Am Tag des offenen Denkmals am 8. September zeigt Annerose Reichensperger ihre Räume in Ellerbeks alter Schule. Insgesamt neun Denkmäler können am 8. September im Kreis besichtigt werden.

Ellerbek. Einmal hinter verschlossene Denkmalstüren blicken. Verborgene Winkel erforschen, sich auf eine Spurensuche auf üblicherweise verbotenes Terrain begeben. All das darf der Normalbürger genau einmal im Jahr, am Tag des offenen Denkmals, in ausgewählten Kulturstätten tun.

Für Annerose Reichensperger dagegen steht zumindest ein Denkmal im Kreis Pinneberg 365 Tage im Jahr offen: die ehemalige Ellerbeker Schule von 1911 an der Kellerstraße 5. Schließlich wohnt und arbeitet sie seit 1992 darin. Und zwar mit wachsender Begeisterung. „Mit diesem Haus bin ich Ellerbekerin geworden, es hat viel mit dem Gefühl von Heimat zu tun“, sagt die Chefin des Textilunternehmens Th. Braun.

1989 kaufte und restaurierte sie das heruntergewirtschaftete Gebäude, das viele Ellerbeker Gemeindevertreter damals als kostspieligen Schandfleck betrachteten. Die alte Schule, heute ein architektonisches Schmuckstück, passte nicht mehr ins Bild, schien nur noch zu stören. Insofern ist der rote Ziegelbau ein Paradebeispiel für das diesjährige Motto des Denkmal-Tags am Sonntag, 8. September: „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale“. Die Schule ist eins von neun Denkmalen im Kreis, die an diesem Tag zwischen 10 und 17 Uhr besichtigt werden können.

Fast wäre die „unbequeme“ Schule, deren Erdgeschoss zeitweise als Jugendzentrum genutzt wurde, abgerissen worden. Der heutige Bürgermeister und damalige Gemeindevertreter Günter Hildebrandt setzte sich dafür ein, dass sie unter Denkmalschutz gestellt wurde. Und dann trat eher zufällig Annerose Reichensperger auf den Plan. „Ich hatte auf den ersten Blick Feuer gefangen“, sagt sie. Das alte Haus habe ihr regelrecht Leid getan. „Es hatte nicht verdient, so ungeliebt zu sein“, fand sie. „Da haben so viele Kinder drin gelernt und gespielt, ihre Lehrer drin gewohnt und gelehrt. Viel Ellerbeker Leben ist darin verwurzelt.“

Sie stellte sich also beim ersten Besuch einfach auf die Zehenspitzen, blickte neugierig durch die trüben Fensterscheiben ins Erdgeschoss. „Alles war schwarz und grün gestrichen, aber ich hatte sofort eine Vorstellung davon, wie es werden könnte“, sagt die Unternehmerin.

Entdeckt hatte sie die Schule, weil sie gezielt nach einer Immobilie suchte, in der sowohl die Firma als auch das eigene Familienleben Platz haben sollten. Die Idee, die Einheit Lernen, Arbeiten, Wohnen aus dem ehemaligen Schulalltag in die Gegenwart zu übersetzen, überzeugte auch die Gemeinde, die an der Stelle keinen reinen Firmensitz genehmigen wollte. Dass die Schule unter Denkmalschutz stand und die Restaurierung deshalb mit bestimmten Auflagen verbunden sein würde, schreckte Annerose Reichensperger nicht. Sie lobt die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises: „Jeder Bauherr hasst die Denkmalschützer. Ich liebe sie – weil sie ein Auge für die Feinheiten haben.“

Mit Unterstützung des Hamburger Architekten Heinrich Stöter und in enger Abstimmung mit Denkmalschützerin Annelie Fesser restaurierte sie behutsam die Schule, richtete komfortable Wohnungen und repräsentative Geschäftsräume ein. Ihr Ziel war es, die Details des historischen Gebäudes so weit wie möglich zu erhalten und es gleichzeitig auf einen modernen technischen Stand zu bringen. Sie investierte einen siebenstelligen Betrag, ließ Sanitäranlagen und Heizung modernisieren, einen Edelstahlaufzug einbauen. Viel Glas und polierter schwarzer Granit im Eingangsbereich schaffen eine elegante Atmosphäre. Unter dem mächtigen Giebel, wo einst der Lehrkörper in sehr bescheidenen Räumen hauste, wird heute Mode entworfen.

Die restaurierte Schuluhr gehört zu den Schmuckstücken der Fassade

Das hölzerne Treppenhaus ist ebenso original erhalten wie die weiß gestrichenen Türen und Fenster. Die abgehängten Decken verschwanden, so dass die ursprünglichen Stuckverzierungen zum Vorschein kamen. Die besonders geschützte Fassade ließ sie Klinker für Klinker vom altersschwachen Mörtel befreien, reinigen und neu verfugen.

Die Herzen vieler Ellerbeker aber gewann sie, indem sie die schwarz-goldene Schuluhr wieder zum Laufen und Klingen brachte. Sie weihte die Uhr mit einem kleinen Fest ein. Viele Ellerbeker schauten vorbei. „Sie waren begeistert, was aus ihrer alten Schule geworden war. Da war viel Zuneigung zu dem Haus zu spüren – und auch zu mir persönlich.“

Gab es Probleme, das mehr als 100 Jahre alte Gemäuer so zu dämmen, dass es den aktuellen energetischen Anforderungen entspricht? „Überhaupt nicht, die Bausubstanz war erstklassig, alle Außenwände doppelt mit einer Luftkammer gemauert“, sagt die Modechefin.

Heute genießt sie besonders die Sommerabende auf der roten Holzbank unter der mächtigen Buche vor der Schule. „Ich sitze viel hier.“ Nachbarn kommen vorbei. „Man winkt sich zu und grüßt. Dann habe ich das Gefühl, hierher zu gehören und denke oft: ‚Wie schön, dass ich das gemacht habe’.“