Eine Leidensgeschichte von Susanne Gerlach

Die Zeiten werden härter. Altehrwürdiges, Marodes muss raus! So ergeht es auch meinem toten Backenzahn. Obwohl noch vor kurzem als Anker in der Brandung von meiner Zahnärztin gelobt, muss er nun das Gebiss verlassen. Überweisung zum Kieferchirurgen. Brücke. Basta!

Nie habe ich mich der Geriatrie so nah gefühlt wie jetzt. Vorausschauend besorge ich mir "Alete"-Brei, und organisiere mir einen Trip zum Arzt und retour. Freundin Angie steht wie vereinbart um 7.30 Uhr vor der Tür und plappert in einem fort. Vor Ort klärt mich Dr. Dr. Schubert über sämtliche Risiken auf. Ich möchte weglaufen, doch der Herr Doppeldoktor, der, wie sich auf Nachfrage herausstellt, jünger ist als ich, hat die Spritze bereits aufgezogen.

Ich winde mich wie ein Aal, presse das mitgebrachte Stofftier fest an mich. Der Doppeldoktor spritzt, was das Zeug hält, und fördert unter Knirschen das zu extrahierende Objekt ans Tageslicht und in die Petrischale.

Leicht benommen schäle ich mich vom Stuhl ("Frauen sind härter im Nehmen!") und wanke aus dem OP.

Freundin Angie strahlt mich an und bekommt zur Belohnung den gezogenen Zahn samt Goldfüllung. Zu Hause versuche ich nach einigen Stunden den Brei, doch der alte Otto-Witz "Alete kotzt das Kind" droht sich zu bewahrheiten.

Ich warte noch ein wenig und hole mir vom Türken einen Döner mit fein geraspeltem Hühnerfleisch. Essbar, auch mit einem Zahn weniger.