Am Sonnabend steigt das 126. Barmstedter Kinderfest mit Umzug, Spielen und Disco. Das Motto des Kinderfests lautet in diesem Jahr “Amerika“. Es endet bereits um 18.30 Uhr.

Barmstedt . Mit der Spitze der Lanze zerschneidet Ritter Alexander die Schwaden winziger Staubpartikel, die in der Sonne tanzen. Sein Kettenhemd glitzert im Licht. Die Lanze ist vergleichsweise kurz, misst vielleicht 2,50 Meter. Und sie wiegt auch bei weitem weniger als ein Original. Ritter Alexander ist nach den ersten Testhieben mit seiner Waffe dennoch zufrieden. Schließlich ist er zwölf Jahre alt, und da passt die Dimension des Kriegsgeräts zur Körpergröße.

Am Sonnabend, 15. Juni, wird Alexander seine Rüstung anlegen, den Helm über das dunkle Strubbelhaar stülpen, das Visier hochklappen und den Ritterwagen besteigen, auf dem er geschätzte fünf Kilometer weit durch Barmstedt ziehen wird.

Der Junge führt den großen Kinderfest-Umzug gemeinsam mit seinem Burgfräulein Becky an. Beide werden vom Wagen hinab den etwa 410 Jungen und Mädchen ab Kindergartenalter zuwinken, die auf einem der neun nachfolgenden Gespanne sitzen, die Kindergärten, Grundschulen und Vereine geschmückt haben, oder sich dem Tross zu Fuß anschließen. Der Umzug vom Markt bis zum Rantzauer See ist der traditionelle Auftakt des Barmstedter Kinderfests, des kreisweit wohl einzigartigen Spiel- und Feiertags für den Nachwuchs, der bereits seit 126 Jahren Jung und Alt mobilisiert.

Für einen standesgemäßen Auftritt hatte Gerd Beutkus den Barmstedter Gymnasiasten vergangene Woche zum "Ritter von Barmstede" geschlagen, ganz feierlich mit Urkunde, und ihm seine Rüstung ausgehändigt. Der 69-jährige Beutkus engagiert sich seit mehr als drei Jahrzehnten im Kinderfestausschuss, und zeichnet erneut für die Organisation des Umzugs verantwortlich. Er und sein Mitstreiter Hartmut Büchner rüsten nur noch den Ritterwagen auf, montieren wie seit Jahrzehnten in der Scheune des Lillschen Hofs am Spitzerfurth die kunstvoll bemalten Holzaufbauten auf den Anhänger. Erstmals wird am Sonnabend ein Traktor statt eines Pferdegespanns den Wagen ziehen. "Leider", bedauert Alexander: "Pferde wären in jedem Fall passender gewesen." Aber aus Sicherheitsgründen hatte sich der Festausschuss gegen tierische PS entschieden. Auch ansonsten läuft in diesem Jahr einiges anders. Weil in diesem Jahr das Motto des Kinderfests "Amerika" lautet, passend zu Barmstedts Länderwochen, wird der Konvoi vermutlich eher einem Siedlertreck mit kleinen Cowboys und Indianern ähneln. Und da am Abend die Sause zum 75. Geburtstag des Rantzauer Sees steigt, endet das Kinderfest ausnahmsweise schon um 18.30 Uhr.

Die Stunden dazwischen sollen allerdings so vergnüglich wie immer werden. Bevor es nachmittags zur Kinderdisco ins Schuldorf geht, messen sich Jungen und Mädchen auf der Festwiese am See bei Geschicklichkeitsproben wie etwa Steckenpferdreiten und Balancieren mit einer Schubkarre. "Früher gab es sogar Fensterscheiben-Einwerfen, aber davon ist man schnell wieder abgekommen", berichtet Beutkus. Doch auch ohne solche zweifelhaften Attraktionen "wird das alles bestimmt ganz witzig", vermutet Alexander.

Dass der Ritter seines Amtes standesgemäß walten wird, davon ist Mit-Organisator Beutkus überzeugt. Immerhin ist der Sechstklässler seit seinem vierten Lebensjahr beim Festumzug dabei, hat sogar schon oft kleine Helferaufgaben übernommen - ganz ritterlich, so als ob er unabsichtlich für seine Regentschaft geübt hat: "Im vergangenen Jahr haben mein Bruder und ich Rucksäcke getragen mit Material wie Klebestreifen und Sicherheitsnadeln, falls einem Kind das Kostüm kaputtgeht."

So sollte es dieses Jahr eigentlich wieder laufen, nachmittags wollte er nur beim Glücksrad-Drehen assistieren, berichtet Alexander. Doch es kam anders. Sein Onkel Bernd Dürr, ebenfalls im Festausschuss, habe ihn gefragt, ob er die Ritter-Rolle übernehmen wolle. Und weil der Auserkorene nicht nur hilfsbereit, sondern auch ein furchtloser, heute würde man wohl sagen, cooler Typ ist, sagte er "Ja". Nur ein ganz klein bisschen aufgeregt sei er, gibt der Zwölfjährige zu. Und nennt den Grund dafür gleich mit: "Ich hab nämlich bis jetzt keine Vorstellung davon, was ich überhaupt machen soll." Beutkus grinst ihm verschwörerisch zu, bevor er die nächste Schraube festzieht: "Einfach nett und freundlich sein und ein bisschen repräsentieren." So schwer kann das nicht sein, die Vertreter der europäischen Königshäuser schaffen das bei öffentlichen Auftritten ständig mit weihevollen Mienen. Aber die müssen dabei auch nicht stundenlang unter einem Metallhelm schwitzen.