Bauamtschef Tom Rasmussen hat als begeisterter Vielflieger bald die Distanz von der Erde zum Mond zurückgelegt

Rellingen. Wenn Tom Rasmussen zur richtigen Zeit und bei passender Windrichtung in Rellingen die Ohren spitzt, hört er in der Ferne ein ihm höchst vertrautes Geräusch: das Triebwerksheulen der Boeing 777, mit knapp 74 Metern Länge und 351 Tonnen Startgewicht das größte Flugzeug, das den Hamburger Flughafen im Liniendienst anfliegt. "Der Emirates-Jet rollt dann vom Vorfeld zum Start", sagt er.

Rasmussen ist dieses Verfahren bestens bekannt. Denn die Triple-Seven, wie die 777 bei Piloten und Vielfliegern heißt, ist auf dem Flug von Hamburg nach Dubai für den 47-jährigen Rellinger häufig die Startrampe in die weite Welt. Während das berufliche Arbeitsfeld für den Chef des Bauamts im Rellinger Rathaus gewöhnlich an den Gemeindegrenzen endet, peilt er in seiner Freizeit als Flugreisender am liebsten exotische Ziele an.

Der sechseinhalbstündige Trip in die Vereinigen Arabischen Emirate mit dem Großraumjet ist dafür oft die günstigste Verbindung. Denn von Dubai aus gibt es ein riesiges Angebot an Anschlussflügen nach Thailand, auf die Philippinen, nach Malaysia, China und in weitere Regionen.

"Bei Starbucks im Airport von Dubai duzen die mich schon", scherzt Rasmussen. In den Coffeeshop treibt ihn allerdings weniger der Kaffee als die Internet-Station, an der es die Übersicht über preiswerte Weiterflüge gibt. In den meisten Fällen bucht der Reisefuchs bei seinen internationalen Touren nur den Flug bis zum ersten Ziel und zurück. "Immer so früh wie möglich buchen, weil dann die Tickets am billigsten zu haben sind", empfiehlt Rasmussen. Bei den Anschlussflügen bestimmt dann das günstigste Angebot vor Ort das Ziel. Es sei denn, der Weltreisende hat - wie es auch vorkommt - bestimmte Destinationen im Blick.

Urlaub im herkömmlichen Sinne hat für Rasmussen keinen Reiz. Früher gab es zwar Campingtouren, doch die sind mittlerweile für den Solisten, wie er seinen Familienstand beschreibt, längst Schnee von gestern.

Nach vereinzelten Flugreisen Ende der 1980er-Jahre packte den Rellinger von 2006 an so richtig das Flugfieber. Auslöser waren die günstigen Angebote im Internet. Mittlerweile kennt er sich in den Flugplänen der großen Airlines mindestens so gut aus wie im Baugesetzbuch. Zusätzlich nutzt der Vielflieger die Newsletter der großen Fluggesellschaften und kann bei entsprechendem Meilenkontostand manchmal auch seinen Reisestatus verbessern, "upgraden", wie es im Jargon heißt. Eines seiner größten Schnäppchen machte Rasmussen bei einem Flug von Hamburg über Istanbul nach Hongkong und zurück für 334 Euro.

Schon seit Jahren "verbraucht" Rasmussen seinen gesamten Jahresurlaub, meist aufteilt in maximal zweiwöchige Einheiten, um seiner Leidenschaft zu frönen. Dabei ist für ihn der Weg genauso wichtig wie das Ziel. Rasmussen kann sich für die Maschinen der großen Airlines und das Leben an Bord richtig begeistern. Inzwischen hat er die gesamten Flotten der beiden großen Hersteller Airbus und Boeing als Fluggast kennengelernt. Die Auswahl reicht vom kleinen Airbus A 318 bis zum größten Passagierflugzeug der Welt, dem A 380, von der kleinen Boeing 737 bis zum Jumbojet 747. Hinzu kommen Verbindungsflüge, oft mit kleinen Propellermaschinen. Am meisten beeindruckt ist Rasmussen aber von der Boeing 777, die ihn von Hamburg nach Dubai bringt: "Deren beide Triebwerke erreichen mit einem Durchmesser von 3,43 Meter fast die Kabinenbreite der kleinen Boeing 737."

So viel Detailwissen passt auch zu einer speziellen Buchführung, die der Flugfan über eine Internetplattform betreibt. Dort sind alle Flüge aufgelistet, die er seit 1987 absolviert hat. Allein in Dubai ist Rasmussen 28 Mal gewesen. Zwölf Mal ging es nach Hongkong, es folgen Bangkok, Singapur und Bali in den Top Ten der Flughäfen. Ziele wie Rio de Janeiro, New York, Colombo, Djarkata, Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi erreichte Rasmussen teilweise über andere Zubringerflüge.

Von Flugunfällen, Krankheiten, kriminellen Attacken oder ähnlichen bösen Überraschungen ist der Ferienflieger bisher verschont geblieben. Lediglich in Bangkok musste er vor ein paar Jahren seinen Aufenthalt zwangsweise verlängern. Demonstranten hielten sechs Tage lang den Flughafen besetzt. Der Rellinger logierte auf Staatskosten in einem Hotel.

Muss man Millionenerbe sein oder einen Lotto-Sechser gehabt haben, um sich so viele Reisen leisten zu können? "Keineswegs", sagt Rasmussen und verweist drauf, dass er keine teuren Hobbys hat, bescheiden lebt und im Prinzip wie ein Rucksack-Tourist unterwegs ist. Allerdings ohne Rucksack, denn kompakte Rollkoffer haben sich als praktischer erwiesen. Rasmussen reist mit kleinem Gepäck und wenigen Kleidungsstücken, die er unterwegs preiswert waschen lässt. Am liebsten sucht er sich auf eigene Faust günstige Unterkünfte, benutzt auf dem Weg zu touristischen Attraktionen den öffentlichen Bus und lässt es sich bei mobilen Garküchen am Straßenrand schmecken.

Rasmussens Flugkontostand beläuft sich auf 383.494 Kilometer

Mit Englisch als Verkehrssprache kommt der Rellinger in vielen Ländern gut zurecht. Nur ausgerechnet in Hongkong, wo Englisch angeblich schon zweite Amtssprache ist, gab es die größten Verständigungsprobleme. Dann helfen meistens Gesten oder Übersetzungen aus den speziellen Reiseführern für Individual-Reisende. Geflogen wird fast ausnahmslos in der billigen "Holzklasse", wie das Economy-Ticket genannt wird. Bevorzugte Sitzposition für den Reiseprofi sind Fensterplätze im rückwärtigen Teil des Flugzeugs.

In der Flugstatistik ist der Bauamtschef kurz davor, sein selbst gestecktes Rekordziel zu erreichen: die Strecke bis zum Mond. Dessen mittlere Entfernung von der Erde beträgt 385.000 Kilometer. Rasmussens Flugkontostand beläuft sich auf 383.494 Kilometer! In den Sommerferien soll die Rekordmarke überschritten werden: Dann reist Rasmussen in Begleitung seines Sohnes Lutz, 17, nach Borneo.

Vom Mond zurück auf die Erde könnte danach eine weitere Rekordmarke werden. Schließlich verspürt Rasmussen noch erhöhten Drang in ihm unbekanntere Regionen wie Nord- und Südamerika und Afrika aufzubrechen. In diesem Sinne: gute Reise!