte gaben ihr nicht viel Zeit. Sie brauchte unbedingt die Spende, mit der Chemotherapie konnte das Ende nur ein wenig herausgezögert werden. „Wäre er nicht gewesen, wäre ich jetzt tot. Ich habe ihm zweieinhalb schöne Jahre zu verdanken“, sagt Christel, die sichtlich mit der Fassung ringt. Vor zehn Tagen ist die 52-Jährige zudem noch Großmutter geworden. Ihre Tochter Kathrin hat den kleinen Jonas zur Welt gebracht. Für Gabi Christel, die mit ihrem Mann Max in Cham lebt, war es eine bewegte Zeit. Eine Zeit, die sie anderen zu verdanken hat. Dem ist sich Christel sehr bewusst.

Deshalb plant sie eine große Party. Die Idee ist, dass ihr Mann und ihr Lebensretter ihren 50. Geburtstag zusammen nachfeiern. Denn beide haben ausgerechnet im Mai Geburtstag und ließen die geplanten Feten aufgrund der Transplantation damals ausfallen. Christel will zur Party auch die Spender einladen, die bei der von ihren Töchtern für sie initiierten Typisierungsaktion halfen.

Bis zum nächsten Wiedersehen werden sie sich weiterhin schreiben und telefonieren. Das klappte auch bislang gut. „Er ruft an, wenn ich an ihn denke. Das ist fast unheimlich“, so Christel. Vielleicht liegt der gute Draht auch am gleichen alten Handy-Modell, das beide nutzten, wie sie bei ihrem ersten Treffen irritiert feststellten.