Nach 20 Dienstjahren kennt SHMF-Künstlerbetreuerin Margaret Fliegel die kleinen Schwächen der Klassikstars. Jedes Jahr sorgt sie für das Wohlbefinden der Musiker.

Rellingen. Das Zauberwort heißt Teebeutel. Gefüllt nicht etwa mit dem Schwarztee-Gemisch aus den Regalen deutscher Supermärkte, sondern original britisch müssen die getrockneten Blätter daherkommen. Dann sind sie die Basis des perfekten Willkommensgetränks für die weltbeste Boygroup des klassischen Chorgesangs, die King's Singers. "Der englische Tee ist etwas stärker als der deutsche, und das mögen die King's Singers sehr", sagt Margaret Fliegel, 66. "Ich bringe ihn immer aus England mit."

Die ehrenamtliche Künstlerbetreuerin des Rellinger Beirats für das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) kennt die kleinen Schwächen und Vorlieben der Stars aus aller Welt, die Jahr für Jahr umjubelte Konzerte in der barocken Rellinger Kirche geben. Seit mehr als 20 Jahren sorgt die Dienstälteste der ehrenamtlichen Künstlerbetreuerinnen des örtlichen Festivalbeirats ebenso wie das runde Dutzend Mitstreiter dafür, dass die Musiker sich vor, während und nach dem Konzert in Rellingen wohlfühlen.

Das Engagement von Menschen wie ihr an allen Festivalorten in Schleswig-Holstein ist eine tragende Säule und eines der Erfolgsgeheimnisse des Prestigeprojekts SHMF.

Die drei langjährigen Konzertstandorte Elmshorn, Haseldorf und Rellingen machen den Kreis Pinneberg zu einer SHMF-Hochburg im Land. Mit gleich vier Konzerten in den kommenden sechs Tagen erlebt der Klassiksommer jetzt eine erste Blüte.

Zu Fliegels Lieblingen zählen neben den "königlichen" Sängern auch der italienische Geiger Fabio Biondi mit seinem Barockensemble Europa Galante, das Trio Fontenay, das Hilliard Ensemble, der entspannte Pianist Leif Ove Andsnes, dem die Betreuerin bei den Proben über die Schulter schauen durfte, und der Tenor Ian Bostridge. "Wir haben festgestellt, dass wir aus demselben Londoner Stadtteil stammen, aus Streatham. Das war wirklich witzig."

Für die King's Singers, für die die Rellinger Kirche nach einem knappen Dutzend Auftritten in 25 Rellinger SHMF-Jahren eine Art Festival-Wohnzimmer geworden ist, hat Margaret Fliegel allerdings eine besondere Schwäche. "Sie waren die ersten Künstler, die ich betreut habe." Sie teilten neben der Muttersprache auch den trockenen Humor der waschechten Londonerin, die der Liebe wegen 1972 nach Rellingen kam.

Natürlich schätzen die sechs stimmgewaltigen Herren nicht nur die fürsorgliche Spezialbehandlung mit Heimat-Tee und selbst gebackenem Kuchen aus der Fliegel'schen Küche, sondern auch die besondere Kirchenakustik, perfekt für ihren Gesang, und den Dialog mit ihrem treuen Publikum. Doch gerade wer in der ganzen Welt herumjettet und dabei oft in anonymen Hotelzimmern aus dem Koffer lebt, weiß die liebevolle Betreuung hinter den Festivalkulissen zu schätzen. Viele der Stars zeigen das den Helferinnen auch.

"Die meisten Musiker sind reizend und einfach für alles dankbar", sagt Margaret Fliegel. Für das frische Obst und die Käsewürfel, für kühle Getränke - für Sänger immer ohne Kohlensäure, damit es beim Auftritt keine unliebsamen Überraschungen aus der Speiseröhre gibt -, für heißen Kaffee, Salzstangen und die Kühlbox mit Eis am Stiel. Vor allem aber für Kuchen. "Fast alle Musiker sind Naschkatzen. Sie lieben Kuchen und Süßes", sagt Frau Fliegel. Für die türkischen Musiker und Tänzer der Derwischgruppe Pera kochte sie 2011 literweise grünen Tee. "Die wollten nichts anderes." Und selbst als ein hochrangiger Dirigent spontan auf das Hotelzimmer im benachbarten "Rellinger Hof" verzichtete, das er zuvor ausdrücklich gefordert hatte, trug sie mit Engelsgeduld die ganze extra im Hotel deponierte Tischwäsche, Geschirr, Dekoration und Verpflegung wieder hinüber in die kircheneigene Künstlergarderobe. Bei Bedarf bahnen die Betreuerinnen ihren Stars sogar einen schnellen Weg zur Toilette, vorbei an der Schlange der wartenden Konzertbesucher.

"Man muss offen und ein bisschen für die unterschiedlichen kulturellen und persönlichen Gepflogenheiten der Künstler gerüstet sein", nennt sie die Bedingungen für ihr Ehrenamt. Sie liebt den Job trotz solcher kleinen Härten. "Ich bewundere diese Menschen, die so entspannt sind, über ganz alltägliche Dinge reden - und dann gehen sie auf die Bühne und vollbringen so wunderbare Dinge. Das war immer schön."

Die Vorbereitungen für die drei Konzerte beginnen im Frühjahr. Die Beiratsmitglieder treffen sich, teilen sich unter Leitung ihrer Vorsitzenden Marianne Stock die Aufgaben ein und machen Vorschläge für die Kunstausstellung im Rathaus, die jede SHMF-Saison begleitet. Passend zum Festivalmotto "Baltisch bewegt" zeigt die estnische Künstlerin Inga Aru noch bis zum 30. August dort ihre Bilder.

Das Team des Lübecker Festivalbüros informiert die örtlichen Beiräte darüber, wer kommen wird und chauffiert die Künstler zu den Gastspielen. Dort übernehmen die Ehrenamtlichen die Betreuung. Je nach Größe des Ensembles versorgen zwei bis drei Künstlerbetreuerinnen die Musiker und gegebenenfalls auch Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks rund um Proben und Konzert.

"Es ist ein bisschen, als ob man eine Party vorbereitet", sagt Margaret Fliegel. Am Tag vor dem Konzert bringen die Helferinnen weiße Tischdecken, passende Dekoration in den Farben des jeweiligen Länderschwerpunkts, Gläser, Porzellan und Besteck aus dem Rathaus, Schüsseln mit Wasser, stapelweise Handtücher, Servietten und Seife in die jeweilige Künstlergarderobe. Und Nähzeug, falls ein Knopf sich selbstständig machen oder eine Naht schwächeln sollte.

Kleine Ensembles ziehen sich üblicherweise in den Kirchenraum hinter der Kanzel zurück, ab Sextettstärke werden sie im Kleinen Gemeindehaus nebenan versorgt. Die frisch zubereiteten Leckereien bringen die Helferinnen am Konzerttag von zu Hause mit.

Ihren größten Fauxpas leistete Margaret Fliegel sich gleich im ersten Jahr. Mit Teelichtern wollte sie die liebevolle Dekoration im Raum hinter der Kanzel krönen, besann sich aber angesichts der 250 Jahre alten Holzbalken schnell eines Besseren: "Offenes Feuer - und das bei all dem Holz: Das hätte leicht schiefgehen können."