Pinneberger griff getrennt lebende Partnerin auf der Straße mit Messer und Säure an. Täter und Opfer schwer verletzt. Anwohner: “Das war ein kleiner, ganz friedlich wirkender Typ.“

Pinneberg. Kaum ein Lüftchen regt sich am Sonntag in der Mittagshitze in Pinneberg. Kinderlachen und Kochgerüche kommen aus den offenen Fenstern der Mehrfamilienhäuser aus den 50er-Jahren, die eng beieinander entlang der Straße stehen.

24 Stunden zuvor war die ganze Nachbarschaft in heller Aufregung gewesen. "Alle haben hier an den Polizeiabsperrungen gestanden. Keiner konnte das richtig fassen", sagt ein Anwohner, der seit seiner Geburt in dem Stadtteil lebt, über die Bluttat, die am Sonnabend für kollektives Entsetzen gesorgt hatte. Ein türkischer Taxifahrer, 53, hatte zur Mittagsstunde seine seit Längerem getrennt von ihm lebende Ehefrau, 44, auf offener Straße attackiert. Der Täter stach mit einem Messer auf die Frau ein, übergoss das Opfer dann mit Säure.

"Ich kannte den Mann von nebenan, so wie man sich hier eben kennt", sagt der Anwohner, der seinen Namen nicht nennen möchte. Wie andere auch, möchte er nicht schlecht über andere aus der Nachbarschaft reden. "Das war ein kleiner, ganz friedlich wirkender Typ. Aber wie sagt man immer: Stille Wasser sind tief." Der Türke wohnt von seiner aus Polen stammenden Frau seit einiger Zeit rund 100 Metern entfernt.

"Oh, mein Gott. Die Frau hat um ihr Leben geschrien", schreibt eine Augen- oder Ohrenzeugin via Facebook. Das getrennt lebende Paar hatte sich lautstark gestritten. Plötzlich soll der 53-Jährige die Stichwaffe gezogen haben. Als die 44-Jährige am Boden lag, verletzte er die Frau mit der ätzenden Flüssigkeit. Gerettet wurde die Schwerverletzte von einem zufällig vorbei fahrenden Autofahrer. Der Mann im VW Bus mit "PI"-Kennzeichen erkannte die Situation, öffnete die Schiebetür, die 44-Jährige konnte sich ins Auto stürzen. Der VW-Fahrer brauste davon, kurz darauf wurde die Schwerverletzte ein paar Straßen weiter von der Besatzung eines Rettungswagens und von einem Notarzt versorgt, dann ins Krankenhaus gebracht.

Derweil umstellte die von Zeugen alarmierte Polizei die Wohnung des Täters. Es soll ein Amateurvideo geben, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten den Messermann noch auf der Straße anbrüllen. Die Straße wurde abgesperrt, Polizeibeamte verschanzten sich hinter großen Schilden, beobachteten das Haus. "Ich habe hinterher nur gesehen, wie die maskierten Sonderpolizisten wieder aus der Tür kamen", sagt am Sonntag eine Frau, die vis-à-vis wohnt. "Wir sollten keine Aufnahmen mit Handys machen", so die Frau.

Offenbar verhandelte die Polizei mit dem Täter. Wegen der unklaren Lage wurde das Spezialeinsatzkommando (SEK) aus Eutin angefordert. Auch die Freiwillige Feuerwehr Pinneberg wurde nachalarmiert. Die Wehr stellte ein Fahrzeug mit Wasser bereit. Offenbar, um im Falle einer Säureattacke auf Polizisten helfen zu können. Zudem stellte die Feuerwehr die verätzte Kleidung des Opfers sicher.

Gegen 14.30 Uhr drangen die SEK-Kräfte dann mit Atemschutzmasken in die Wohnung ein. Wie es im Polizeibericht von Sonntag heißt, hatte sich der Täter die Pulsadern aufgeschnitten. Auch er kam ins Krankenhaus. Wie die Polizei am Sonntag weiter berichtete, schweben beide Personen nicht mehr in Lebensgefahr. Gegen den Türken erging inzwischen ein Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. Der 53-Jährige befindet sich in Untersuchungshaft.

"Er muss das geplant haben, sonst hätte er doch keine Säure gehabt", sagt ein Anwohner am Sonntag. "Er hat die Trennung wohl nie verkraftet." Vor gut zwei Jahren, im März 2011, war es nur wenige Meter vom jetzigen Tatort entfernt zu einer Schießerei gekommen. Damals hatte ein 29 Jahre alter Mann während eines familiären Streits drei Schüsse aus einer scharfen Waffe abgegeben. Seinerzeit sperrte die Polizei die Umgebung ebenfalls weiträumig ab. Verletzt wurde damals niemand.