Peter Russ bietet im Kostüm des legendären Otto Klafack von heute an historische Rundgänge durch die Stadt an. An neuralgischen Punkten will der 47-Jährige laminierte Stiche oder Fotos herumzeigen und erklären.

Pinneberg. Zum Otto Klafack fehlen Peter Russ einige Kilogramm Körpergewicht und definitiv die auffallend große Nase. Was ansonsten die Optik angeht, so versucht der Historiker, 47, mit großer Akribie, dem Original zu entsprechen. Als Vorbild dient ihm ein bekanntes Schwarz-Weiß-Foto, dass den Klafack als Ober-Nachtwächter zeigt. "Ich habe gerätselt, wie lang die Litze am Kragenspiegel der Uniform ist. Dann habe ich abgemessen, dass sie etwa so lang wie sein Ohr ist, also rund sechs Zentimeter", sagt der detailverliebte Magister der Geschichte. An diesem Freitag, 21. Juni, schlüpft Russ zum ersten Mal öffentlich in die Uniform und damit in die Rolle des prominenten "Ur-Pinnebergers". Als "Ober-Nachtwächter Klafack" führt der Historiker dann ab 19 Uhr einen Rundgang durch die Pinneberger Geschichte an. Während der Vorbereitung erwägte Russ sogar, sich im Sinne der Authentizität den Vollbart abzurasieren.

Irgendeinen Nachtwächterruf will Russ nicht anstimmen. "Das soll kein Klamauk werden", sagt der 47-Jährige über das neue Angebot für alle Menschen, die an der Vergangenheit der Kreisstadt interessiert sind. Krach schlagen jedoch kann er schon, wenn er will. Außer dem Gehstock des Klafack hat Russ auch eine ohrenbetäubend laute Holzratsche dabei, die er sich eigens hat anfertigen lassen. Am Kragen baumelt eine kleine Laterne. "Ich bin kein Schauspieler, ich möchte Geschichte repräsentieren."

Aus Sicht des Historikers sei Otto Klafack, der von 1838 bis 1912 gelebt hat, "eine einfach wunderbare Figur", sagt Russ: "Als Kind hat er noch die Zeit der Dänen miterlebt, später den gewaltigen Sprung, den Pinneberg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemacht hat." Und weil ihm der Klafack nicht nur Staffage sein soll, hat Russ, der seit sieben Jahren im Elmshorner Industriemuseum als Museumspädagoge arbeitet, im Leben des Originals geforscht. "Es gibt unendlich viele Anekdoten über ihn, aber wenige Fakten." Überliefert ist vor allem, dass Klafack 22 Berufe gehabt haben soll - vom Ober-Nachtwächter über den Hundefänger und Steuereintreiber bis zum Hafenmeister. Überliefert ist, dass er in Gaststätten, wo er abends die Polizeistunde durchsetzen sollte, das eine oder andere Glas mit den Gästen trank. Und zwar das Bier aus dem Kömglas, aber den Köm aus dem Bierglas. "Auf seiner Beerdigung soll halb Pinneberg gewesen sein", sagt Russ.

Er gibt zwar den Klafack, beim historischen Stadtrundgang allerdings geht es nicht nur um den einstigen Ordnungswächter, der in einer Kate am Zusammenfluss von Pinnau und Mühlenau gelebt haben soll. Von der Ecke Rübekamp/Schauenburger Straße aus sollen die Teilnehmer durch die Geschichte des Ortes spazieren: von der Zeit des Pinneberger Schlosses bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Unter anderem geht es zur "Pinneberger Festungk", zu den Jahrhunderte alten Schwursteinen, und es geht um das verschwundene Kriegerdenkmal. Russ will auch diejenigen ansprechen, die "noch nicht zehn oder mehr Bücher über die Pinneberger Geschichte gelesen haben." Im Auftrag des Elmshorner Museums hat er bereits Erfahrungen mit solchen Stadtrundgängen gesammelt. Geschichtlich-chronologisch geht er dabei nicht vor.

An neuralgischen Punkten will der 47-Jährige laminierte Stiche oder Fotos herumzeigen und erklären. "Dadurch hat man ein Vorher-nachher-Bild", sagt Russ. "Vor allem auch mit Anekdoten aus der Geschichte kann man die Leute packen", lautet seine Erfahrung.

Dass ihn selbst die Lokalgeschichte derart gepackt hat, mag erstaunen, wer ihn als Schüler der Pinneberger Theodor-Heuss-Schule kannte, an der er 1986 das Abitur gemacht hat. "Geschichte war damals nach Mathe mein unliebstes Fach." Inzwischen lässt ihn vor allem die Pinneberger Geschichte nicht mehr los. Für September ist schon der nächste historische Stadtrundgang geplant. Dann heißt es "Mit Ober-Nachtwächter Klafack durch Pinnebergs Pensionopolis". Die Idee der Pensionopolis wurde zur Kaiserzeit vor allem von kleineren und mittleren Städten verfolgt. Man investierte in die Anlage von Villenvierteln, Parks, Theatern, Kurbädern, Casinos und ähnlicher Infrastruktur, um die entsprechende Klientel anzuziehen. Peter Russ: "Pinneberg war der wichtigste Ausflugsort für Altona."