Eine Glosse von Beatrice Maaß

Was kulturhistorisch in Ländern wie Frankreich eine lange Tradition hat, ist hierzulande ein recht junges Phänomen: die Umarmung. Der Deutsche an sich - und das Nordlicht im Speziellen - scheut den direkten Körperkontakt bei der Begrüßung, sagt lieber lässig: "Moin". Langsam legen aber auch wir die Scheu ab und liegen uns schon mal in den Armen, wenn ein Sieg der Nationalelf zu feiern ist, oder einfach, um der Freude eines Wiedersehens Ausdruck zu verleihen.

Jedoch: Selbst eine spontane Umarmung will gelernt sein - und da fehlt uns im Norden eindeutig die Übung. Zusammenstöße drohen! Zwei Menschen kommen strahlend aufeinander zu, signalisieren Bereitschaft zum Körperkontakt - aber der eine beugt sich nach links, der andere nach rechts. Es kommt zu Irritationen.

Typisch Deutsch: Uns fehlt eine Umarmungs-Vorschrift. Beugt man sich im Begrüßungfall nach links oder nach rechts? Richtig ist, beide verlagern ihr Gewicht nach links und berühren die rechte Wange des Gegenübers - wie beim Tanzen. Noch Zweifel? Dann kommt hier das schlagende Argument: Beim berühmten sozialistischen Bruderkuss beugten sich Breschnew und Honecker nach rechts. Falsch! - wie auch der Verlauf der Geschichte lehrt.