Weil sich ein Norderstedter Gastronom um seine Heimat sorgt, gab er Helge Heggblum den Auftrag, deren Schönheit mit seiner Kamera festzuhalten

Quickborn/Norderstedt . Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Wie für eine Postkarte aufgebaut, stehen antike Bauten auf hohen Felsen. Der Strand endet irgendwo hinter dem Horizont - was für ein Paradies im Mittelmeer! Stolz präsentiert Vassilios Anevlavis auf einem Fernsehgerät die neuen Bilder von seiner Heimatinsel Naxos, die seinem Restaurant in Norderstedt den Namen gab. Doch der gebürtige Grieche kann sich kaum über die Impressionen freuen, die der Quickborner Filmemacher Helge Heggblum in seinem Auftrag auf der Ferieninsel dokumentiert hat.

"Die Krise" - das Wort fällt oft, wenn Anevlavis über seine Heimat spricht. Vielleicht, so hofft er, hilft dieser ungewöhnliche Film ein wenig, die Folgen der Krise zu lindern. Nicht für sein Restaurant, sondern für die Insel im Ägäischen Meer und die Menschen dort will Vassilios Anevlavis werben. Mehrere Tausend Euro hat er in das Filmprojekt investiert. Wäre es ihm um sein Lokal gegangen, hätte er das Geld sicherlich besser als in eine 30-Minuten-Dokumentation über die Schönheit eines griechischen Eilands anlegen können.

Die Griechen leiden unter der Krise, nun bleiben auch noch die Touristen weg

Die Liebe zu den Menschen und zum Land habe ihren Mann dazu bewogen, den Film in Auftrag zu geben, sagt Ingrid Singenstrüh-Anevlavis, die seit vielen Jahren mit dem Naxos-Wirt verheiratet ist und seine Heimat fast so gut kennt wie er selbst. Das Problem der Insel: Die Touristen bleiben weg. Den Griechen, die unter der Finanzkrise leiden, bricht eine der wichtigsten Einnahmen weg.

"Ich sage den Menschen: Ihr müsst keine Angst haben", berichtet Anevlavis. Auch in seinem Restaurant sind die Bilder von den Krawallen in Athen mit brennenden deutschen Flaggen und Merkel-Bildern in Nazi-Uniform Gesprächsthema gewesen. Was kaum jemand wusste: Die Fernsehaufnahmen entstanden auf einem kleinen Platz am Parlament in Athen, vermittelten aber den Eindruck eines Flächenbrands und haben unzählige Urlauber verschreckt. Zwar ist auch im Rest des Landes die Wut der Griechen auf ihre Regierung und die vielen Sparmaßnahmen groß, doch randaliert wird nirgends mehr.

Anevlavis hat seinen Gästen viel von seiner Heimat erzählt, von der Krise und der Sonne, von den Stränden und der Kultur und vor allem von seinen Landsleuten. Jetzt läuft in seinem Restaurant außerdem der erste Teil seines Films, der mehr Menschen nach Naxos locken soll. Viele Menschen haben die Schönheit und die Kultur des Landes fast vergessen, weil sie nur noch an Schulden und Armut denken, wenn der Name Griechenland fällt.

Ein bisschen unsicher sei er gewesen, als er kurz nach seiner Ankunft einem Bauern auf Naxos auf die Frage antworten sollte, aus welchem Land er komme, berichtet der Filmemacher Helge Heggblum. "Deutschland" habe er mit schüchterner Stimme gesagt und gespannt gewartet, ob er sogleich wegen des harten Sparkurses der EU beschimpft wird, den auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verantworten hat. Das Gegenteil geschah. "Merkel-Land!" sagte der Bauer und fügte hinzu: "Seien Sie froh, dass Sie aus Deutschland kommen."

Filmemacher Heggblum hat sich, wie er sagt, "ein bisschen" in die Insel verliebt. Tagelang war er mit der Kamera auf der Insel unterwegs "Die Griechen mögen die Deutschen", sagt er. Wer, wenn nicht Ingrid Singenstrüh-Anevlavis, weiß genau darüber Bescheid, wie gut sich Deutsche und Griechen verstehen? "Sie passen gut zusammen", hat sie festgestellt und spricht dabei nicht nur von ihrer Ehe, sondern ganz generell von den unterschiedlichen Mentalitäten: "Die Griechen geben ihre Lebensfreude und ihre Lebensart, dafür profitieren sie von unserem kühlen Kopf."

Heggblum und das Ehepaar Anevlavis kennen sich seit Jahren. 2008 hat er einen kleinen Streifen gedreht, als das Restaurant Naxos 15 Jahre alt wurde. Anlässlich des 20. Geburtstages ihres Restaurants erinnerten sich Anevlavis und seine Frau an den Mann mit der Kamera und riefen ihn an. "Diesmal ging es Ingrid um mehr als ein Jubiläum", sagt Heggblum. Mehr als eine Feier beschäftigten sie die Gedanken an ihre zweite Heimat. Die Naxos-Wirtin sagt: "Man muss die Sorgen akzeptieren, aber man muss auch etwas dagegen tun."

Die Griechen seien in ihrem Stolz gekränkt, sagt ihr Mann Vassilios. "Aber sie wissen auch: Griechenland ist selbst schuld." Gemeinsam mit seinen Landsleuten ist er unendlich wütend auf die reichen Griechen, die dank einer chaotischen Verwaltung keine Steuern gezahlt haben und ihr Geld ins Ausland schaffen konnten. "Die Menschen sind absichtlich unaufgeklärt geblieben", meint seine Frau.

Die Dokumentation über Naxos soll es bald auch auf DVD geben

Dass ein Deutscher im Auftrag eines Griechen einen Film in Griechenland dreht, habe die Menschen auf Naxos begeistert, berichtet Heggblum. In diesem Monat wird er noch einmal auf die schöne Insel fliegen und weitere Aufnahmen drehen. Aus diesen und aus dem bereits vorhandenen Material soll eine 30 Minuten lange Dokumentation entstehen, die im Restaurant gezeigt und auch auf DVD erhältlich sein wird. Heggblum meint: "Es geht um die Völkerverständigung."