Vor genau zehn Jahren rettete Manfred Winkler von der DLRG Uetersen auf Sylt innerhalb von weniger Stunden acht Menschen vor dem Ertrinken. Auch in diesem jahr musste er schon mehrfach ins Wasser.
Uetersen/Westerland . Das Wasser ist sein Element. Manfred Winkler, 47, lebt sogar auf dem Wasser - auf einem selbst gebauten Wohnschiff auf dem Eilbekkanal. Seit Kindesbeinen zieht es den Rettungsschwimmer von der DLRG Region Uetersen ans und aufs Wasser. Ob als Schwimmer, Paddler oder Wellenreiter. Auch heute wird Winkler am Wasser sitzen: auf einem Wachturm am Strand von Westerland auf der Insel Sylt. Dort, wo er seit 15 Jahren im Hochsommer im Auftrag der DLRG an sonnigen Tagen über Tausende Badegäste wacht; dort, wo ihm auf den Tag genau vor zehn Jahren eine schier unglaubliche Heldentat gelang. Am 19. Juli 2003 rettete Winkler innerhalb weniger Stunden acht Menschen vor dem Tod in der Nordsee.
"Ich kann gar nicht sagen, dass ich besonders stolz bin. Ich musste etwas tun, was ich seit langem besonders gut kann, womit ich umgehen konnte. Und ich weiß, dass ich alles gegeben habe", sagt der durchtrainierte Schwimmsportler. "Stolz bin ich, wenn etwas klappt, was ich gerade erst gelernt habe. Zuletzt zum Beispiel Schweißen."
Und doch: Seine Rettungstat bescherte Winkler bundesweiten Ruhm und Medienrummel. Von den Abendblatt-Lesern und den Hörern des NDR wurde der heute 47-Jährige seinerzeit zum "Menschen des Jahres" gewählt. Er heimste weitere Auszeichnungen ein, war für eine Weile Dauergast in den Talkshows. Innerhalb der DLRG genießt Winkler einen gewissen Ikonenstatus, dient als Vorbild für junge Leute, die sich ebenfalls ehrenamtlich bei der Wasserwacht engagieren.
Winkler selbst, der bei der hiesigen Polizeidirektion als Verkehrserzieher und im Bereich Prävention arbeitet und seine Überstunden jeweils ansammelt, um im Sommer zum Wachdienst auf Sylt zu fahren, will sich an anderen Dingen messen lassen. "Zu Anfang müssen alle Rettungsschwimmer hier auf Sylt 1000 Meter auf Zeit schwimmen. 20 Minuten sind gefordert. Ich bin in diesem Jahr 16.30 Minuten geschwommen - und zwar im Bruststil. Da habe ich gemerkt, dass viele jüngere Kollegen respektvoll geguckt haben", sagt der Modellathlet, der in der Seniorenklasse bereits einmal Weltmeister der Rettungsschwimmer wurde. Solange er sportlich mithalten könne, werde er weiter zum Wachdienst auf Sylt gehen. Zum Schwimmen kam er sehr früh in Uetersen, wo seine Mutter Schwimmlehrerin war. "Ich war vorher ein Sprinter, habe Karate gemacht, und bin heute froh, dass ich quasi umtrainiert wurde."
Zu denen, die Manfred Winkler ihr Leben verdanken, gehört Jörg Petersen. Der Bankmitarbeiter war am 19. Juli 2003 mit seinem Kind in eine gefährliche Strömung geraten. Mit Petersen gab es vor Kurzem ein überraschendes Wiedersehen. "Er hatte vor einiger Zeit seine Brieftasche verloren, darin war meine Telefonnummer", erzählt Winkler, "ich konnte deshalb helfen, dass er die Brieftasche zurückbekam. Herr Petersen erzählte, dass meine Nummer sein Glücksbringer sei - was ja wieder funktioniert habe."
Der Familienvater aus Niebüll war vor zehn Jahren gegen 9.45 Uhr mit Tochter Nele und deren Cousine am Strand gewesen. An einer Buhne hatte sich eine gefährliche Unterströmung ("Trecker-Strömung") gebildet. Nele wurde im knietiefen Wasser von der Strömung erfasst und aufs Meer gezogen. Ihr Vater sprang ins Wasser. In Sekundenschnelle wurden Vater und Tochter weit in die Nordsee hinausgezogen. Ein Strandbesucher schwamm hinterher, um zu helfen - und bekam selbst Probleme. Manfred Winkler bemerkte den verzweifelten Kampf des Trios und stürzte sich in die Fluten.
"Du rennst ein paar Hundert Meter durch den tiefen Sand, musst durch die Wellen tauchen - und dann kommt erst der schwierige Teil." Die drei entkräfteten und in Panik geratenen Schwimmer klammerten sich am Rettungsmittel Rescue Tube fest. Winkler hatte nun mehr als 200 Kilogramm im Schlepptau. Er machte das, was Nicht-Rettungsschwimmern irrational erscheint: Er ließ sich mit dem Trio weiter ins Meer hinaus treiben, um der "Trecker-Strömung" zu entrinnen. Dann schwamm er seitlich und zog die drei Menschen, Zentimeter für Zentimeter, zum Strand. Obwohl er danach völlig entkräftet war, musste Winkler am gleichen Tag noch mehrmals raus, zog weitere fünf Menschen aus der besonders tückischen Strömung.
In diesem Jahr war Winkler bereits mehrfach "im Wasser", holte mit DLRG-Kollegen in Not geratene Badegäste aus der Nordsee. "Ich bin ein guter Gucker, sagen die anderen. Ich erkenne, wo sich Strömungen bilden. Und ich sehe schnell, wer gleich in Schwierigkeiten kommt", so der 47-Jährige zu seinen besonderen Qualitäten als Wasserwächter. Einmal sah er ganz kurz einen kleinen Arm aus dem Wasser ragen. Es gelang ihm, zwei aneinander geklammerte Kleinkinder aus einem tiefen Wasserloch neben einer Buhne zu ziehen, die bereits völlig versunken waren.
Also wird Manfred Winkler auch heute am Strand sitzen und genau gucken - den Blick immer aufs Wasser gerichtet.