Das Hörnerfest lockt am Wochenende mit seinem einzigartigen Mittelalter-Metal-Mix nach Brande-Hörnerkirchen. Besucher wollen leben wie Wikinger vor 1000 Jahren.

Brande-Hörnerkirchen. Isabel Löhr, 33, blinzelt und verzieht den Mund. "Der Rauch beißt ganz schön in den Augen. Und man riecht immer ein bisschen wie gegrillt." Kochen wie im Mittelalter hat seine Schattenseiten. Seit mehr als einer Stunde steht Löhr an diesem kühlen Sommernachmittag im Qualm des Holzfeuers, rührt mit einem langen Holzlöffel im schwarzen Eisentopf, der am Dreibein über den offenen Flammen schaukelt. Heute gibt es gedünstetes Schwarzbierhuhn für die zwölfköpfige "Horde zu Bramstede", mit der Isabel Löhr auf einem norddeutschen Mittelaltermarkt ihr Heerlager aufgeschlagen hat.

Ein Wochenende lang versuchen sie so zu leben wie Wikinger vor 1000 Jahren. Ohne Strom, ohne Telefon, ohne fließendes Wasser zum Beispiel. Die Hosen, Kleider und Hemden sind aus Leinen, Wolle und Leder, die meisten davon eigenhändig genäht und verziert. Beim Kartoffelschälen ersetzt ein handgeschmiedetes Messer den Sparschäler, der Hefeteig fürs Fladenbrot wird selbstverständlich im Tontopf geknetet. Die Teller für alle hat Karina Bollweg, 18, getöpfert, ihr Freund Jascha Haas, 24, kümmerte sich ums Glasieren. Getrunken wird aus Hörnern.

Allerdings auch mal Kaffee, ebenso wie es Nudelsalat zu essen gibt, obwohl die Wikinger keine Nudeln kannten. "Es ist ein Hobby, der Spaß steht im Vordergrund - und man kann sowieso nicht alles selbst machen", sagt Melanie Weise, 23. Deshalb gibt's auch ein Mobiltelefon im Lager. "Aber nur für Notfälle, wenn einer mal krank wird", sagt Schwertkämpfer Moritz Weise, 27. Schließlich schätzen die Mittelalter-Fans an ihren Zeitreisen ja gerade das einfache Leben. "Wir wollen zurück zu den Wurzeln", sagt Isabels Mann Mario Jeske, 30, Schwertkämpfer wie Weise und nach einem Schaukampf noch im zwölf Kilo schweren Kettenhemd. So viel wie möglich selbst machen, raus aus dem hektischen Alltag, nicht ständig erreichbar sein, im eigenen Takt leben. Die Horde, deren Keimzelle sich vor fünf Jahren gebildet hat, besucht bis zu zehn Mittelalterfestivals und -märkte pro Jahr.

Das Brande-Hörnerkirchener Hörnerfest, ein Open-Air-Musikfestival rund ums Mittelalter, gehört dabei zu den Höhepunkten ihrer Saison. Bis zu 1500 Besucher erwartet Hörnerfest-Veranstalter Thomas Tegelhütter, 50, bei der achten Auflage des Spektakels am Freitag, 28., und Sonnabend, 29. Juni. 17 Bands werden den aus der ganzen Republik angereisten Metal- und Mittelalterfans einheizen, darunter Corvus Corax, Fiddlers Green, Berlinski Beat, Manegarm und die Dudelzwerge. "Wir stellen eine bunte Mischung aus mittelalterlicher Marktmusik über Folkrock bis zu heidnischem Paganmetal zusammen", sagt Tegelhütter. "Unsere Kombination von Mittelalter und Extremmetal ist eher selten." Abseits der Bühnen sorgen ein Mittelaltermarkt mit Feldlager, Gauklern, rugby-ähnlichem Bruchenballturnier, Bogenschießen, Feuershow und dem Baumtaxi der Kokosnussritter für Abwechslung.

Metal und nordische Mittelaltermythen - lockt das nicht auch rechtsradikale Fans an? "Davon grenzen wir uns bewusst ab", sagt der Veranstalter, der mit Frau und Tochter mitten auf dem Festivalgelände, einem alten Bauernhof, lebt. "Bands, die auf dem Index stehen, kommen sowieso nicht rein." Alle anderen prüfe er auf Herz und Nieren, bevor er sie einlade, sagt Tegelhütter, selbst ein Mittelalter-Fan und bis 2002 Betreiber des Hamburger Kult-Clubs Headbangers' Ballroom. Anders als sonst beginnt das Hörnerfest diesmal bereits am Donnerstag, 27. Juni, mit einem Konzert der Gruppe Flutensang ab 20 Uhr.

Trotz aller friedfertigen Bekundungen wirkt die Ansammlung Hunderter schwarz gekleideter Metal- und Mittelalter-Fans auf dem Festivalgelände nicht unbedingt Vertrauen erweckend. Das schreckte auch Annette von Malottki, 51, bei ihrem ersten Hörnerfest-Besuch zunächst ab. "Aber es war überraschend friedlich, sehr entspannt, sehr familiär", sagt sie. Die braun gebrannte Dame gehört zu "Emblas Gesynde", Dort sind die Regeln strikter als in der "Horde zu Bramstede". Statt Nudeln, Reis und Kartoffeln gibt's Brot und Getreideprodukte, das würzige Pesto wird mit Wildkräutern wie Rauke und Giersch angerührt. Und als Kühlschrank dienen zwei hohe Tontöpfe, die gleichzeitig die Tischplatte halten. "Ich möchte zwar nicht komplett zurück ins Mittelalter, aber Teile davon in meinen Alltag mitnehmen", sagt von Malottos Tochter Lisa, die Gesynde-Chefin. "Man lebt einfach seinen Takt, die Leute sind entspannt, und es zählt nicht, woher man kommt oder was man beruflich macht." Pelzhändler Akki, der Südschwede, 48, aus dem Nachbarzelt nickt: "So ein Mittelalterwochenende ist einfach wie ein kleiner Urlaub."

Gefeiert wird auf einem ehemaligen Bauernhof, Schierenhöhe 13. Karten fürs Bühnenprogramm kosten 38 Euro pro Person und Wochenende. Erhältlich sind sie unter Telefon 04127/92 99 81. Den Markt selbst kann man auch kostenlos besuchen.