Planungen des Landes für Öffentlichen Nahverkehr sorgen für Ärger im Kreis Pinneberg. Bürgermeister wirft LVS-Geschäftsführer und dem Land vor, die Augen vor den realen Problemen der Region zu verschließen.

Tornesch . Die Ankündigung der Landesverkehrs-Servicegesellschaft Schleswig-Holstein (LVS), neue und größere Züge zwischen Elmshorn und Hamburg einsetzen zu wollen, hat den Disput zwischen dem Kreis Pinneberg und der LVS nicht beigelegt. Im Gegenteil: Torneschs Bürgermeister Roland Krügel wirft LVS-Geschäftsführer Bernhard Wewers und dem Land vor, die Augen vor den realen Problemen der Region zu verschließen. Das Landesverkehrsministerium in Kiel weist die Kritik zurück. Das Kieler Ministerium habe sehr wohl die Probleme des Kreises Pinneberg vor Augen.

Dass es ab 2014 neue Züge geben werde und damit auch mehr Platz für Passagiere, das wird im Kreis begrüßt. Doch das Kernproblem für die Region wird laut Krügel nicht angepackt. "Wir brauchen hier eine brauchbare Interimslösung im Schienennahverkehr, bis die S-Bahn bis Elmshorn Realität ist. Und unser Problem ist, dass die Taktung der Züge für viele Menschen in der Region nicht ausreichend ist", sagt Krügel. Derzeit müssen Bahnreisende aus Tornesch, wenn sie nach Elmshorn wollen, nach Pinneberg fahren und dort umsteigen, um die Strecke wieder zurück und weiter nach Elmshorn zu fahren. "Das geht nicht", urteilt Krügel.

Bei der LVS herrsche der falsche Eindruck vor, dass zusätzliche Züge auf der Strecke gefordert würden, doch dem sei nicht so. "Wir wünschen uns, dass die vorhandenen Züge nicht nur in Elmshorn, sondern auch in Tornesch halten, sodass es einen 30-Minuten-Takt nach Hamburg statt einen Stundentakt gibt", sagt Krügel. Dies sei auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region notwendig.

"Wir haben hier viele Unternehmen, es brummt wirtschaftlich. Doch die Berufstätigen kommen mit der Bahn nur unter erschwerten Bedingungen zur Arbeit. Unsere Unternehmen fordern eine bessere Verkehrsanbindung", sagt Krügel. Wenn die Infrastruktur nicht verbessert werde, entstehe ein immenser Standortnachteil für die Region. Vor allem angesichts des angekündigten Ausbaus der A 7, wenn die Straßen - so die Befürchtung im Kreis - während der jahrelangen Bauarbeiten dicht sein werden. Laut Krügel stelle dieses Großbauvorhaben eine Chance für den öffentlichen Personennahverkehr dar, die von der LVS aber nicht genutzt werde. "Bei mir entsteht der Eindruck, dass Herr Wewers nur sein Ding durchziehen will, eine schnelle Verbindung von Kiel nach Hamburg", urteilt der Bürgermeister.

Das Landesverkehrsministerium sieht dies anders. "Die Belange der Region haben wir durchaus im Auge. Wir prüfen auch, was künftig machbar ist, um die A 7 zu entlasten", so ein Sprecher des Ministeriums. Zunächst würden die neuen Züge eine Kapazitätssteigerung darstellen und somit zumindest für eine Teilentlastung sorgen. Eine vollständige Entlastung sei nur möglich, wenn mit neuen Bahngleisen auch mehr Züge eingesetzt werden können. LVS-Geschäftsführer Wewers hatte im Abendblatt erklärt, das ein entsprechendes drittes Gleis aber nicht kommen werde. Krügel hält dem entgegen, dass das dritte und vierte Bahngleis vom Landesverkehrsministerium im Verkehrswegeplan angemeldet worden sei und somit sehr wohl kommen werde. Das Ministerium in Kiel erklärt, das dies kein Widerspruch sei. "Die Anmeldung ist erfolgt, das ist richtig. Fakt ist aber auch, dass alles kategorisch unterfinanziert ist. Ein zusätzliches Bahngleis zu bauen, ist immens teuer und somit derzeit als unwahrscheinlich einzustufen", so der Ministeriumssprecher.

Ähnlich sieht dies der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann. "Das Problem ist, dass der vordringliche Bedarf weiterer Bahngleise seit langem bekannt ist, auch in Berlin. Aber der Topf für die nötigen Infrastrukturmaßnahmen ist chronisch unterfinanziert", sagt Rossmann. Eine Kompromisslösung könnten, so sagt er, Überholknoten für Züge sein, etwa bei Tornesch. Damit würde der Druck auf der Strecke gesenkt. Dies wäre laut Grünen-Politikerin Valerie Wilms aber ebenso kompliziert wie das dritte Gleis. Der Platz für solche Anlagen fehle zumeist, denn ein solcher Knotenpunkt wäre 1,5 Kilometer lang. "Diesen Platz gibt es bei Tornesch und Elmshorn zum Beispiel nicht", sagt Wilms.

Entscheidend wird letztlich sein, wie sich das Bundesverkehrsministerium entscheidet. Für dessen Verkehrswegeplan, der laut dem Landesministerium ab 2015 greife und bis 2030 auf den Weg gegeben sein soll, werde die Anmeldung aus Kiel geprüft. In dem Bundesverkehrswegeplan würden das dritte Bahngleis und auch andere Projekte aus dem Bundesgebiet auf ihre Notwendigkeit und Umsetzbarkeit hin untersucht und dann Prioritäten gesetzt. Da in Berlin aber mit der Fehmarnbeltquerung eine Entlastung der Bahnstrecke Kiel-Hamburg erwartet wird, könnte der Ausbau der Gleise im Kreis Pinneberg auf der Strecke bleiben. Rossmann geht davon aus, dass die A-7-Baustelle die Prioritäten nicht zugunsten des Kreises ändern werde.

Das müsse aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass sich die Lage im Kreis verschlechtern würde, so der Bundestagsabgeordnete Ole Schröder (CDU). Mit der Fehmarnbeltquerung werde ein guter Teil des Güterverkehrs künftig die Trassen östlich von Hamburg nutzen und nicht mehr die Strecke Hamburg-Elmshorn-Kiel benötigen. Damit würden wieder Kapazitäten auf der Schiene frei, die dann für den Ausbau des Personenschienenverkehrs genutzt werden könnten. Das bedeutet, dass die Bahnangebote und der ÖPNV zugleich gestärkt und somit die A 7 entlastet werden könnten. Wilms hält dies wiederum für unwahrscheinlich, denn die neue Osttrasse sei für Unternehmer teurer als die Strecke Kiel-Hamburg.

Roland Krügel will jedenfalls weiter für eine bessere Bahnanbindung der Region werben. Und dazu gehört auch, dass der Tornescher Bahnhof zwei gleich lange Bahnsteige erhält und nicht, wie bisher geplant, zwei unterschiedlich lange. Krügel: "Da kann mir die LVS so viel erzählen wie sie will. Das ist eine unsinnige Planung".

Unterstützung bekommt er von der SPD-Landtagsabgeordneten Beate Raudies. Auch sie hält die Pläne der LVS für verfehlt. Die Deutsche Bahn werde künftig in Spitzenzeiten, so Raudies, Züge von bis zu 300 Metern Länge einsetzen. Einige Regionalzüge und auch die Marschbahn nach Westerland würden daher auch in Zukunft an Tornesch vorbeirauschen, sollte die LVS nicht einlenken. "Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb nicht auch der benachbarte Bahnsteig ausgebaut wird", sagt die SPD-Politikerin. In einem Brief forderte sie jüngst die LVS auf, die Gründe dafür detailliert zu erläutern.