Rolf Schell, neuer Direktor des Schenefelder Gymnasiums, kommt von der türkischen Schule an die Düpenau.

Schenefeld. Inmitten seines neuen Kollegiums wirkt Rolf Schell an seinem ersten Arbeitstag noch etwas verloren. Das liegt wohl nicht nur daran, dass er hier keinen kennt, sondern vor allem auch an der Umstellung. Immerhin saß Schell, der dem pensionierten Horst Meyer nach 16 Jahren als Direktor des Schenefelder Gymnasiums nachfolgt, am Tag zuvor noch im Flieger auf dem Weg von Istanbul nach Deutschland. In den vergangenen acht Jahren lebte Schell in der pulsierenden Metropole am Bosporus. Dort unterrichtete der 58-Jährige an einer türkischen Schule mit einer deutscher Abteilung Chemie, Physik und Informatik. Zudem war er als Angehöriger der erweiterten Schulleitung für die Unterrichtspläne verantwortlich.

Sein Appartement mit Blick auf das Marmarameer lag im asiatischen Teil der riesigen Stadt. Einer Stadt, die derzeit von schweren Unruhen erfasst ist. Die Nachrichten über die Proteste und die Krawalle verfolgt Schell aus der Ferne ganz genau. Er weiß von ehemaligen Kollegen seiner Schule, die das großzügig eingesetzte Tränengas abbekamen, weil es in die U-Bahnschächte zog. Überrascht ist er von der großen Protestwelle nicht. "Es hat sich einiges angesammelt. Der Streit um die Abholzungen im Gezi-Park ist nur der Funke, der das Pulverfass entzündet hat." Premier Erdogan müsse erkennen, dass sein Volk nicht mehr aus Ja-Sagern bestehe, sondern beteiligt werden wolle.

Gedanklich noch teilweise in Istanbul hat sich Schell 100 Tage Zeit gegeben, sich voll und ganz auf sein neues Zuhause und den neuen Job einzustellen. Immerhin tauscht er den Mulitkultiflair am Bosporus gegen das Kleinstadtleben an der Düpenau ein. Und genau über diesen Schritt ist Schell sehr froh. Dass hat weniger mit den jetzt ausgebrochenen Unruhen in Istanbul zu tun, als mehr mit seiner eigenen unruhigen Geschichte.

Der gebürtige Franke ist ein Weltenbummler. Von Bayern zog es ihn in den Norden Deutschlands, von dort bewarb er sich auf seine erste Auslandsstelle. "Ich wollte nicht nach Afrika, also kam ich natürlich nach Afrika", erinnert sich Schell. Von 1991 bis 1997 lebte er mit Frau und Tochter in Namibia, unterrichtete an der deutschen Auslandsschule in Windhoek. Namibia zählt etwa zwei Millionen Einwohner, etwa zehnmal weniger als in der Metropolregion Istanbul. Die Einsamkeit der Wüste ist es auch, die Schell am meisten beeindruckte. "Sie setzen sich ins Auto, fahren aus der Stadt und dann sehen sie niemanden mehr."

Nach einem sechsjährigen Zwischenstopp an einer Schule in Glinde packte Schell erneut das Fernweh. Bewusst suchte er sich die türkische Schule in Istanbul aufgrund ihres naturwissenschaftlichen Schwerpunktes aus. Acht Jahre blieb er in der türkischen Metropole, seine Familie in Rellingen. "Istanbul ist wie ein goldener Käfig. Meiner Frau wäre die Decke auf den Kopf gefallen", erklärt er die Fernbeziehung. Zudem machte seine heute 27 Jahre alte Tochter gerade ihr Abitur. Doch ihn reizte die Fremde, die neuen Herausforderungen. "Wenn man einmal den Finger am Puls der Welt hatte, lässt es einen nicht mehr los. Außerdem habe ich ein Grauen davor, einmal zu erstarren", erläutert Schell seinen Drang zur Wanderschaft.

Doch jetzt sei es Zeit zu bleiben. Darauf freut er sich. "Es ist sehr anstrengend, immer in fremden Kulturen zu leben", sagt Schell. Man müsse ständig umdenken und man werde wohl niemals ganz ankommen. Für die dauerhafte Bleibe hat er sich den Kreis Pinneberg, für die Leitungsstelle bewusst das Schenefelder Gymnasium ausgesucht. Obwohl gleich mehrere ähnliche Posten an Schulen in der Umgebung frei waren, bewarb sich Schell, wie er sagt, nur auf den Job am Gymnasium Schenefeld. "Der künstlerisch-musikalische Schwerpunkt hat mich fasziniert", sagt Schell, der selbst gern Klavier spielt und sich an der Gitarre versuchte.

Dank seiner Auslandstätigkeit ist der neue Leiter des Schenefelder Gymnasiums stressgeprüft und improvisationsfähig, wie er mit Blick auf die türkischen Verhältnisse sagt. Zudem bringt er einige neue Ideen mit. Allerdings möchte er die vorerst nicht verraten, sondern mit seinem Kollegium besprechen, das er jetzt kennenlernen will.