Kreisweit erster Fall in Neuendeich. Plantage mit 4000 Jungbäumen von meldepflichtiger Pflanzenkrankheit betroffen. Der Erreger breitet sich begünstigt durch spezielle klimatische Verhältnisse rasant aus.

Neuendeich. Für Dieter Früchtenicht ist es eine Katastrophe. Erst bescherte der verregnete Frühling dem Obstbauern aus Neuendeich einen Ernteausfall von 70 Prozent. Jetzt bangt er auch noch um 4000 junge Apfelbäume, die er gerade erst gepflanzt hat. 50.000 Euro hat Früchtenicht in die etwa 1,5 Hektar große Fläche investiert. Alle Bäume, die hier stehen, sind mit der Pflanzenkrankheit Feuerbrand infiziert. Ob die Bäume überhaupt zu retten sind, ist fraglich. "Es tut weh", sagt der Obstbauer in zweiter Generation. Er hat die Bäume mühsam gepflanzt, beobachtet, wie sie wuchsen und blühten. "Und dann dieser Schlag ins Genick", sagt der 63-Jährige, der seit fast 50 Jahren Obstbauer in der Seestermüher Marsch ist.

Der Erreger, der für Menschen ungefährlich ist, breitet sich begünstigt durch spezielle klimatische Verhältnisse rasant aus. Der Baum beginnt zu schleimen, die Blätter werden welk, sehen aus, als seien sie verbrannt. Diese Pflanzenkrankheit lässt sich nicht einfach heilen, höchstens eindämmen. Die betroffenen Pflanzen werden entweder radikal runtergeschnitten oder gleich verbannt. Trotzdem wird man der Krankheit in manchen Landkreisen in Mitteldeutschland derzeit nicht Herr. In Sachsen-Anhalt breitet sich der Erreger epidemieartig aus. Einige Orte haben aufgrund der rasanten Verbreitung sogar den Katastrophenfall ausgerufen. Im Kreis Pinneberg ist man davon noch weit entfernt, aber man ist alarmiert. Sowohl die Kreisverwaltung Pinneberg als auch die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein sind in den Fall in Neuendeich eingeschaltet, bei dem es sich um den ersten im Kreis Pinneberg handelt. Zusammen mit einem Fachmann der Landwirtschaftskammer für Schaderregerüberwachung wurden die erkrankten Bäume in Neuendeich bereits begutachtet und auch eine weitere infizierte Pflanze ausgemacht. Die große Hecke in Sonnendeich, in der die Landwirtschaftskammer eine Art Wirtspflanze vermutet, wird jetzt vernichtet.

Vor einigen Tagen entdeckte Früchtenicht die verbrannt wirkenden Blätter an seinen Jungbäumen der Sorte Red Prince. "Das sah aus wie Feuerbrand, aber man will das ja nicht wahrhaben", erinnert sich der 63-Jährige, der jeden Tag in seiner Apfelplantage unterwegs ist. Auf der Suche nach Hilfe wandte er sich an einen Obstbauberater aus dem Alten Land, der bestätigte, wovor sich der Landwirt so sehr fürchtete. Es handelt sich um Feuerbrand, eine meldepflichtige Pflanzenkrankheit, die im Norden laut Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein aufgrund des Klimas nur selten auftritt.

Ob das so bleibt? Während die Obstbauern der Umgebung zittern, ob ihre Bäume schon infiziert sind oder sich die Krankheit jetzt weiter ausbreitet, versucht Isa-Maria Kuhn zu beruhigen. Die Sprecherin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein spricht von verschiedenen seltenen Faktoren, die im Fall von Früchtenicht zusammengekommen seien. "Es war ein Zusammenspiel aus dem feuchtwarmen Klima im Juni und der späten Blüte der Jungpflanzen. Sie standen gerade in voller Blüte, als die Bakterien unterwegs waren." Um die Ausbreitung zu verhindern, ist es laut Kuhn wichtig, schnell zu handeln. "Für den Betrieb ist es ein herber Schlag. Aber es muss jetzt schnell und exakt gearbeitet werden. Die befallenen Bäume müssen weit bis ins gesunde Holz beschnitten werden." Zweimal hat Früchtenicht bereits stundenlang in seiner Plantage zusammen mit Helfern die Bäume kräftig beschnitten. Anschließend wurde alles in einem alten Milchkübel verbrannt und das Werkzeug desinfiziert. Trotzdem sind an den wenigen verbliebenen und verstümmelten Ästen wieder Schleim und verbrannte Blätter zu finden. "Da müssen wir wieder ran. Am Ende bleibt nichts mehr übrig von der Pflanze", sagt Früchtenicht enttäuscht, als er beim Kontrollgang am Mittwoch die neuerlichen Erregerspuren findet. Eine Art Seuchenfonds wie beispielsweise bei der Schweinemast gibt es für Obstbauern nicht. Wenn Früchtenicht die Jungpflanzen nicht durch den radikalen Rückschnitt, der bereits ein Jahr Ernteausfall bedeutet, retten kann, bleibt er auf den Kosten sitzen. "Man lebt von der Hoffnung", so der Obstbauer.

Auf der anderen Seite der Elbe hofft man auch. Denn auch dort ist seit gestern klar, dass eine Obstplantage bei Stade von Feuerbrand befallen ist, wie Dr. Roland Weber auf Abendblatt-Nachfrage bestätigt. "Wir glauben, dass es sich bei diesem und dem betroffenen Hof in Neuendeich um spezielle Fälle handelt und nicht um eine Epidemie", sagt der Obstbau-Experte der Landwirtschaftskammer Niedersachen. Denn der Erreger habe jeweils nicht auf ältere Bestände übergegriffen. Klarheit werden die kommenden Tage bringen. Die Obstbauern im Altern Land wurden jetzt informiert, sie sollen ihre Apfelbäume untersuchen.