Schleswig-Holstein Musik Festival: Baiba Skride und das Baltic Youth Philharmonic begeistern das Publikum in der Reithalle.

Elmshorn. Natürlich war Edelgeigerin Baiba Skride das Zugpferd des ersten Elmshorner Konzerts im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals 2013. Doch nach drei mitreißenden Konzertstunden "Rap, Rock und Klassik" in der Reithalle feierten die knapp 1000 Zuschauer das junge Orchester Baltic Youth Philharmonic (BYP) mindestens so frenetisch wie den Weltstar aus Riga. Nach drei schweißtreibenden Zugaben stand, klatschte, pfiff und trampelte fast der ganze Saal. Vor allem mit den zeitgenössischen Werken baltischer Komponisten verwandelte das BYP unter Leitung von Kristjan Järvi die Halle streckenweise in einen Hexenkessel voller rockiger Rhythmen und unerhörter Klangexperimente.

Järvi - jungenhaft, leidenschaftlich und gelegentlich etwas clownesk am Pult - formte die fast 100 handverlesenen Musikstudenten aus sämtlichen Anrainerstaaten der Ostsee mit seinem unkonventionellen Dirigierstil zu einer Macht, deren Virtuosität und Spielfreude das Publikum vom ersten Bogenstrich an aufhorchen ließ. Dabei hatten die Musiker mit Richard Strauss' sinfonischer Dichtung "Don Juan" alles andere als einen gefälligen Einstieg gewählt. Die oft pathetische Musik des Wagnerianers Strauss ist nicht jedermanns Sache. Und Järvi hatte keine Hemmungen, Strauss' ganz großes Gefühls-Fass auch zu öffnen. Der Clou an seiner Version war die leichthändige Frische und Neugier, mit der das Orchester die dramatischen Klangfarben des Münchners erkundete.

Ein pfiffiger Oboenschlenker hier, ein Flötenschleifchen dort, schmissige Streichakzente - das saß. Und bildete eine angemessene Ouvertüre für den Auftritt des lettischen Gaststars. Zur Enttäuschung vieler Fans spielte Baiba Skride allerdings nur ein einziges Stück, Brahms' Violinkonzert op. 102. Das allerdings im Dialog mit Cellopartner Edvardas Armonas so furios, dass viele Zuhörer das Ende des Dreisätzers nicht abwarten mochten, sondern auch Allegro und Andante separat bejubelten.

Hatte das junge Orchester den romantischen Teil des Konzerts solide gemeistert, so spielten sie die zeitgenössischen Kompositionen baltischer Komponisten nach der Pause wie entfesselt. Allein für diesen wilden Ritt durch weithin unbekannte Gefilde hätte sich der Konzertbesuch gelohnt. Vor allem der Litauer Gediminas Gelgotas, Jahrgang 1986, und der wohl bekannteste lettische Komponist der Gegenwart, Imants Kalnins, Jahrgang 1941, ließen es krachen. Treibende Rhythmen, kraftvolle Ostinati, eingängige Melodien - diese erdige Musik zündete. Deutlich schwerer verdaulich kam die Sinfonie Nr. 3 des Esten Erkki-Sven Tüür, Jahrgang 1959, daher. Flötenfetzen, Saitensausen, ohrenbetäubende Paukenschläge - wer vor dieser kreativen Kakofonie nicht flüchtete, der erlebte einen spannenden Kontrast zu den beiden anderen Stücken.