Seit Jahren warnt er vor Folgen der energetischen Modernisierung: Jetzt ist Wedels Mietervereinschef selbst betroffen. Ehepaar Jasker muss sich auf eine Preissteigerung von 98 Prozent einstellen.

Wedel. Er hat es oft erlebt. Erst kommt die energetische Sanierung und dann die teure Quittung für den Mieter in Form einer Preiserhöhung. Was Wolfram Jasker bislang nur aus Beratungsgesprächen des Mieterbundes kannte, dem er in Wedel vorsitzt, erlebt er derzeit hautnah. Auch das Mehrfamilienhaus am Hasenkamp, in dem er seit mehr als 40 Jahren lebt, wird runderneuert. Eine neue Heizanlage, dreifachverglaste Fensterscheiben, eine dann nötige neue Lüftungsanlage und die Dämmung der Außenfassade - die Pinneberger Baugenossenschaft GKP investiert 1,2 Millionen Euro in die Immobilie. Doch statt Freude über die groß angelegte Modernisierung macht sich bei Jasker und den 21 betroffenen Mietparteien vor allem eines breit: Frust. Denn es steht fest, dass mit Fertigstellung voraussichtlich Ende November die Mieten anziehen. Bis zu elf Prozent der Investitionskosten dürfen laut Gesetz pro Jahr auf die Mieter umgelegt werden.

Das Ehepaar Jasker muss sich laut eines vorläufigen Ankündigungsschreibens der Genossenschaft auf eine Preissteigerung von 98 Prozent einstellen. Denn zur Mieterhöhung durch die energetische Sanierung kommt hinzu, dass die Bindung für die einst sozial geförderte Landesbedienstetenwohnung ausläuft. Für die Jaskers bedeutet das, sie zahlen von kommendem Jahr an etwa 220 Euro mehr für ihre Drei-Zimmer-Wohnung, die für Wedeler Verhältnisse bislang mit einem Quadratmeterpreis von 3,48 Euro spottbillig war. Und auch nach der drastischen Erhöhung auf dann 6,92 Euro liegt der Quadratmeterpreis der Wohnung noch deutlich unter dem Durchschnitt Wedels.

Denn in der Stadt vor den Toren Hamburgs und in der Nähe zur Elbe explodieren die Mietpreise. Laut einer Studie des Kieler Innenministeriums ist Wedel nach Norderstedt in Schleswig-Holstein eines der teuersten Pflaster mit einem Neuvermietungspreis von 8,33 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Landesweit liegen die Mieten zwischen 4,80 und 6,60 Euro.

Auch wenn es sich bei der Miete im Hasenkamp für Wedeler Verhältnisse auch nach der Preiserhöhung um eine günstige Miete handelt, wissen Jaskers von Nachbarn, die das nicht mehr zahlen können. "Es sind schon Leute ausgezogen, die sich die Mieterhöhung nicht leisten können und wenn die Erhöhung kommt, werden weitere ausziehen", warnt Wolfram Jasker. Vor allem alleinstehende Frauen könnten mit ihrer Rente Wohnraum in Wedel nicht mehr bezahlen. "Immer mehr Menschen müssen ihre Quartiere verlassen. Das ist eine Form von Entrechtung der Mieter", so der Wedeler.

Er kritisiert, dass in Altbeständen durch die energetische Sanierungsmaßnahme an der Preisschraube gedreht werde. Die Mieter hätten kaum etwas davon, weil sich die Steigerungen nicht durch die niedrigeren Nebenkosten amortisieren. Das zeige auch die Kostenschätzung für Jaskers Wohnung. Trotz Sanierung geht die GKB von 86 Euro Nebenkosten nach Abschluss der Arbeiten aus. Das zahlt das Ehepaar schon heute. Die Baugenossenschaft weist die Vorwürfe von Jasker zurück. "Es geht bei der Modernisierung nicht um die Mieten, sondern um die Wohnqualität und die Senkung von Energiekosten", so Thorsten Rickert von der GKB. Ziel sei die langfristige Vermietbarkeit der Wohnungen. Ein Renditestreben gebe es nicht. Das sei auch nicht Satzungskonform.

Klar ist, dass energetische Sanierungsmaßnahmen hoch im Kurs stehen. Wolfram Jasker schätzt, dass allein in Wedel in den vergangenen acht Jahren 700 Haushalte von den Preissteigerungen durch energetische Sanierungen betroffen waren. Ob am Rosengarten, Riesenkamp, an der Pulverstraße oder die Wohnanlage am Bruch - überall wurde modernisiert. Was Jasker besonders ein Dorn im Auge ist: Seit der Mietrechtsreform Anfang 2013 müssen Bewohner drei Monate lang energetische Sanierungen hinnehmen, bevor die Miete gekürzt werden darf.

Während die Mieten in Altbeständen und bei Neuvermietung angesichts der hohen Nachfrage steigen, ist es in Städten wie Wedel schwer, neuen sozialen Wohnungsbau zu fördern. Die Stadt verfügt über kaum noch eigene Flächen, mögliche Bauherren winken angesichts der teuren Grundstückspreise und des Wettbewerbs zu Hamburg ab, wo attraktive Bedingungen locken. Unter anderem ist dort die Dauer der Mietpreisbindung sehr viel geringer.

Ein Problem, das auch bei einer SPD-Veranstaltung "Bezahlbare Wohnungen - gerechtes Mietrecht" in Schenefeld diskutiert wurde. Ernst Dieter Rossmann, Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Pinneberg, regte dabei eine gemeinsame Strategie in der Metropolregion an. Zudem müssten Kommunen möglichen Investoren, die bereit wären, Sozialwohnungen zu bauen, durch flexiblere Förderrichtlinien des Landes entgegenkommen können.