“Im Reichstag brennt noch Licht“ heißt das neue Programm des Wahlkabaretts Wedel . Am 16. August ist Premiere

Wedel. Sie frotzeln. Sie lästern. Sie formen zweifelhafte gesellschaftliche Entwicklungen zu Sketchen von tiefschwarzer Komik. Doch manchmal überholt die Realität selbst die skurrilsten Einfälle der Wedeler Spottdrosseln vom Dienst. So wie bei der Sache mit den späten Schwangerschaften zum Beispiel. Als die Kabarett-Truppe des Theaters Wedel vor wenigen Jahren ihre Urgesteine Krista Kniel und Doris Jankowski, beide weit jenseits der 50, mit kissendicken Babybäuchen auf die Bühne schickte, um Geburtenrückgang und die Schattenseiten des demografischen Wandels zu thematisieren, lachte das Publikum noch Tränen über die groteske Situation.

Heute macht die Reproduktionsmedizin künstliche Befruchtungen und Schwangerschaften jenseits der Menopause möglich - und immer mehr Frauen überlisten kurz vor der Menopause ihre eigentlich abgelaufene biologische Uhr mit Hilfe der Petrischale. Andreas Prehm, als Hauptautor und Regisseur inoffizieller Kopf der Truppe, findet das überhaupt nicht komisch. Im Gegenteil: "Mir ist es manchmal unheimlich, wenn unsere wahnsinnigsten Ideen wahr zu werden drohen", sagt er.

Pünktlich zur Bundestagswahl haben sie ein frisches Programm aufgelegt. "Im Reichstag brennt noch Licht" hat am Freitag, 16. August, Premiere im Theater Wedel, Rosengarten 9. Die Vorstellung beginnt um 20 Uhr. Karten zu je 20 und 15 Euro gibt es unter Telefon 04103/52 50. Gespielt wird es bis einschließlich 21. September. Eine Liste der genauen Termine findet sich unter www.theater-wedel.de im Internet.

Diesmal dringt die Truppe in geheimer Mission in den Reichstag ein, um den verborgenen Mechanismen der Berliner Politik auf die Spur zu kommen. Musik liefert das Außerparlamentarische Orchester unter Leitung von Andreas Ravn.

Beim Wahlkabarett tauschen Publikum und Ensemble traditionell die Plätze. Die Zuhörer können an langen Tischen bei Wein und Imbiss Bierzeltatmosphäre auf der eigentlichen Bühne genießen, während die Schauspieler auf einem Podest im Zuschauerraum ihre Späße treiben.

Skurrile, fast schon verrückte Ideen sind ein Markenzeichen des Kabarettensembles, das seit 1975 vor jeder Landtags- und Bundestagswahl ein Kabarettprogramm aufgelegt hat und sich damit eine eingeschworene Fangemeinde in der Region erspielt hat. Vor wenigen Jahren erfanden Wedels Satiriker sogar eins, ohne dass eine konkrete Wahl anstand. "Wir hatten vier wahlfreie Jahre, das wurde uns einfach zu lang", sagt Doris Jankowski. Ihr schnellstes Programm stampften sie 2005 aus dem Boden, als der damalige Kanzler Gerhard Schröder überraschend Neuwahlen ausrief.

Wie Krista Kniel stieß Doris Jankowski kurz nach der Gründung des Ensembles zur Truppe um die Ur-Spötter Dirk Mötting, Walter Schumann, Wolfgang von der Heide und den Wedeler Musikpapst Heinz Kegel. "Ich mochte schon immer Kabarett. Der Mix aus Musik, kritischen und lustigen Texten gefällt mir", sagt Jankowski. Denn anders als viele Profi-Satiriker verpacken Wedels Amateure ihre Kritik nicht in Monologe, sondern in kurze, knackige Theaternummern. "Ich hatte das Gefühl, das kann ich vielleicht auch ganz gut auf der Bühne." Kollegin Kniel stieß dazu, weil sie die Leute vom Theater Wedel - übrigens später gegründet als das Wahlkabarett - kannte. Für sie sind die Auftritte bei allem Spaß an der Sache auch ein Ventil: "Ich finde es toll, dass man seine Wut auf der Bühne darstellen kann."

Selbst nach fast vier Jahrzehnten auf den Brettern leiden beide unter Lampenfieber. Und setzen auf bewährte Rituale als Gegenmittel. "Ich gucke direkt vor der Aufführung immer wieder ins Textbuch, auch wenn ich schon alles ganz sicher kann", sagt Jankowski. "Bei mir geht das auf gar keinen Fall", widerspricht Kniel. "Ich muss das Textbuch unbedingt ignorieren, bevor es losgeht." Dafür achtet sie darauf, sich bereits 90 Minuten früher an ihrem Garderobenplatz einzurichten, als der Vorhang sich hebt.

Frische Nummern entwickeln alle gemeinsam bei Kreativtreffen. "Wir spinnen einfach mal so rum" sagt Andreas Prehm. Wichtig dabei, damit die Pointe funktioniert: "Das Thema muss bei den Leuten präsent sein, ohne dass wir viel erklären müssen." Tabuthemen gebe es nicht.

Von Gesundheitsreform bis Drohnendesaster, Schuldenberg, falschen Doktortiteln und Altersarmut reicht die Palette, die außer klassischen Politikthemen auch viele gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift. Viele Ideen lieferten die Politiker einfach zu, das erleichtere der Kreativabteilung den Job deutlich. Prehms Rezept für eine gelungene Nummer: "Man muss für ein Thema brennen, sich darüber richtig aufregen, dann flutscht es."

Bis kurz vor der Premiere schreiben die Autoren neue Sketche. "Wir wollen so aktuell wie möglich sein, deshalb wird's am Ende meistens ziemlich eng", sagt Prehm. Geprobt wird zuletzt täglich.

Dass der Wahlkampf 2013 langweilig daherkommt, spielt für das Team keine Rolle. Denn die Kabarettisten kreisen ja nicht um kurzlebige Wahlkampfaufreger, sondern spießen die Absurditäten des deutschen Alltags auf. "Viele Themen sind zeitlos, die werden nicht gelöst", sagt Prehm. "Manchmal finde ich es erschreckend, dass wir eine zehn Jahre alte Nummer heute unverändert aufführen könnten - und sie würde immer noch die Realität treffen."