Unter dem Titel “Zeitlos zeitkritisch“ zeigt das Pinneberg Museum politische Plakate des Grafikers Klaus Staeck.

Pinneberg. "Das war schon 'ne wilde Zeit damals." Mathias Schmitz, 1950 geboren, wirft nur einen Blick auf die Plakate des vielfach ausgezeichneten Heidelberger Grafikers Klaus Staeck im Pinneberg Museum, schon sind die Themen seiner Jugend wieder da. Der Vietnamkrieg, der Militärputsch durch den chilenischen General Pinochet, Ölpest und saurer Regen, der Kampf gegen den Abtreibungsparagrafen 218, die Anti-Atom-Bewegung. Und so allgegenwärtig wie die Protestsongs von Joan Baez, Bob Dylan und Ton, Steine, Scherben waren für Schmitz und die friedens-, umwelt- oder frauenbewegten Mitglieder seine Generation die politischen Plakate von Staeck.

Unter dem Titel "Zeitlos zeitkritisch" zeigt das Pinneberg Museum, Dingstätte 25, von Freitag, 7. Juni, an knapp drei Dutzend dieser Arbeiten aus den 1970er- und 80er-Jahren aus dem Privatbesitz des Glücksstädter Sammlers Walter Rech. "Der Künstler Klaus Staeck hat mit seinen Plakatgrafiken, oft Kombinationen aus Fotos oder Grafiken und Slogans, seit den frühen 70er-Jahren die bundesrepublikanische Öffentlichkeit aufgerüttelt, provoziert und für kontroverse Debatten gesorgt", sagt Museumschefin Ina Duggen-Below. "Wir möchten mit dieser Ausstellung ein Stück Zeitgeschichte erzählen." Aus den mehr als 300 Staeck-Plakaten, die Rech akribisch gesammelt und archiviert hat, hat sie ein Kaleidoskop der damals gesellschaftspolitisch relevanten Themen zusammengestellt. Zeitgenössische und aktuelle "Spiegel"-Titel und Publikationen ergänzen und illustrieren die Schau.

In einer Vitrine entdeckt Mathias Schmitz die typischen 80er-Jahre-Anstecker, blaue Buttons mit weißer Friedenstaube und gelbe Anti-AKW-Exemplare beispielsweise. "Die Buttons!", entfährt es ihm. "Die waren ja überall dabei. Bei jeder Veranstaltung stand irgendwo eine Buttonmaschine." Ebenso geläufig sind ihm das Konterfei des Diktators Pinochet mit dem verbrieften Zitat "Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden", die provokante Collage aus Hundefutter-Werbung und abgemagerten Kindern, das schwarz-rot-goldene Sofakissen - akkurat mittig geknickt - mit der Zeile "Ordnung muss sein".

"Wir waren ja als Studenten fast alle in Wohngemeinschaften organisiert, da hingen überall diese Plakate", sagt Schmitz. Nach einer Ausbildung zum Starkstromelektriker studierte der gebürtige Bonner von 1972 an Elektrotechnik und Physik in Koblenz und Mainz. 1982 gehörte er zu den Gründern des Schenefelder Grünen-Ortsverbands, deren Chef er heute ist.

Schmitz ist ein politischer Mensch durch und durch, hat sich immer wieder eingemischt. Hat Staecks Plakatkunst zu dieser Entwicklung beigetragen, ihn beeinflusst? "Nein, aber Staeck hat die Politisierung meiner Generation illustriert", sagt Schmitz. "Man findet all die Themen wieder, die uns beeinflusst haben." Vor allem die enormen Widersprüche zwischen der heilen Welt, die die Elterngeneration ihnen vorgespielt habe, und der Realität, in der die alten Eliten der Nazizeit ihre antidemokratischen Grundsätze hinter der Fassade einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung lebten, habe ihn politisiert, sagt Schmitz. "Und der Vietnamkrieg. Die Amerikaner waren ja für uns bis dato die Guten gewesen."

Er sei aber nicht links gewesen, sondern habe sich eher in Sponti-Gruppen engagiert. Denn die Verherrlichung des Massenmörders Stalin in vielen linken Gruppen habe ihn skeptisch gemacht.

Auch deshalb habe in seinem WG-Zimmer nie ein Staeck-Plakat gehangen. Der 1956 aus der DDR geflüchtete Staeck, heute Präsident der Berliner Akademie der Künste, war ein überzeugter Sozialdemokrat. Kein Vorbild für den jungen Schmitz. "Die SPD war für uns damals die Atompartei", sagt der Kernkraftgegner. Er erinnere sich deutlich an die pauschale Skepsis, die die etablierten Bürger den Studenten und ihren neuen Ideen entgegen brachten. "Das reichte von 'Geh doch nach drüben' bis zu 'Euch sollte man alle vergasen'."

So treffend die Plakate den Zeitgeist der Sponti-Generation darstellen und so aktuell manche geblieben sind, so fremd dürften die meisten den heutigen Jugendlichen sein. "Wenn ich 16 Jahre alt wäre, würde ich das ohne Erläuterungen vermutlich nicht verstehen", sagt Schmitz. Der gesellschaftspolitische Hintergrund sei heute ein völlig anderer als vor 40 Jahren. So habe Staeck vor allem gegen die CDU polemisiert.

Das würde heute nicht mehr funktionieren, weil die CDU eine ganz andere Partei sei als damals, sagt der Zeitzeuge. "Die hatte ja damals etwas Vordemokratisches. Das kann man heute auf keinen Fall mehr unterstellen, die haben ja ihren eigenen Demokratisierungsprozess hinter sich." Heute gehe es - auch angesichts der Wahl- und Politikmüdigkeit vieler Menschen - nicht mehr darum, die Gesellschaft zu demokratisieren, sondern die Demokratie zu bewahren.

Die Ausstellung "Zeitlos zeitkritisch" wird am Freitag, 7. Juni, um 17 Uhr im Pinneberg Museum, Dingstätte 25, eröffnet. Sie ist bis zum 12. Oktober zu den Öffnungszeiten dienstags, mittwochs und freitags von 17 bis 19 Uhr, donnerstags von 10 bis 12 Uhr und 15 bis 17 Uhr sowie sonnabends von 11 Uhr bis 13 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.