In eine Decke eingewickelt, wurde die Leiche eines Säuglings in einem Schafstall in Seestermühe entdeckt. Enge Freunde beschreiben die 22-Jährige als notorische Lügnerin. Vorwurf des versuchten Totschlags.

Seestermühe/Itzehoe . Das Auffälligste an Corina S. sind ihre Tätowierungen auf Nacken und Armen. Ansonsten wirkt die 22-Jährige mit den langen schwarzen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren unauffällig. Und unbeteiligt. Sechseinhalb Stunden vernahm die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe am Montag enge Freunde und Bekannte der jungen Frau. Und die guckte währenddessen meist in Richtung der Decke.

In eine Decke eingewickelt, wurde am 5. Mai 2012 die Leiche eines Säuglings in einem Schafstall in Seestermühe entdeckt. Bei der Mutter, so viel ist klar, handelt es sich um Corina S.. Wie das Neugeborene zu Tode kam, soll nun das Gericht klären. Die 22-Jährige verweigerte zu Prozessbeginn die Aussage.

Versuchten Totschlag wirft die Staatsanwältin Maxi Wantzen der heute 22-Jährigen vor. Sie soll das Kind heimlich entbunden und nicht versorgt haben. "Sie nahmen billigend in Kauf, dass der Säugling zu Tode kommt", so Wantzen. Nachdem das Kind keine Lebenszeichen mehr von sich gab, habe die Angeklagten den Säugling auf dem Dachboden eines gegenüberliegenden Stalles in einem Weidenkorb versteckt.

Die Geburt fand laut Gutachten der Rechtsmedizin zwischen dem 31. März und dem 25. April statt. Die Todesursache konnten die Experten nicht ermitteln. Gefunden hat den Leichnam Klaus M., 65, der Besitzer des Stalls. Ihm fiel auf, dass der Korb an einem anderen Platz stand als sonst. "Ich habe die Decke weggezogen und das tote Kind darunter liegen sehen." Der Landwirt kennt Corina S., weil sie häufig auf seinem Hof aushalf. "Von ihrer Schwangerschaft habe ich nichts bemerkt, sie war ja immer schon etwas kräftiger."

Die Lebensumstände der jungen Frau, die zum Tatzeitpunkt mit ihrem zweijährigen Sohn in Seestermühe bei ihrer Mutter lebte - sie spielten am ersten Prozesstag die zentrale Rolle. Dabei wurde eines deutlich: Corina S. hat schon die erste Schwangerschaft verheimlicht, kam damals erst mit Beginn der Wehen ins Krankenhaus. Beim zweiten Kind wählte sie eine ähnliche Taktik. Sie kaschierte den Bauch unter weit geschnittener Kleidung. Im Dorf selbst gab es Getuschel - aber nur wenige sprachen die junge Frau an. Und die log dann, nur zugenommen zu haben.

Einer, der von der Schwangerschaft wusste, war Knut G., 39, der Vater des Kindes. Er erfuhr es von der Angeklagten im Herbst 2011. "Ich reagierte nicht erfreut. Wir waren erst kurz zusammen und ich wollte zu diesem Zeitpunkt kein Kind." Das Ergebnis des Gesprächs sei gewesen, dass Corina S. abtreiben werde. "Ich habe gefragt, ob ich sie begleiten solle, aber sie sagte, sie macht das zusammen mit ihrer Mutter." Kurze Zeit später habe die Angeklagte gesagt, dass der Eingriff erfolgt sei. Knut G. fragte nicht nach, hatte weiter Sex mit Corina S.. Dass sie nach wie vor schwanger war, fiel ihm nicht auf. "Sie hat zugenommen, aber nicht so, dass es auf ein Kind schließen ließ." Anfang Januar 2012 beendete Knut G. die Beziehung, traf die Angeklagte erst Anfang Mai wieder. "Wir wollten es noch einmal probieren, aber dann wurde sie ja schon festgenommen." Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr Knut G., dass die heute 22-Jährige sein Kind entbunden hat und es laut Anklage sterben ließ. "Ich habe sie dann noch einmal in der Klinik getroffen. Aber sie hat nichts gesagt, ich habe bis heute keine Antwort bekommen."

Auch Freundin Jasmin B., 33, hat Corina S. in der psychiatrischen Klinik besucht, in die sie nach ihrer Festnahme kam. "Sie wirkte fröhlich. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie viel geweint hat und fertig war." Jasmin B. erfuhr etwas über die Tatumstände. "Corina sagte, dass sie Wehen bekommen und das Kind auf der Toilette bekommen hat. Dort ist es reingefallen, aber sie hat es schnell rausgeholt und im Wohnzimmer auf die Couch gelegt. Es hat erst noch geschrien, dann aber nicht mehr." Die Angeklagte habe dann den leblosen Säugling entsorgt. Die Zeugin gab an, Corina S. erst im Februar 2012 kennengelernt zu haben. "Sie war da schon sehr füllig, ich wusste nicht, dass sie schwanger ist. Ich habe sie mal gefragt, aber sie hat das verneint."

Marija R., 22, kennt Corina S. aus Kindertagen. "Sie erzählte mir im September 2011, dass sie schwanger ist." Einige Zeit später habe sie behauptet, dass Kind nach einem Treppensturz verloren zu haben. "Haben Sie das geglaubt", fragt Richter Eberhard Hülsing. "Ich habe gezweifelt", sagt Marija S., die die Angeklagte als "unehrlich" beschreibt.

Auch Angelika K., 25, gibt vor Gericht an, dass sie von Corina S. häufiger angelogen worden sei. "Das alles kam ehrlich rüber, ich denke aber, dass es einfach nur Lügen waren." So habe die Angeklagte mehrfach von dem Mädchen berichtet, dass sie erwarte und auf dessen Geburt sie sich freue. Zur Welt gebracht hat sie jedoch einen kleinen Jungen. "Sie hatte schon einen Jungen, und Knut hatte auch schon einen. Wenn es ein Mädchen gewesen wäre, wäre es meiner Meinung nach nicht passiert. Ich glaube, sie hat es getan, weil es kein Mädchen war." Laut Angelika K. haben sie und die Angeklagte drei Optionen durchgespielt, was nach der Geburt passieren sollte. "Das Baby behalten, es zur Adoption freigeben oder in die Babyklappe bringen." Corina S. habe im Frühjahr 2012 den Kontakt zu ihr abgebrochen. "Ich habe sie immer als gute Mutter empfunden, hatte nie den Eindruck, dass sie psychisch instabil ist."

Ob die Angeklagte sich in einer Ausnahmesituation befunden hat und warum sie so handelte - das Gericht erhofft sich an einem der nächsten Prozesstage Aufschluss vom psychiatrischen Sachverständigen Dr. Arno Deister. Bisher konnte er die Angeklagten nicht persönlich befragen.