Langjähriger Bürgervorsteher erhält zum Abschied besondere Auszeichnung. 86-Jährige ist aber nicht der erste Träger dieses Preises

Rellingen. Wenn ein ebenso lang gedienter wie hintersinniger Kommunalpolitiker wie Albert Hatje in den Ruhestand verabschiedet wird, bleiben Überraschungen nicht aus. Nach 24 Jahren als Rellinger Bürgervorsteher und 55 Jahren als Gemeindevertreter in der Baumschulgemeinde und zuvor in Egenbüttel gab es für den 86-Jährigen ein grandioses Finale im "Rellinger Hof" mit mehr als 100 Gästen.

Die erste Überraschung: Die Abschiedszeremonie wurde noch übertroffen von einem Ereignis, das es in Rellingen laut Bürgermeisterin Anja Radtke noch nie gab: Die Gemeinde verlieh ihrem scheidenden Bürgervorsteher das Ehrenbürgerrecht. "Ehre, wem Ehre gebührt", sagte der neue Bürgervorsteher Dieter Schröder (CDU), als er gemeinsam mit Bürgermeisterin Anja Radtke die Ehrenbürgerurkunde überreichte. Da musste sogar der sonst immer so standfeste Hatje mit den Tränen der Rührung kämpfen.

Die zweite Überraschung: Obwohl das Thema Ehrenbürgerschaft in Rellingen wie ein Staatsgeheimnis gehütet wurde, packte Hatje beiläufig in seinen Dankesworten aus, dass er schon vorher Wind von der Sache bekommen hat.

"Es ist nicht angebracht, einen Menschen so herauszustellen" habe er sich in den vergangenen Tagen überlegt, plauderte der neue Ehrenbürger munter aus. Und ergänzte schnell: "Ich habe so etwas nämlich schon geahnt." Die Ehrenbürgerschaft gelte aus seiner Sicht als Anerkennung aller Bürger und Vereine, die sich in Rellingen ehrenamtlich engagierten. "Dafür bin ich auch bereit, die Galionsfigur zu sein."

Die Gäste des Festakts bedankten sich bei ihrem Ehrenbürger mit stehenden Ovationen. Der donnernde Applaus endete erst, als Albert Hatje, Feuerwehrmann seit 1941und Ex-Wehrführer, Signal gab, wieder Platz zu nehmen: "Bei der Feuerwehr heißt das: Setzen!"

Dann legte er richtig los. Angesichts der Anwesenheit der drei Ex-Bürgermeister Erhard Helms, Joachim Diercks, Oliver Stolz (inzwischen Landrat) sowie der Amtsinhaberin Anja Radtke befand Hatje, jeder sei in seiner Zeit die beste Personallösung gewesen. Rellingens Ehrenbürger schwärmte von den Mitfahrten in Radtkes Smart-Mobil. Oliver Stolz ("Du hättest es ja hier so schön haben können") sei nicht nur als Beamter geboren, sondern sogar gezeugt worden. Joachim Diercks machte ihm am meisten Sorgen: "Der konnte nicht marschieren." Und das vor einem großen Feuerwehrumzug mit Marschschritt. "Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht geübt." Auch die eigene Partei bekam ihr Fett weg. "Ich habe nie getrickst", zog Hatje Bilanz und warnte die CDU vor "Seilschaften und Cliquenbildung". Er spielte damit auf Querelen hinter den Kulissen um Posten im Umfeld der Kommunalwahl an.

Die dritte - und letzte - Überraschung gab es am Tag nach der Veranstaltung: Es stellte sich nämlich heraus, dass Hatje gar nicht der erste Ehrenbürger der Gemeinde ist. So musste die Verwaltung nach einer Recherche einräumen, dass bereits den Bürgermeistern Hermann Rohwedder und Otto Rump sowie dem langjährigen Schuleiter Jacob Ahrens diese Ehre zuteil wurde. Die Ehrenbürgerwürde wurde dem Trio 1955 verliehen - nur konnte sich niemand mehr daran erinnern. . .