Barmstedt hat erstmals eine Bürgermeisterin: SPD-Kandidatin drehte das Ergebnis in der Stichwahl zu ihren Gunsten. Die Wahlsiegerin war völlig aus dem Häuschen.

Barmstedt. Herzschlagfinale bei der Bürgermeisterwahl in Barmstedt. Kurz vor 19 Uhr geht am Sonntag ein großes Raunen durch die Zuschauerreihen. Nach vier von fünf ausgezählten Wahlkreisen steht es bei der Stichwahl 1521 zu 1520 Stimmen für Jörg Dittmer, 51. Nur eine Stimme liegt der Barmstedter vor seiner Mitbewerberin Heike Döpke, 52, aus Hannover. Einige der 200 Bürger im Ratssaal können es kaum fassen und lassen ihrer Anspannung mit emotionalen Ausrufen freien Lauf. Andere ziehen nervös an ihren Zigaretten vor dem Rathaus. Dann die Gewissheit: Heike Döpke hat es geschafft. Sie gewinnt mit 65 Stimmen vor Dittmer - 1982 zu 1917 Stimmen lautet das Endergebnis, 50,8 zu 49,2 Prozent.

Die Wahlsiegerin ist völlig aus dem Häuschen. Jubelt, lacht, umarmt Thies Thiessen, der sie zur SPD-Kandidatin machte, küsst ihren Mann Frank, der mit aus Hannover anreiste, schüttelt Hände der um sie herum stehenden Bürger, die alle herzlich applaudieren. "Ich bin total begeistert", sagt sie wenig später, als sie die Fassung wieder erlangt hat. "Ich bedanke mich bei allen Barmstedtern, die mich gewählt haben", sagt sie, fügt aber sogleich hinzu: "Ich werde eine Bürgermeisterin für alle Barmstedter sein." Sie hatte es geahnt: "Das wird mega-eng." Dass es dann so eng werden würde, hat am Ende wohl auch sie überwältigt.

Große Enttäuschung dagegen bei Dittmer und seinen Anhängern. Ungläubiges Staunen, Kopfschütteln, Tränen. Er selbst wirkt versteinert. Gratuliert fair seiner Widersacherin zum Wahlsieg, zieht sich dann aber sofort zurück. Er ringt nach Worten, will erst gar nichts zum Ausgang der Wahl sagen, die er vielleicht schon gewonnen glaubte. Fasst sich dann doch und sagt: "Ich gratuliere Heike Döpke zum Wahlsieg und bedanke mich bei jedem meiner Wähler." Am Tag danach sagt er: "Ich bin noch ratlos. Da ist ein Lebenstraum zerplatzt. Nun werde ich mich erst mal ins Privatleben zurückziehen." Offenbar gelang es seiner Konkurrentin, mehr Wähler für die Stichwahl zu mobilisieren. "Das muss ich anerkennen."

Damit hat er Recht. Beim ersten Wahlgang vor drei Wochen hatte Dittmer noch 275 Stimmen Vorsprung vor Heike Döpke. Nun gelang ihm nur, 100 Stimmen hinzuzugewinnen. Döpke dagegen verbesserte ihr Ergebnis vom 26. Mai um 440 Stimmen.

Unterstellt, dass beide Kandidaten ihre Wähler vom ersten Wahlgang wieder für sich gewinnen konnten, ging die Hälfte der 1056 Stimmen der beiden ausgeschiedenen Kandidaten Ortwin Schmidt und Stefan Haupt nicht mehr zur Stichwahl. Von der anderen Hälfte wählten vier von fünf Wählern Heike Döpke. Drei von fünf Wahlkreisen gingen zwar wieder an Dittmer, wenn auch knapp. Doch im Süden Barmstedts (Heederbrook) lag Döpke mit 66 und im Westen (Buchentwiete) mit 62 Stimmen vorn. Das gab den Ausschlag.

Eine, wenn auch knappe Mehrheit der Bürgerschaft dachte wohl wie der frühere CDU-Stadtvertreter Manfred Raddatz: "Wenn jemand von außerhalb kommt, kann der die Verwaltung mal ganz neu aufrollen." Ex-SPD-Fraktionschef Heinz Brabandt konnte das Glück kaum fassen. "Das ist das sensationellste Wahlergebnis, das ich in 35 Jahren Kommunalpolitik erlebt habe. Endlich ist es uns gelungen, den alten Barmstedter Korpsgeist zu überwinden." Damit zielte der erfahrene Genosse auf die FWB, die seit zwei Jahrzehnten die politischen Geschicke der Stadt bestimmt. Dittmer, der mal FWB-Sprecher war, trat aber öffentlich immer als unabhängiger Kandidat auf und holte auch fast doppelt so viele Stimmen wie die Wählergemeinschaft bei der Kommunalwahl. "Aber im Hintergrund haben wir Dittmer natürlich unterstützt", bekannte am Wahlabend Christian Kahns, FWB, der heute Abend wieder zum Bürgervorsteher gewählt werden soll.

Für Thiessen, der schon in Uetersen, Pinneberg und Schenefeld SPD-Frauen zu Bürgermeisterinnen gecoacht hat, war der Fleiß und Einsatz von Heike Döpke ausschlaggebend. "Sie ist morgens um 4.30 Uhr aufgestanden, war jeden Tag unterwegs." Mehr als 1000 Hausbesuche in drei Monaten Wahlkampagne, Erstwähler und Senioren angeschrieben, Werbeflyer noch am Stichwahl-Wochenende in Briefkästen geworfen, drei Wochen unbezahlten Urlaub genommen "Sie hat sich die Absätze schief gelaufen. Ich bin stolz auf die Kandidatin."