Peter Werners Fracht-Ewer “Anna von der Lühe“ legt zur Schipperparade des Industriemuseums in Elmshorn an.

Elmshorn. Anna sieht deutlich älter aus, als sie ist. Aber genau deswegen hat sich der Elmshorner Peter Werner vor acht Jahren für sie entschieden. Erst 35 Jahre alt ist seine "Anna von der Lühe". Doch mit ihrem Einblattruder, dem rötlich glänzenden Teakholzmast und den waldgrün gestrichenen Kajütaufbauten sieht sie aus, als sei sie ein gutes Jahrhundert älter. Bis ins Detail wurde der Fracht-Ewer auf der Werft Jonny Eimers in Wischhafen nach einem alten Originalriss rekonstruiert. In diese "alte Dame" verguckte sich Werner, als er sie zum ersten Mal in einer Anzeige im Piekfall sah, dem Mitteilungsblatt der Interessengemeinschaft Freunde des Gaffelriggs.

Viele Seemeilen und Hunderte Bastel- und Lackierstunden später legt Werner seine Beine quer über die Bank, die Licht und Salzwasser mit den Jahren versilbert haben. In dieser Pose wäre der 59-jährige Berufsschullehrer für Landratten wohl das Sinnbild eines tiefenentspannten norddeutschen Skippers.

Blitzende blaue Augen in Lachfältchentälern, die nackten Füße in Ledermokassins, Ringelshirt, und ein Teint, der selbst im Winter niemals so fahl wird wie Haut von Schreibtischtätern. Ein paar Schönheitskorrekturen musste "Anna" schon beim Bau hinnehmen, erzählt der Eigner: "Im Original hatte das Schiff allerdings keine Aufbauten, da lebte der Knecht im Vorluk und in der Achterkajüte wohnte der Kapitän." Die Ur-Ahnin seines Ewers dürfte in etwa zur gleichen Zeit Obst aus dem Alten Land, Torf und Ziegel nach Hamburg transportiert haben, als Werners Großvater noch als Kapitän über Nord- und Ostsee fuhr. "Vielleicht habe ich dieses Wasser-Gen von ihm", sagt Werner.

Doch während sich der Opa Ende des 19. Jahrhunderts als Seemann noch die Knochen kaputt schuftete, verbindet sein Enkel nur "ein wunderschönes Gefühl" mit dem Bordleben.

An Werners Arbeitsplatz haben Gezeiten, Wetter und die Klangsinfonie der Umgebung Erholungswert. Wind klopft in den Wanten, Wellen schwappen, dazu trommelt Werner mit Mittel- und Zeigefinger rhythmisch auf das gedrechselte Steuerrad, einen Arm lässig auf der Reling. Aber ein Stahlschiff von 14 Metern Gesamtlänge bedeutet auch drei Generationen nach Großvaters Kapitänsleben viel Arbeit. Genau so wird der Skipper vermutlich auch am Sonnabend, 8. Juni, an Deck sitzen. Allerdings nicht im Becken des Elmshorner Segelvereins, sondern direkt im Hafen der Krückaustadt. Dort dürfte es am nächsten Wochenende wohl deutlich lauter zugehen. Denn um 14 Uhr wird Bürgermeisterin Brigitte Fronzek die Schipperparade eröffnen. Am Sonnabend bis 17 Uhr sowie am Sonntag von 10 bis 17 Uhr treffen sich im Elmshorner Hafen historische Schiffe wie die "Anna". Besucher können nautische Nostalgie bei Schnupperfahrten und vielen Aktionen erleben. Mit diesem Erlebniswochenende startet das Industriemuseum stilecht seine Sonderausstellung "Tor zur Elbe - Hafen im Gezeitenwandel".

Bis zum 8. September schlagen die Veranstalter in der Catharinenstraße 1 mit Infotafeln, historischen Objekte, Fotos und Filmen eine geschichtliche Brücke zwischen dem Elmshorner Hafen von einst bis zur Planung und Umsetzung der Querspange heute.

Ehrensache, dass Werner mit seiner "Anna von der Lühe" ebenfalls festmachen wird. Schließlich hat er gemeinsam mit seinen Mitstreitern Andre Konietzko und Hans Barzel seit November den maritimen Teil des Events vorbereitet. Von einigen Oldtimern hat er schon feste Zusagen, die 16-Meter-Ewer "Frieda" und "Auguste" kommen aus Hamburg, der Kutter "Forelle", ebenfalls aus der Krückau, legt an, Motorschiff "Klostersande" auch. Dazu dürften etliche Kurzentschlossene kommen, die ihre Törns für eine "Schwappvisite" im Krückaubecken nutzen.

"Natürlich dürfen auch neuere Baujahre anlegen. Wir lassen auch Joghurtbecher zu", sagt Werner und grinst schalkhaft. Joghurtbecher, damit meint er mit gespielter Respektlosigkeit Segler und Motorboote aus Kunststoff, wie sie heute in jedem Yachthafen liegen.

Für ihn kam so ein Modell nie infrage. Dass das technische Zeitalter sich nicht gänzlich aussperren lässt, beweisen nur der Drehzahlmesser des 34-PS-Motors am Steuerstand, das Echolot, und das rote Kabel, mit dem Strom von Land genommen wird. Schon "Annas" Vorgänger, der "Holtdüwel", ein gaffelgetakelter Holzkutter, war ein historisches Modell. "Den hatte ich über 20 Jahre", sagt Werner, beendet das Trommeln auf dem Steuerrad und geht zu liebevollem Streicheln über.

Doch erst mit dem Kauf der geschichtsträchtigen Schönheit ist der Bootsfan seiner eigenen Vergangenheit näher gekommen. Inzwischen müsse er oft an seinen Opa denken, wenn er an der Pinne sitze und das Elbufer vorüber gleitet. "Meine Hochachtung vor dem, was Seeleute damals leisten mussten", sagt er.

Schipperparade und Ausstellung könnten Besuchern diese Erfahrungen vermitteln. Vielleicht wünscht sich mancher am Wochenende, er könnte die Zeit zurückdrehen. Werner kommt dieser Gedanke in letzter Zeit jedenfalls öfter. "Wie gern würde ich mit meinem Großvater noch einmal hier auf der Bank sitzen und plaudern. Ihn fragen, wie er zur Seefahrt gekommen ist", sinniert er. Als Werner aufsteht, knacken die Planken von "Annas" Holzdeck. So als ob sie ihm anstelle des Großvaters antworten wollte.