Mit dem Lotosblütenfest feiert Ellerhoop jetzt die größte Freilandkultur der empfindlichen Pflanze in Deutschland.

Ellerhoop. Für die Indische Lotosblume (Nelumbo nucifera) versetzt Hans-Dieter Warda Berge. Der Professor für Dendrologie und Landschaftsarchitektur lässt sich von den Fachkollegen für verrückt erklären, reist um die halbe Welt, stoppt in China einen voll besetzten Bus für ein besonders schönes Foto, experimentiert über Jahre mit Wärme, Licht, Bewässerung, Düngung. Und beschert dem Kreis Pinneberg schließlich ein Naturschauspiel, um das ganz Deutschland ihn und seine Mitarbeiter beneiden kann. Im August und September blühen im Arboretum Ellerhoop, das Warda maßgeblich mitkonzipiert hat und seit 1985 ehrenamtlich leitet, Tausende der mythischen Pflanzenschönheiten mit ihrer legendären, Schmutz abweisenden Blattoberfläche auf dem Parksee. Die Norddeutsche Gartenschau in Ellerhoop verfügt über die größte Lotos-Freilandkultur der Republik.

Aus diesem Anlass organisiert das Team der Gartenschau das siebente Lotosblütenfest am Sonnabend, 10. und Sonntag, 11. August, auf dem 17 Hektar großen Gelände am Thiensen 4. Erwachsene zahlen jeweils sieben Euro Eintritt, Kinder zwischen acht und 16 Jahre je zwei Euro (Details im Infokasten). Rund um die schwimmende zartrosa Blütenpracht gibt es jeweils von 10 bis 19 Uhr Mitmach-Aktionen, asiatische Spezialitäten, ausgesuchte Raritäten und ein breites Pflanzenangebot. In diesem Jahr könnte die Blütenpracht neue Rekorde erreichen. "Wir hatten im Juli echtes Lotoswetter", sagt Warda. "Das wird eine spektakuläre Blüte." Die ersten Knospen öffneten sich bereits in den letzten Julitagen.

"Für mich ist die Lotosblume die Primadonna unter den Blütenpflanzen", sagt Warda, "keine andere Pflanze ist so lebendig und vielfältig in ihrer Gestalt." Er schwärmt von den ersten zarten rot gefärbten Schwimmblättern im Frühling, den Wassertropfen in den Blattkelchen, die im Sonnenlicht wie Edelsteine funkeln, dem märchenhaften Effekt, wenn Wind und Regen die tellergroßen Blätter tanzen lassen. Und wie Millionen von Lotos-Fans auf der ganzen Welt huldigt er den ausgewogenen Proportionen der porzellanrosa Blüte mit ihren knallgelben Staubgefäßen. "Das Idealbild einer schönen Blüte", sagt Warda.

Dass die subtropisch-tropische Blumenkönigin, die den Indern heilig ist und die für die Chinesen Vollkommenheit, Reinheit und Unbestechlichkeit symbolisiert sowie zu den acht Kostbarkeiten des Buddhismus zählt, unter den rauen klimatischen Bedingungen Norddeutschlands mit seinen frostigen, dunklen Wintern im Freiland angesiedelt werden könnte, galt lange Zeit als ausgeschlossen.

Auch Warda hätte es sich zu Beginn seiner großen Leidenschaft für den Lotos vor einem halben Jahrhundert nicht träumen lassen, dass die Pflanze dauerhaft auf norddeutschem Boden überleben und blühen würde. "Damals glaubte ich, sie brauche eine enorme Bodenwärme." Ein Irrglaube. Warda widerlegte sich schließlich selbst.

Die Geschichte dieser Obsession begann 1963 vor dem sogenannten Orchideencafé an der Hamburger Rentzelstraße, in Höhe des heutigen Fernsehturms. Der damalige Gärtnergehilfe Warda entdeckte bei seiner Arbeit für die Internationale Gartenschau Lotospflanzen, die in drei beheizten Wasserbehältern vor dem Café schwammen. "Da hat es geblitzt. Ich habe mich sofort verliebt und wurde das bis heute nicht wieder los", sagt er.

Entdeckt er auf Reisen seinen blühenden Liebling, greift er gern zu unorthodoxen Methoden. Wie bei der Sache mit dem chinesischen Lotosfeld, das er aus einem fahrenden Bus erblickte. "Ich habe den Bus gestoppt, die Kamera geschnappt, die Hosen hochgekrempelt und bin ins Wasser gewatet", sagt er. Entsetzte Mitreisende warnten ihn vor Blutegeln. "Das war mir egal."

So richtig ins Rollen kam die Sache mit der eigenen Plantage aber erst bei einem Urlaub in den Alpen. Der Anblick von Freiland-Lotos im österreichischen Klagenfurt weckte im Biologen Warda den Ehrgeiz. "Ich dachte: Das muss hier auch hinzukriegen sein." Warda befragte Lotos-Gärtner in den ebenfalls nicht frostfreien Regionen am Gardasee und in Graz, forschte in aller Welt unter den vielen unterschiedlichen Sorten nach einem Ökotyp, der Ellerhoops Winter überleben konnte. Seine Fotos und Aufzeichnungen füllten schnell dicke Aktenordner.

Im Teich auf seinem Privatgelände experimentierte er mit unterschiedlichen Typen und Sorten. Er ließ den harten lehmigen Boden 80 Zentimeter tief ausbaggern und durch mineralstoffreiches, nicht zu humusreiches Substrat ersetzen. In solchem Schlick gedeihen die meterlangen Rhizome, das meterweit gespannte Wurzelwerk der Lotuspflanzen, gut. Um die empfindlichen Exoten vor Frost und Kälte zu schützen, ließ Warda anfänglich eine Bodenheizung unter dem Experimentierteich installieren. "Das war wahnsinnig teuer und im Endeffekt ja auch gar nicht nötig. Der Lotos braucht zwar volle Sonne und einen möglichst warmen Untergrund, aber er kommt mit der Menge an Wärme und Licht im Norden klar ", sagt Warda. Die akademischen Kollegen schüttelten über den besessenen Professor die Köpfe.

Doch irgendwann war der Ökotyp reif für die große Bühne. 2001 setzten die Arboretum-Gärtner die ersten, auf Herz und Nieren geprüften Lotospflanzen in den Parksee der Anlage. Den Ökotyp hatte Warda in einer norditalienischen Staudengärtnerei entdeckt. Per Lastwagen holte seine Mannschaft die kostbare Fracht nach Ellerhoop. Die Aktion hatte ihre Tücken. Beim Ausgraben der Rhizome blieb einer der Gärtner so unglücklich im schlammigen Seegrund stecken, dass die Kollegen ihn nur mit Mühe wieder befreien konnten.

Der eigentliche Clou liegt aber neben der intensiven Pflege in der optimalen Versorgung mit Nährstoffen. Doch dieser Düngemix wird im Arboretum gehütet wie ein Staatsgeheimnis. "Das bekommt nicht mal der amerikanische Geheimdienst heraus", sagt Warda.