SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy, fordert in Uetersen mehr Präventionsprogramme.

Uetersen. Für Sebastian Edathy ist es ein Marathon. Im Uetersener Hof nimmt der 44-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete an diesem Abend an seiner gefühlt 50. Informationsveranstaltung zum NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages teil, dessen Vorsitz der studierte Sozialwissenschaftler innehat. Natürlich ist sein Auftritt in der Gaststätte Teil des Bundestagswahlkampfes. "Dennoch ist es für mich wichtig, hier in Uetersen zu sein, über die Arbeit des Ausschusses und die Ergebnisse zu informieren und über das Thema Rechtsextremismus zu reden", sagt Edathy.

Der Parlamentarier sagt dies, weil der Ausschuss nicht unumstritten ist und weil, wie er sagt, die Kandidatur der NPD bei der Kommunalwahl in der Rosenstadt verdeutlicht habe, dass die Gefahr, die von rechten Gruppierungen ausgeht, real existiere. Und dagegen müsse etwas getan werden. "Rechtsextremismus ist Realität in Deutschland, diese Realität darf aber nie als Normalität akzeptiert werden", sagt Edathy und erntet dafür Beifall von den etwa 80 anwesenden Bürgern.

Das Thema Rechtsextremismus, es beschäftigt Uetersen nach wie vor. Der Saal im Uetersener Hof ist zum Bersten voll, und vor allem junge Menschen sitzen auf Stühlen, auf Fensterbänken und auf dem Boden, um den Ausführungen Edathys zu lauschen. Das stimmt Edathys Parlamentskollegen Ernst-Dieter Rossmann positiv. "Mich freut es, hier so viele junge Menschen zu sehen", sagt Rossmann. Ein stärkeres bürgerliches Engagement, wie an diesem Abend von der Jugend gezeigt, sei gut für Uetersen angesichts der jüngsten Ereignisse rund um die Kommunalwahl.

Auch NPD-Vertreter versuchen, in den Saal zu gelangen. Sie werden aber vom Gaststätteninhaber und der Polizei weggeschickt. Dass der Gastronom und die Polizei sofort einschreiten, wird mit Beifall von den Zuhörern honoriert. Für Rossmann, der Edathy nach Uetersen eingeladen hatte, ein passendes Beispiel für Zivilcourage vor Ort. Und davon wünschen sich Rossmann, Uetersens SPD-Ratsfrau Anne-Christin Heinrich und auch Edathy mehr.

"Was wir brauchen, ist zum einen, dass mehr Bürger zur Wahl gehen, denn wer nicht zur Wahl geht, wählt indirekt die NPD", urteilt Heinrich. Sie fordert von Familien und Bildungseinrichtungen, dass diese sich stärker darum kümmern, Kindern die Vorteile der Demokratie zu vermitteln, damit gar nicht erst eine Nähe zur rechten Szene entstehe und das demokratische Verantwortungsgefühl der Menschen gestärkt werde. Das gehe etwa, indem Kinder zum Beispiel in Schulen stärker als bisher in demokratische Entscheidungsprozesse eingebunden würden. "Unsere Bürger müssen aber auch lernen, bei Anzeichen von Fremdenfeindlichkeit und rechtem Gedankengut sofort den Mund aufzumachen und gegenzuargumentieren", so die Uetersener SPD-Ratsfrau. Auch das schleswig-holsteinische Beratungsnetzwerk für Familien müsse stärker genutzt und der präventive Informationsaustausch zwischen Institutionen gefördert werden.

Für Edathy gibt es nicht nur in Uetersen und dem Kreis Pinneberg, sondern in ganz Deutschland ein strukturelles Problem. "Das Problem, das wir haben, ist, dass die Menschen und auch die Behörden nicht ausreichend miteinander kommunizieren. Der Informationsfluss funktioniert nicht", so Edathy. Das sei vor allem bei den Ermittlungen des NSU-Untersuchungsausschusses in den vergangenen Monaten deutlich geworden. Der Austausch von Informationen zwischen Polizeibehörden, dem Verfassungsschutz und der Justiz, er sei, so die Erkenntnis des Ausschusses, kläglich gescheitert.

"Es gab, das wurde bei unseren Untersuchungen deutlich, ein teilweise unverantwortliches Handeln des Verfassungsschutzes. So wurden Informationen nicht an die Polizei weitergegeben. Dies, um Informanten in der rechten Szene zu schützen", sagt der Parlamentarier. Das gehe nicht. Zudem habe der Verfassungsschutz Brandenburg mit seinem eigenwilligen Handeln das Leben mehrerer Polizisten leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Edathys Fazit: Wenn dem Verfassungsschutz der Schutz der Informanten wichtiger werde als die Verhinderung von Straftaten, dann habe er seine Aufgaben klar verfehlt.

"Was wir leider in dem Ausschuss auch feststellen mussten, ist, dass die Ermittlungen sehr ressentimentbehaftet waren", bilanziert der Ausschussvorsitzende. So habe es unter anderem Ermittlungsberichte gegeben, in denen es heiße, dass die Brutalität der Mörder dagegen spreche, dass die Täter aus Westeuropa kämen. Und es entspreche "der Mentalität der Türken", den deutschen Behörden nicht die Wahrheit zu sagen. "Solche Aussagen sind einfach unglaublich und unentschuldbar", sagt Edathy. Diese und andere Beispiele für Rassismus und Betriebsblindheit innerhalb von Behörden sorgen im Saal für Bestürzung.

"Die rechte Szene wird unterschätzt, wir brauchen viel mehr Prävention", fordert Edathy. Auch innerhalb der Behörden. Dort müsse es intensivere Eignungsprüfungen von Bewerbern geben. "Einer rechten Gesinnung innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden muss entgegengewirkt werden", sagt Edathy. Klar sei, dass der Rechtsstaat beim Thema Rechtsterrorismus kläglich versagt habe. Dieses Desaster dürfe sich nicht wiederholen. "Deshalb muss mehr Geld für Präventionsprogramme und Aussteigerprogramme zur Verfügung gestellt werden", urteilt Edathy, "lokal und überregional".