Das Landgericht Itzehoe verwirft den Vorwurf des versuchten Totschlags im Prozess um Corina S. aus Tornesch

Seestermühe/Itzehoe. Die Angeklagte verzieht keine Miene, als Richter Eberhard Hülsing im Saal 11 das Urteil verkündet: Freispruch! Corina S. fährt sich mit dem rechten Arm über den Nacken, den ein Tattoo ziert. Vor ihr sitzen drei Richter und zwei Schöffen der 5. Strafkammer des Landgerichts Itzehoe. Sie haben befunden, dass Corina S. ihren Säugling in Seestermühe nicht getötet hat. Damit ist der ursprüngliche Anklagepunkt des versuchten Totschlags vom Tisch. Die 22-Jährige ist eine freie Frau.

Allerdings hat Corina S. gegen das Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (Bestattungsgesetz) von 2005 verstoßen. Denn sie hat das tote Baby zwischen dem 31. März und dem 25. April 2012 in eine Decke eingewickelt und in einem Schafstall gegenüber ihrem Elternhaus abgelegt. Dort hatte Besitzer Klaus M., 65, den Leichnam am 5. Mai 2012 in einem Korb gefunden. Wegen des Verstoßes gegen das Bestattungsgesetz verurteilt das Gericht Corina S. zu einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro.

Auch Staatsanwältin Maxi Wantzen hatte in ihrem Plädoyer letztlich einen Freispruch gefordert. Corina S. habe dem Säugling keine Verletzungen zugefügt. Sie habe das Kind in eine Toilette hineingeboren. Auch daran sei der Säugling – ein Junge – nicht gestorben. Er habe nach der Geburt gezappelt und geschrien. Corina S. habe die Nabelschnur mithilfe eines scharfen Gegenstandes durchtrennt. Dann habe sie das Baby auf dem Bett abgelegt und mit einem Handtuch bedeckt. Anschließend sei sie ins Nachbarzimmer gegangen, um sich frisch zu machen. Als sie wieder zurückkam, habe das Baby nicht mehr gezappelt und geschrien.

Am dritten Verhandlungstag hatte Rechtsanwalt Henning Plate eine Erklärung im Namen seiner Mandantin verlesen. So will Corina S. von der Geburt „völlig überrascht" gewesen sein. Sie habe in der Nacht starke Bauchschmerzen gehabt – „ich dachte, etwas Falsches gegessen zu haben“. Sie habe ständig auf Toilette gemusst. „Als ich leicht drückte, kam sofort das Baby.“

Als der Säugling aufhörte zu atmen, habe sie ihn auf den Arm genommen und sei sicher gewesen, dass er tot war. „Ich war absolut in Panik.“ Dann habe sie das tote Baby in den Schafstall gebracht, obwohl sie sicher war, dass es dort irgendwann gefunden werde. Sie hätte das Kind gerne behalten und leide bis heute unter seinem Tod.

Nach Angaben von Professor Klaus Püschel, Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, sei es bei der Geburt zu Komplikationen gekommen. Es trat ein Sauerstoffmangel ein, weil Kindspech in die Lunge gekommen sei. „Wäre die Geburt in einem Krankenhaus erfolgt“, sagte Klaus Püschel, „hätte der Säugling eine normale Überlebenschance gehabt. Gleich bei seiner Geburt hatte dieses Kind eine Hypothek. Es wäre besonders wichtig gewesen, es sofort ärztlich zu versorgen.“

Staatsanwältin Maxi Wantzen betonte in ihrem Plädoyer, dass Corina S. nicht verpflichtet war, für die Geburt ein Krankenhaus oder eine Hebamme aufzusuchen. „Sie durfte ihr Kind zu Hause gebären“, sagte die Staatsanwältin. „Die konkrete Todesursache war der Sauerstoffmangel. Der war für Frau S. nicht erkennbar. Es war eine falsche Entscheidung zu Hause zu gebären. Aber das ist Frau S. strafrechtlich nicht vorzuwerfen.“

Corina S. hatte ihre Schwangerschaft bis zum Schluss verheimlicht. Nur einer Freundin erzählte sie im September 2011, dass sie in anderen Umständen sei. Etwas später behauptete sie dann, sie habe das Kind bei einem Treppensturz verloren. Auch dem Vater des Kindes, Knut G., 39, erzählte sie im Herbst 2011 von der Schwangerschaft. Beide beschlossen, dass Corina S. das Kind abtreiben werde. Kurze Zeit später sagte sie ihm, der Eingriff sei erfolgt. Dass sie nach wie vor schwanger war, fiel Knut G. nicht auf. „Sie hat zugenommen, aber nicht so, dass es auf ein Kind schließen ließ“, sagte Knut G. vor Gericht. Corina S. lebt mittlerweile in Tornesch und ist Mutter eines drei Jahre alten Sohnes. Der lebt bei seinem Vater, Benjamin T., 30. Auch vor Geburt dieses Kindes soll Corina S. immer abgestritten haben, dass sie schwanger war.

Corina S. habe nicht das Ziel gehabt, dass das Kind stirbt, sagte der Richter Eberhard Hülsing. Deswegen der Freispruch. „Aber dass sie ihr Kind selbst entsorgt hat, ist moralisch absolut verwerflich.“