Grüne sehen politischen Hintergrund des Anschlags auf ihre Kreisgeschäftsstelle.

Pinneberg. Die Polizei und Staatsschützer dürften nicht mehr auf dem rechten Auge blind sein, forderten am Dienstag mehrere Politiker der Grünen in Pinneberg. Anlass war der jüngste Anschlag Anfang Juli auf die Kreisgeschäftsstelle der Partei am Damm, als die schwere Panzerglasscheibe eingeschlagen, die Tür demoliert und Fische in den Briefkasten der Grünen geworfen wurden. Die Kreisvorstandssprecher Resy de Ruijscher und Holger Nohr vermuten einen rechtsradikalen Hintergrund bei den Tätern, weil unmittelbar zuvor ein Plakat im Schaufenster hing, das fordert "braune Ecken bunt (zu) machen. Gib Nazis keine Chance" (siehe Foto).

Doch die alarmierte Polizei habe es zunächst nicht für nötig befunden, überhaupt Spuren der nächtlichen Sachbeschädigung zu sichern. Erst als die regionale Zeitungen über den Vorfall berichteten, habe sich der Staatsschutz der Polizei gemeldet und dann doch Spuren genommen, berichtet de Ruijscher. "Es war ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist." Innerhalb von zwei Jahren seien die Scheiben und Türen mehrfach demoliert worden. Die vorherige Kreisgeschäftsführung der Grünen hätte diese Taten zwar angezeigt, aber nicht öffentlich gemacht. "Wir sehen das anders. Darauf muss hingewiesen werden", so de Ruijscher.

Die Kreis-Pinneberger Grünen haben sich nun politische Unterstützung aus Kiel und Berlin geholt. Mit Schleswig-Holsteins Spitzenkandidatin Luise Amtsberg und dem Bundesvorsitzenden Cem Özdemir diskutierten sie am Dienstag diesen Vorfall.

Auch wenn noch nicht feststehe, dass es sich um einen Anschlag von Rechts gehandelt habe, müsse sie doch die anfängliche Bewertung der Polizei kritisieren, sagte Luise Amtsberg. Auch andernorts im Land seien Parteibüros von Grünen und Linken angegriffen worden. "Da fehlt mir die Sensibilität bei der Polizei. Es gibt eine organisierte Neonazi-Szene auch im Kreis Pinneberg", wo mit Ingo Stawitz auch ein führender NPD-Funktionär wohne. Einen rechtsradikalen Hintergrund von vornherein auszuschließen, erstaune ihn doch sehr angesichts der jetzt aufgedeckten Morde der NSU an Migranten, sagte Özdemir. Die parlamentarische Aufklärung dieser Morde habe erschreckend aufgedeckt, "wie schlecht die Polizei und Geheimdienste gearbeitet haben", so Özdemir. Hinweise und Spuren auf rechtsradikale Taten seien nicht verfolgt worden. Darum forderten die Grünen weiterhin, die 16 Landesämter des Verfassungsschutzes aufzulösen und zu einer bundesweiten Behörde zu machen, so Özdemir. "Es ist dringend notwendig, klaren rechtsradikalen Spuren nachzugehen und sie nicht von vornherein auszuschließen. Auch Polizeibeamte verfügen nicht immer über die Gabe der Prophetie." In Baden-Württemberg konnte sogar jahrelang ein Polizeibeamter dem Ku-Klux-Klan angehören, ohne behelligt zu werden, wundert sich Özdemir.

Die Grünen wollten dieses Thema nicht für den Wahlkampf ausschlachten, betonte Kreisgeschäftsführer Holger Nohr. Aber nach der Bundestagswahl wolle die Partei das Bündnis gegen Rechts im Kreis Pinneberg wieder stärker mobilisieren. "Wir wollen eine bunte Gesellschaft", sagt de Ruijscher, die selbst eine Einwanderin ist und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.

Staatsanwalt Peter Müller-Rakow sagte zu diesen Vorwürfen auf Nachfrage, dass die Polizei, wenn auch einige Tage nach der Tat, verwertbare Spuren mit DNA-Material gesichert habe. Die verzögerte Spurensicherung sei für die Auswertung "unschädlich". Die Untersuchung laufe noch. "Im Moment haben wir keine Hinweise auf ein politisches Motiv."