Erstmals seit zehn Jahren öffneten sich die Türen zum Eggerstedt-Areal. 200 Nachbarn, ehemalige Bewohner, Politiker und mögliche Neubewohner nutzten die Chance und besuchten das Gelände.

Pinneberg. Urte Steinberg hatte es geahnt. Das Interesse an dem seit Jahren nicht mehr genutzten Bundeswehrgelände würde groß sein. Doch vom Besucheransturm war Pinnebergs Bürgermeisterin am Ende doch überrascht. Mehr als 200 interessierte Bürger, darunter Nachbarn, ehemalige Bewohner, Politiker und mögliche Neubewohner, nutzten am Sonntag die Chance und schauten sich das weitläufige Gelände zwischen dem Heideweg, Thesdorfer Weg und der Straße An der Raa an.

Seit dem Abzug der Bundeswehr 2003 liegt das Areal brach. Doch Anfang des Jahres erwarb die Stadt Pinneberg das Gelände für rund vier Millionen Euro vom Bund, jetzt geht es mit großen Schritten voran. Die 37 Hektar ehemaliges unzugängliches Kasernenland sollen zu einem neuen Wohngebiet samt Gewerbe und Bildungsbereich entwickelt werden. Es ist für Pinneberger Verhältnisse ein riesiges Projekt. "Wir wollen hier etwas ganz Besonders für Pinneberg schaffen", gibt Steinberg die Richtung vor. Deshalb beschreite die Stadtverwaltung hier auch einen besonderen Weg der Bürgerbeteiligung. Ein Baustein war die für Sonntag angesetzte Begehung.

Manch einer der Besucher war von weit her angereist, um noch einmal das alte Gebäude zu sehen. Andere wollten sich lieber einen Blick von dem machen, was entstehen soll, wo man demnächst vielleicht selbst sein Eigenheim beziehen könnte. In Gruppen ging es die zugewucherten Asphaltstraßen entlang. Viele Gebäude sind kaum noch in dem urwaldartig wuchernden Grün zu erkennen. Die Natur hat sich in den vergangenen zehn Jahren ungestört einen großen Teil der Flächen zurückerobert.

Ganz so grün wird es in Zukunft hier nicht mehr seit, wenn erst die bis zu 250 neuen Wohneinheiten in Form von Stadtvillen, die Grundschule, die Kita und die Fortbildungsakademie für Pädagogische Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhilfeträgers Wabe entstanden sind. Trotzdem tragen die Pläne dem Grün auch Rechnung. Immerhin 15 der 37 Hektar sollen laut Pinnebergs Stadtentwickler Klaus Stieghorst, der am Sonntag den Besuchern während eines Infovortrages die Zukunftspläne erläuterte, Grünflächen vorbehalten sein. Parkstadt Eggerstedt ist auch der Name für das Bauprojekt.

Derzeit liegen die Pläne zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit unter anderem in der Stadtbücherei und dem Rathaus aus. Bis zum 16. August haben die Pinneberger noch die Möglichkeit, sich in das Verfahren einzubringen. Aber auch danach können sie noch Einfluss auf die Pläne nehmen. Während der Bebauungsplan Eggerstedt auf den Weg gebracht wird und bis Ende des Jahres fertig sein soll, wurde gleichzeitig die Erschließung der Flächen und die Entwicklung der Wohnbebauung europaweit ausgeschrieben. Erst danach wird klar sein, was mögliche Investoren an alten Gebäuden vielleicht erhalten werden, was zum Beispiel aus dem ehemaligen und fast symbolisch für die Kaserne stehenden Offiziersheim wird.

Dieses liegt auch dem Ehepaar Winfried und Christine Bartels besonders am Herzen. Für das Ehepaar, das nach 30 Jahren aus Bonn wieder in ihre Heimatstadt Pinneberg zog, um hier alt zu werden, war der Gang über das Kasernenareal eine Reise zurück in die Kindheit. Christine Bartels wuchs hier auf. In Baracke 7. Denn nach dem Krieg war das Bundesareal zur Notunterkunft für Flüchtlinge geworden. Ihre Familie verschlug es aus Rostock nach Pinneberg. Ihren späteren Mann lernte sie im heute verlassenen und umwucherten Offiziersheim kennen. "Hier sind wir zur Schule gegangen", berichtet sie. Klasse 1 b. 50 Kinder waren sie. Und an warmen Sommertagen, wenn das Wetter schön war, öffnete der Lehrer die Türen zum Garten, dann wurde dort unter den Fliederbäumen gelesen. Bis heute denkt Bartels an ihre Schulzeit Anfang der 50er-Jahre zurück, wenn sie den Duft von blühendem Flieder riecht.

Und während die beiden in dem alten Klassenzimmer standen, der später zum Kamin- und Billardzimmer der Offiziere wurde, und von alten Zeiten berichten, tauchten plötzlich weitere Schulkameraden in den Räumen auf. Unerwartet wurde die Begehung am Sonntag so zum Klassentreffen der besonderen Art. Ob man sich noch an die Kaugummifabrik erinnere oder den Kohlehändler, bei dem die Kinder für einen Groschen Filme auf den kohlebestäubten Kisten sehen konnten? Christine Bartels ist begeistert: "Schön, dass wir das noch einmal sehen konnten."