Die Teilnehmer fordern eine endgültige Abschaltung des Atomkraftwerkes Brokdorf. Dazu ziehen sie von Brokdorf bis zum Hamburger Rathaus.

Kreis Pinneberg . Es ist auf den ersten Blick eine merkwürdige Truppe, die derzeit durch den Kreis Pinneberg zieht. Einige Männer tragen Strahlenschutzanzüge, die Frauen in ihrer Begleitung befinden sich im Dress einer Krankenschwester. Im Schlepptau haben sie ein Krankenbett, das sie über die Straße schieben.

Des Rätsels Lösung: Es handelt sich um eine Karawane gegen das Atomkraftwerk in Brokdorf. Sie zieht von Brokdorf bis zum Rathausmarkt in Hamburg. Los ging's am vorigen Sonnabend, eintreffen werden die Anti-Atomkraft-Marschierer genau eine Woche später am 27. Juli. Organisiert haben den Protestmarsch die Anti-Atom-Initiative im Kreis Pinneberg, die Organisation Brokdorf-akut sowie die Göttinger Anti-Atom-Initiative.

"Anlass für die Karawane ist die bevorstehende Revision des Atomkraftwerks Brokdorf am 10. August, bei der unter anderem die Brennelemente gewechselt werden", sagt Andreas Klann, Mitbegründer der Anti-Atom-Initiative im Kreis Pinneberg. Bei dem Brennelementewechsel müsse der Reaktordruckbehälter geöffnet werden. "Es werden schlagartig besonders viel radioaktive Edelgase freigesetzt", so Klann weiter. Er und seine Mitstreiter wollen mit der Karawane "auf die damit verbundenen Gefahren und die erhöhte Krebsrate im Umkreis von Atomkraftwerken aufmerksam machen".

Die Atomkraftgegner verweisen auf eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz, wonach die Krebsrate selbst noch in 50 Kilometer Entfernung vom Reaktor erhöht ist. "Hamburg-Bahrenfeld ist keine 50 Kilometer Luftlinie vom Atomkraftwerk Brokdorf entfernt. Auch hier herrscht durch diese Anlage ein erhöhtes Krebsrisiko", sagt Tobias Darge von der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt. Daher sei bewusst die Route von Brokdorf nach Hamburg ausgewählt worden.

Darge nimmt selbst an der Aktion teil - ebenso wie Andreas Klann. "Ich habe mir extra für die Aktion Urlaub genommen", sagt der gebürtige Elmshorner. Inzwischen wohnt er in der kleinen Gemeinde Sommerland im Kreis Steinburg - und ist damit noch einige Kilometer näher an den Rektor herangerückt. "Wir fordern die Abschaltung des Meilers, der schon im Alltagsbetrieb große Mengen radioaktiver Edelgase ausstößt", sagt Klann.

Er hat ein Liegefahrrad mitgebracht und schont damit seine Füße. Tobias Darge, der die täglichen fünf Stunden marschiert, hat dagegen schon Blasen an den Füßen. Die Hitze wiederum macht allen Teilnehmern der Anti-Atomkraft-Karawane zu schaffen. "Aber lieber einen Sonnenbrand als radioaktiv verstrahlt zu werden", sagen sie. Vor den UV-Strahlen schützen sich die Protestler mit einer Kopfbedeckung und natürlich mit Sonnencreme, Lichtschutzfaktor 50. "Wir stehen voll hinter der Sache. Da ist es völlig egal, ob die Sonne vom Himmel brennt oder es in Strömen gießt", so Klann weiter. Etwa ein Dutzend Protestler machen sich täglich auf den Weg. Einige marschieren nur Teilstrecken mit, andere sind von Anfang bis Ende dabei. "Wir können auf den nächsten Etappen noch Unterstützung gebrauchen", sagt Darge.

Am Montag, dem dritten Tag der Tour, hat die Karawane am Nachmittag die Kreisgrenze überschritten. Zielort war Elmshorn, wo in Zelten auch übernachtet wurde. Vorher gab es aufmunternde Worte vom Ersten Stadtrat Volker Hatje, der die Aktion als wichtig bezeichnete. Am Dienstag marschierte die Karawane, sicherheitshalber begleitet von einer Polizeieskorte, von Elmshorn aus über die B 431 nach Uetersen. An diesem Mittwoch wird die 8,8 Kilometer lange Strecke nach Pinneberg in Angriff genommen, es geht für die Teilnehmer über Moorrege und Appen. Am Donnerstag ist Schenefeld das Tagesziel, ehe es einen Tag später von dort nach Hamburg-Altona geht. Am Sonnabend folgt die letzte Etappe bis zum Hamburger Rathausmarkt, wo am Nachmittag eine Abschlusskundgebung geplant ist.

Während des Weges verteilen die Aktivisten Info-Material und versuchen, mit den Passanten ins Gespräch zu kommen. "Die Reaktionen sind sehr überwiegend positiv", sagt Klann. Aber auch Ablehnung hätten er und seine Mitstreiter zu spüren bekommen. "Da fielen auch mal Sätze wie 'Geht doch lieber arbeiten'."